Wann ist eine Frau kein Mensch mehr?

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Vor mehreren Jahren gab es eine Revolution in einer deutschen Stadt: alle Amtstitel wurden in der weiblichen Form verzwangt. Der männliche Bürgermeisterin war davon ebenso betroffen wie alle anderen gewählten und ungewählten Amtspersonen und Angestellten der Stadt.

Blick zurück im Zorn.

Im Krankenhaus. 50-er Jahre? 60-er Jahre? Egal. Irgendwann. Der Zorn des Gerechten, er erbost sich in seiner Not, allein gelassen zu sein: “Wo ist der Arzt!? Wo ist der Arzt!? Ich will endlich einen Arzt!” Der Arzt steht neben ihm. Es ist eine Frau. Er aber akzeptiert keine FRAU. Er will einen MANN.

Eine Frau als Arzt? Undenkbar!

Glücklicherweise hat diese Idiotie ein Ende bekommen. Erreicht oder gar passiert hat sie dieses Ende nicht.

Idioten gibt es auch auf der Gegenseite, in der Form der “Political Correctness”, bei der es an einem Wort immer ein “Innen” gibt. So findet sich beim Lesen eines Werbeprospekts für eine Kreuzfahrt auch ein Hinweis auf “Bullauge/innen”. Aha, der Bullauge. Wir wissen Bescheid. Und was ist, neben Steward/innen, der Job eines Bullauge/innen? Verrückt? Nein, sondern realer Gedankenunfall, vor mehreren Jahren in Deutschland passiert und mit Verschwörermiene und verschmitztem Gesicht weitererzählt.

Der Zwang zum Geschlechtsfetischismus und Geschlechtsfaschismus nimmt immer bizarrere Formen an. Eine Frau als Arzt? Undenkbar! Aber noch schlimmer: ein Mann als Krankenschwester. Nicht einmal “Krankenbruder” als Berufsbezeichnung wurde akzeptiert, es wurde ein neuer Begriff kreiert: der “Krankenpfleger”.

Ewiggestrige, könnte man meinen: unfähig für auch nur einen Funken Hirnleistung, eingefroren in ihrem Sprachnazi-Betonbunkerschädel – irgendwo zwischen 80 und scheintot. Aber der Naziismus gebiert ständig neue Ungeheuer, hirnlos, brutal, menschenverachtend.

Wann wird das Wort “Mensch” nicht mehr für Frauen gelten? Wann wird es “Menschin” heißen müssen? Das ist keine leere Frage, wie das Beispiel “Student” zeigt. Jetzt, im Jahr 2011.

http://info-parkour.de/hamburg-haw-studenten-magazin-pressefreiheit-zensur-asta.html

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Das unabhängige Studenten-Magazin der HAW Hamburg
Stellungnahme: Unsere Meinung ist nicht käuflich

Das unabhängige Online-Studenten-Magazin der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, info-parkour.de, stellt seinen Betrieb bis auf Weiteres ein.

Wie kommt’s?

Wie ihr vielleicht wisst, wurde info-parkour und seine Redakteure seit Februar 2010 durch den AStA der HAW finanziert.

Im Sommer 2011 stand eine Verlängerung dieser Finanzierung an, die der AStA neben legitimen Forderungen wie Nachhaltigkeit u.ä. allerdings auch von Formulierungsstandards abhängig machen wollte. Diesen Formulierungen konnte info-parkour nicht zustimmen.

Und was sind das für Formulierungen?

Das Magazin verwendet seit Gründung 2008 für die Mehrzahl von Studenten und Studentinnen das Wort “Studenten”. Mit dieser Formulierung verstößt info-parkour neuerdings gegen den AStA-Satzungs-Punkt “Geschlechtergerechtigkeit”. Der AStA beschuldigt info-parkour also der Geschlechter-Diskriminierung.

Für eine erneute Finanzierung wären die Redakteure von info-parkour dazu gezwungen, in allen veröffentlichten Artikeln die Formulierung “Studierende” zu verwenden, da diese laut einer Studie angeblich als geschlechtsneutral angesehen wird.

Und jetzt macht ihr wegen dieses Wortes so viel Wind?

Uns geht es bei dieser Diskussion nicht um das Wort “Studenten” an sich. Vielmehr geht es darum, dass info-parkour zum Start der Finanzierung 2010 redaktionelle Unabhängigkeit zugesprochen bekam, mit der der AStA info-parkour in der Öffentlichkeit beworben hat.

Diese redaktionelle Freiheit, die in der geltenden deutschen Pressefreiheit verankert ist, würde info-parkour in diesem Falle durch den AStA verwehrt.

Warum schreibt ihr nicht einfach, wie der AStA will, und ihr bekommt dafür weiterhin das Geld?

