Archive for May, 2013
Casting-Shows als Nachfolge der Tanz-Marathons
Saturday, May 18th, 2013Vor gut 100 Jahren begann die Blüte einer Massenperversion: Tanzmarathons.
Dance Marathons of the 1920s and 1930s
http://www.historylink.org/index.cfm?DisplayPage=output.cfm&file_id=5534
Castingshows sind eine neuere Variante der Ausbeutung.
Harald Haack ist von uns gegangen
Saturday, May 18th, 2013Harald Haack: Fotograf, Regisseur und Buchautor
Er war lange Jahre sehr krank und ist mehrere Male dem Tod nur knapp entkommen. Seit einigen Monaten war klar, daß es keine Rettung mehr gibt. Nun ist er am 15. Mai 2013 eingeschlafen.
Harald Haack
http://www.newsbattery.eu
Ruhe in Frieden
Artisten in der Zirkuskuppel? Trostlos!
Tuesday, May 14th, 2013Die Medienlandschaft geht den Bach runter. Jeder greift nach einem Strohhalm.
Die Einnahmen schwinden, die Leser/Zuschauer ziehen weiter, zurück bleibt ein leerer Platz. Der Zirkus ist leer und der Wind bläst durch das Zelt. Einsame Szene im Wilden Westen. Das ist keine Analogie, sondern die Wahrheit.
Die ersten, die von den neuen Medien ins Aus gedrückt wurden, waren die Zirkusse. Was früher eine große Attraktion war, zu der man kommen mußte, um sie zu sehen, wurde durch das Fernsehen zur Alltäglichkeit. Wozu irgendwo für teures Geld unbequem in einem Zirkuszelt sitzen, wenn man auf der eigenen Couch mit Chips und Cola den Löwen und Tigern in Großaufnahme ins Gesicht sehen kann? Preiswerter (sic!) ist es auch. Und billig allemal.
Das Fernsehen war ein neues Medium, und eine Branche hat es nahezu völlig vernichtet. Nur noch vereinzelt gibt es so etwas wie einen Zirkus. Die letzten von ihnen werden von Tierschützern um ihre Attraktion “Tier” ärmer gemacht. Was bleibt, sind einige wenige Artisten, die in riesigen Firmen und Aufbauten einen extravagant teuren Hauch von Exotik bieten können, den das Fernsehen NICHT vermitteln kann. Der Rest … ist Vergangenheit.
Die Zirkuslandschaft ist nahezu völlig leer.
Wer heute in Wiederholungen alter Filme Szenen mit Artisten sieht, wer war schon dabei, wer hat in seinem Leben EIN MAL in einem Zirkus gesessen? Ab einem Alter x sieht die Generation Netbook, schon gefolgt von Generation Tablet, Dinge aus einer Zeit vor ihr, Dinge die ebensogut im Mittelalter hätten sein können, so groß ist die geistige Distanz. Weit, weit weg…
Man sieht die alten Filme, hört das Wort Zirkus. Irgendwas seltsames muß das gewesen sein, der “Zirkus”. Die Leute damals fanden ihn … Wie? Spannend? Interessant? Selbst die Worte zur Beschreibung fehlen. Auch die Sprache hat sich geändert. Gewaltig geändert. Schrill ist sie geworden, und auch leer.
Das bedruckte Papier stirbt. Nicht schnell, aber mit großen Sprüngen. Ein schwerer Schlag gegen die gedruckten Medien kam… durch das Fernsehen. Das Fernsehen war überall, es kommt direkt ins Haus zu den Menschen. Es ist schnell und es kostet nahezu nichts. Bedrucktes Papier, das ist Druckerschwärze, aber Fernsehen ist bewegte Bilder und ist Ton. Ja, bewegte Bilder, Ton,.. Dinge des Kinos. Auch das Kinosterben geht auf das Konto des Fernsehens.
Kino wird nur von Wenigen gemacht: Filmstudios, irgendwo, und vor Ort in den Städten Kinos. Sonst ist niemand beteiligt – außer als Konsument. Aber eine Zeitung ist persönlicher. Im Ort gibt es mehr Menschen, die von und mit der Zeitung leben, die berichten, die Werbung machen, die über ihre Vereine und über das Leben in der Stadt berichten. Die Zeitung, das sind wir. Kino ist das nicht. Das Kinosterben ging an der Masse unpersönlich vorbei. Der Journalist, den kannte man, gewöhnte sich an ihn, sah ihn vieleicht, sprach mit ihm. Zeitung, das war das Leben in der Stadt.
“Zeitung, das sind wir.” Das ist vorbei.
Die Zeitungen sterben. Immer weniger Geld durch direkten Verkauf und noch weniger Geld durch Werbeeinnahmen. Wovon die Leute bezahlen? “Kein Geld, keine Journalisten” – eine einfache Rechnung.
Keine Journalisten, keine Inhalte. Womit dann die Zeitung füllen? Womit die Leser anlocken? Nun, vieles in der Zeitung ist gar nicht von “der Zeitung”. Es stammt von Nachrichtenagenturen, die landesweit arbeiten, die Texte und Bilder liefern, die von den vielen Journalisten in den vielen Redaktionen gelesen und wiedergegeben werden, umgeschrieben werden, oder ganz einfach mit cut+paste kopiert werden. Die Ware Information, sie stammt nicht aus der Zeitung. An Tausenden von Orten wurde die gleiche Information anders und einzeln verkauft. Das geht aber nur solange gut wie die einzelnen Leser nur eine oder eine handvoll Zeitungen lesen können.
