Wozu noch Zeitungen?
Posted by AcorlinIn der Süddeutschen Zeitung gibt es eine Serie: “Wozu noch Journalismus?” Am 19.07.2010 schreibt Heribert Prantl dort: “Eine gute digitale Zeitung macht das, was eine gute klassische Zeitung auch macht” [1]
Tatsache ist: Es gibt keine digitale Zeitung. Eine digitale Zeitung gibt es erst dann, wenn es auf digitalem Papier (also dünner, elektrisch färbbarer Folie) eine ganze Zeitungsseite gibt. Das ist noch lange nicht der Fall.
Tatsache ist: Papier ist Papier und Papier wird bedruckt. Papier kann gelagert werden, man kann es in Bibliotheken aufbewahren. Papier ist dauerhaft. Papier ist statisch und Papier schweigt.
Tatsache ist: Im Internet kann sich jede Information in jeder Sekunde ändern. Alles ist flüchtig, nichts ist von Bestand, was heute hier ist, ist morgen woanders, und dann – weg, als hätte es nie existiert.
Tatsache ist: Im Internet kommen und gehen die Leser wie Heuschrecken, im Moment sind sie hier und im nächsten Moment ganz woanders. Sie sind vogelfrei, nichts hält sie. Sie sind opportunistisch, sie sind parasitisch – sie wollen alles umsonst.
Wo, bitte, ist da noch der Journalist? Schreiben kann nahezu jeder. Die Leute schreiben viel, sie schreiben breit, sie klopfen die Tastatur in Fransen.
Aber sagen sie etwas?
Die Zeitungen haben ein Paket verkauft aus einem Haufen Artikel, garniert mit Werbung. Welche Artikel wie oft – falls überhaupt – gelesen wurden, hat nicht interessiert. Das Paket wurde verkauft – und bezahlt, einzeln oder im Abonnement.
Im Internet bricht die Technik diese Pakete auf, jeder Artikel existiert für sich, wird möglicherweise in mehrere Teile zerbrochen, damit eine Ladung Reklame mitverfrachtet werden kann.
Die Reklame ist die Nutzfracht, der Artikel nur das Transportmedium.
So wird auch bezahlt, nicht vom Leser, sondern den Reklamebuchern
Wo, bitte, bleibt da noch der Journalist? Schreiben kann nahezu jeder.
Werbeeinblendungen in Web-Seiten einfügen kann auch jeder.
Wer braucht heute noch Verleger? DAS ist die Frage. Und welcher Verleger braucht heute noch bezahlte Journalisten? Das ist die andere Frage.
Die Frage ist nicht: “Wozu noch Journalismus?”, sondern “Wie und wovon kann ein Journalist leben?” Etwa wie früher, als man Schreib- und Hungerleider war und froh sein konnte, bei einem Adligen als intellektueller Hofnarr, Bücherabstauber, Bibliothekar oder Sprachlehrer GNÄDIGERWEISE geduldet und verköstigt zu werden?
Von diesen Gnadenplätzen gab es wenige, und gedruckt wurde noch weniger.
Heute schreiben die Leute rund um die Uhr. Sie sitzen auf ihrem Felsen und schnattern ohne Unterlaß. Sie sind vogelfrei…
(http://www.youtube-nocookie.com/watch?v=50YCRv4Io9I&feature=related )
[1]
http://www.sueddeutsche.de/medien/serie-wozu-noch-journalismus-professioneller-edelblogger-1.967940
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[…] Eine der Fragen, die immer wichtiger wird: “Wozu noch Zeitungen?” (http://ariplex.com/folia/archives/72.htm) […]