Darüber haben wir uns natürlich auch Gedanken gemacht. Nur würde die Redaktion unter diesen Umständen gegen ihre ausdrückliche Überzeugung handeln und nicht mehr unabhängig entscheiden. Wir würden uns also kaufen lassen.

Die ausdrückliche Überzeugung liegt darin, dass Studien nicht darüber entscheiden können, welche Worte im deutschen Sprachgebrauch erlaubt sind und welche verboten sind. Darüber entscheidet der Gesetzgeber und nicht irgendein AStA.

Als journalistisches Projekt bezieht sich info-parkour daher bei Formulierungsstandards auf deutschsprachige journalistische Institutionen wie Frankfurter Allgemeine Zeitung, Der Spiegel, Süddeutsche Zeitung, Die Zeit oder Neue Zürcher Zeitung.

Aber die HAW und das STUDIERENDENwerk schreiben doch auch so?

Absolut, das ist deren gutes Recht. info-parkour will diese Formulierung ja auch nicht verbieten, stellt sie aber in Frage. Die Basis demokratischer Diskussionskultur.

Wenn Studenten an der HAW studieren oder in der Mensa essen wollen, werden sie ja auch nicht dazu verpflichtet nur noch von “Studierenden” zu sprechen.

Die einzige Forderung von info-parkour an den AStA der HAW zur Weiterfinanzierung war das Recht auf freie Meinungsäußerung, die dem Magazin so aber nicht gewährt würde.

“Der AStA kann dem info-parkour die Pressefreiheit nur gewähren, sofern auch deren Arbeit [info-parkour] satzungskonform ist.” (aus der offiziellen Stellungnahme des AStA-Vorstandes, Tilmy Alazar)

Weder obliegt das Gewähren der Pressefreiheit dem AStA, noch steht die AStA-Satzung über der Pressefreiheit.

info-parkour verzichtet aufgrund dieser Entscheidung des AStA auf eine Weiterfinanzierung, um den AStA vor einem möglichen Vorwurf wegen Zensur zu schützen.

Ihr wurdet doch schon über ein Jahr vom AStA finanziert, warum fällt denen das jetzt erst auf?

Ja, da ist sie wieder, die Sache mit den Studien. Plötzlich tauchte eine Studie auf und wir sollten uns verpflichten diese neue Formulierung einzuhalten.

Jedes einzelne Teammitglied hat für sich entschieden, dass info-parkour unter solch pressefeindlichen Bedingungen nicht Teil dieses AStA der HAW sein kann.

AStAs und ihre Satzungen kommen und gehen, die Pressefreiheit bleibt.

Und warum macht ihr nicht einfach weiter?

Das haben wir natürlich vor, nur wurden durch den AStA acht HAW-Studenten als Redakteure des Magazins finanziert. Die meisten studentischen Geldbeutel sind dabei auf jeden Euro angewiesen, der nun anderweitig verdient werden muss. So wird das Zeitkonto für den info-parkour vorerst geschmälert.

Heute ist nicht alle Tage, wir kommen wieder, keine Frage

info-parkour existiert als in der Hochschule verankertes Studenten-Magazin seit 2008 und fühlte sich verpflichtet, die Campuskultur der HAW zu fördern und Studenten die Möglichkeit zu geben, sich frei und unabhängig in allen Bereichen journalistischer Tätigkeiten auszuprobieren und sich weiterzuentwickeln.

Hierbei fand info-parkour als journalistisches Magazin immer wieder Akzeptanz und Unterstützung in der Hochschule direkt und es wurde nie versucht, Einfluss auf den Inhalt oder die Formulierung zu nehmen.

Das Magazin musste sich in den vergangenen vier Jahren häufiger Herausforderungen finanzieller sowie organisatorischer Natur stellen, aus denen info-parkour immer gestärkt hervorging. Dass der AStA (bestehend aus Studenten!) nun maßgeblich an der vorübergehenden Einstellung des Magazins mit verantwortlich ist, entbehrt einer gewissen Ironie nicht.

info-parkour bedankt sich beim AStA der HAW für die zurückliegende Zusammenarbeit und finanzielle Unterstützung und wünscht deren Mannschaft (und Frauschaft, natürlich) darüber hinaus mehr Mut im Umgang mit Campuskultur, die als allererstes auf Meinungsfreiheit und deren ungehinderter Äußerung basiert.

Das info-parkour-Team bedankt sich außerdem bei vielen ehemaligen Teammitgliedern, Autoren, Unterstützern aus der Hochschule und dem Stadtteil St. Georg.

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Aus Solidarität mit den Redakteuren von Info-Parkour habe ich ihren Text als mahnende Erinnerung übernommen.

Post Title: Wann ist eine Frau kein Mensch mehr?
Author: Acorlin
Posted: 2nd September 2011
Filed As: Hochkultur, Medienmafia, Rhetorik
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