In dem Moment, wo die Leser – inzwischen im Internet – alle diese Zeitungen parallel vor Augen haben, bricht das System Zeitung zusammen. Der Löwenanteil der Meldungen ist nicht vom Platz “vor Ort”, sondern national und international. Dieser große Anteil des nicht den Ort betreffenden Inhalts ist für die meisten Zeitungen gleich. Lediglich ein paar eigene Artikel hier und dort, aber in der Mehrzahl Kommentare, und keine eigenen Berichte.
“Zeitung, das sind wir.” Made in India.
Von der wirklich den Ort betreffenden, das “Wir”-Gefühl erzeugenden Atmosphäre der Zeitung bleibt nicht viel. Zu wenig Inhalt, zu wenig Einnahmen. Oft auch zu wenig Stoff. Wo nichts passiert, gibt es nichts zu berichten. Wo nur Belangloses geschieht – wer will das schon lesen? Die überregionalen Teile der Zeitung fangen diese Unzulänglichkeit auf, aber nur solange es sie gibt! Und eine Zeitung nur aus Sonntagsbeilage, Rätsel und Sport? Kauft auch keiner.
Sportmeldungen, die macht inzwischen der Computer. Lokale Meldungen werden in Indien getippt, zusammengeschustert aus im WWW zu findenden Puzzleteilen. Der Betrug an den Lesern ist aufgeflogen, aber aufgegeben wird er nicht. Solange es keinen Vermerk “hyperlokal = made in India” gibt, kann der Leser nichts davon erkennen.
Alles kracht zusammen. Rette sich, wer kann.
Weg vom langsamen und teuren bedruckten Papier – hin zur schnellen und billigen Internetversorgung. Die gedruckte Zeitung ist ein Komplettpaket, aus dem sich der Leser dieses oder jenes rauspickt. Wer liest schon eine ganze Zeitung, alle Meldungen von der ersten bis zur letzten Seite? Niemand. Aber bezahlen tut er sie. Im WWW aber nicht! Dort wird nur gelesen, was interessiert. Bezahlt wird (noch) nicht. Kostenlos muß es sein!
Kostenlos? Wenn kein Geld durch den Verkauf von Einzelartikeln kommt oder durch Abonnements, gibt es nur 2 Geldquellen: Reklame und Spenden. Das mit der bezahlten Reklame ist alt. Und Spenden? Daran wird noch gearbeitet. Der neueste Schrei: das “Crowdfunding”. Aber das, was wirklich zählt, das gibt es noch nicht: daß die Bewohner eines Ortes ihre eigene Zeitung freiwillig durch Spenden bezahlen. Bis so etwas geschieht, muß sich ein ausreichender Leidensdruck erst aufbauen.
Wir, das ist Zeitung.
Der Raubtierkapitalismus läßt sich Gelegenheiten zum Geldeinsacken nicht entgehen. Mit dem Wegziehen der Bürger aus dem realen Leben in virtuelle Internetwelten ergab sich eine neue Geldquelle: die Bürger schreiben lassen und deren Texte für Werbegeld vermarkten. Die Autoren kriegen natürlich nichts. Die schreiben von sich aus. Natürlich nicht jeder, aber wenn es ausreichend viele sind, kann man durch die Werbung Geld einfahren. Eine Maschine zum Gelddrucken. Soziale Netzwerke, das waren die Zielobjekte der Begierde. Sie wurden hochgefahren, sie wurden gekauft. Und sie implodieren. Aber noch floriert der Markt. Der Hang zum Ratschen und Tratschen, die Neugier, alles verlagert sich vom Gespräch auf die Straße, vom Treppenhaus — alles rein ins WWW. Niveau Null, aber in Milliardenzahl. Das bringt Geld.
Facebook, Twitter,… Zeitvernichtung, Geldabschöpfung, Ratlosigkeit.
Die Frage ist: Wie können Zeitungen überleben? Wie können Journalisten mit ihrer Arbeit Geld verdienen?
Fragen wir lieber: Was ist überhaupt noch Journalismus?
Wenn alle Menschen ins WWW ziehen, wenn sie kein Geld zahlen wollen, wie kann ein Journalist dann noch bezahlt werden? Wer überhaupt ist ein Journalist? Was muß er tun, damit er gelesen wird?
Früher mußte er seinen Chefs gefallen. Er wurde gedruckt und seine Artikel als Teile von Paketen verkauft. Heute zählt jeder einzelne Artikel. Geld kommt nur, wenn genug Surfer sie lesen und dafür von den Werbenden genug bezahlt wird.
Wer wird heute noch gelesen? Was wird gelesen? Wieviel wird gelesen?
Damit sind wir wieder beim Zirkus. Wer kommt in den Zirkus und sieht den Artisten zu? Wie aufreizend muß seine Darbietung sein? Was muß der Dompteur tun für den Nervenkitzel? Und wie dompteuriert der Journalist seine Leser, damit sie ihm folgen?
Einige wenige Journalisten sind sehr bekannt, haben viele “Follower” und Leser – und vielleicht auch bringen sie genug Anreiz für Werbung – und vielleicht auch bekommen sie sogar genug Geld zum Leben. Aber der Rest?
Der Zirkus ist leer und der Wind bläst durch das Zelt. Einsam schreibt ein Journalist seine Artikel. Doch keiner liest sie. Das WWW ist – genau besehen – eine riesige Geisterstadt. Hin und wieder zieht ein Touristenbus durch eine Straße vorbei – mit einer Horde johlenden Publikums und vornedrin die Animateure, sich gegenseitig überbietend, eine Mischung aus Guru und Feuerschlucker – Gaukler, Schwindler, Magier, Losverkäufer und Hellseher.
Panem et circensis.
Und die Löwen werden Euch fressen. Die sind echt.