Skeptische Ecke
Einführung
Literatur
Wörterbuch
Links
Kommentare
Pressespiegel

International

Portugues

Français

Japanese

Slovakisch

Español (parece abajo)

Skeptic's Dictionary
 

Besucher seit dem 27.04.2001

Alternative Medizin

Medizinische oder Heil-Verfahren werden "alternativ" genannt, wenn sie auf ungeprüften, unorthodoxen oder unwissenschaftlichen Prinzipien, Methoden, Behandlungen oder Erfahrungen beruhen. "Alternative" Medizin beruht oft auf metaphysischen Überzeugungen und ist häufig antiwissenschaftlich. Da wirklich "alternative" medizinische Verfahren nachweislich gleich wirksam sein müssten (etwa verschiedene schulmedizinische Ansätze ähnlicher Wirksamkeit), stellen die meisten "alternativen" Verfahren nicht wirklich eine Alternative dar. Wird die "alternative" Medizin parallel zur Schulmedizin eingesetzt, spricht man von "Komplementärmedizin".

Man schätzt, dass "alternative" Medizin jedes Jahr ein Volumen von 15 Milliarden Dollar hat. Üblicherweise übernehmen die Kassen nicht die Kosten für "alternative" Medizin, aber die American Western Life Insurance (Versicherungsgesellschaft, AdÜ) ist typisch für einen wachsenden Trend. Sie bietet ein Netzwerk von etwa 300 Anbietern in fünf US-Bundesstaaten an, die sich unter anderem auf Akupunktur, Aromatherapie, Biofeedback, Chiropraktik, Kräutermedizin, Massage, Naturopathie, Reflexologie und Yoga spezialisiert haben. Daneben hat die Mutual of Omaha Insurance Co. ihren Versicherungsnehmern die Kosten für eine nicht-operative "alternative" Behandlung für Herzkrankheiten erstattet. Dr Dean Ornish, Internist und Direktor des Preventive Medicine Research Institute (Institut zur Erforschung von Präventionsmedizin, AdÜ) in Sausalito, hat diese Therapie entwickelt, die auch vegetarische Ernährung, Meditation und Sport umfasst. Die Versicherungsgesellschaft wies rasch darauf hin, dass sie nicht beabsichtige, allen Formen von "alternativen" Therapien Tür und Tor zu öffnen und ihre Kosten zu erstatten. Man halte Dr Ornishs Behandlung jedoch für nachweislich wirksam.

Die Abteilung für Alternative Medizin des National Institute of Health (US-Gesundheitsamt, AdÜ) hat eine Reihe von Forschungsprojekten über unorthodoxe Heilmethoden gefördert, so etwa die Verwendung von Haiknorpeln gegen Krebs und von Bienenpollen gegen Allergien. Die verbreitetsten "alternativen" Therapien sind Entspannungstechniken, Chiropraktik, Kräutermedizin und Massage. "Alternative" Heilkundler führen sehr wenige wissenschaftliche Studien durch; tatsächlich lehnen viele Wissenschaft ab und bevorzugen Metaphysik, Glauben und magisches Denken.

Warum ist "alternative" Medizin so beliebt?

Das New England Journal of Medicine berichtete über eine Studie im Januar 1993, die aufzeigte, dass etwa ein Drittel aller erwachsenen Amerikaner sich irgend einer Form von unorthodoxer Behandlung im vorangehenden Jahr unterzogen hatten. Warum ist "alternative" Medizin (AM) so verbreitet? Es gibt mehrere Gründe hierfür.

    Medikamente und Operationen werden bei AM nicht eingesetzt. Die Angst vor dem OP-Saal und den Nebenwirkungen von Medikamenten führen viele Menschen weg von der Schulmedizin. AM ist attraktiv, da diese furchterregenden Behandlungsmethoden in ihr keine Rolle spielen. Darüber hinaus kann die Schulmedizin zu Komplikationen und Schäden führen; AM-Behandlungen sind meistens von sich aus weniger riskant, und es ist weniger wahrscheinlich, dass sie schädliche Folgen haben.

    Selektives Denken und positive Voreingenommenheit kann einen Menschen leicht dazu bringen, sich auf Fälle zu konzentrieren, in denen Chirurgen das falsche Bein amputierten oder den falschen Teil des Gehirns entfernten, wenn sie den Patienten nicht gleich durch zu viel Betäubungsmittel oder Strahlung töteten. Häufig werden die Millionen von Patienten nicht zur Kenntnis genommen, die quicklebendig sind und dies einer Operation oder Medikamenten verdanken. Stattdessen legt man besonderes Augenmerk auf Patienten, die nach einer "Routineoperation" sterben, aufgrund einer allergischen Reaktion auf ein Medikament permanent behindert bleiben oder die von einer psychotischen Krankenschwester in ihrer Rolle als selbsternannter "Engel des Todes" ermordet werden.

    Angst und Skepsis bezüglich Medikamenten, Krankenhäusern und Operationen sind nicht grundlos. Menschen erleiden Schaden durch Kurpfuscherei oder durch die tragischen, aber unvermeidlichen Auswirkungen von unvorhergesehenen Reaktionen auf Medikamente oder Operationen. Da rechtliche Dinge oft eine Rolle spielen, sind Ärzte und Kliniken oft nicht sehr gesprächig, wenn es um Details von Todesfällen geht, für die sie verantwortlich sein könnten. Das Vertrauen in die Medizin nimmt mit jedem Fall von "Kunstfehler" ab.

    Sind solche "Kunstfehler" selten? Meines Wissens gibt es keine landesweite diesbezügliche Studie. Eine New Yorker Studie wurde 1991 durchgeführt (die Harvard Medical Practice Study), die ermittelte, dass etwa vier Prozent der Patienten in einem Krankenhaus zu Schaden kam und von diesen 14 Prozent starben, vermutlich an klinikbedingten Verletzungen. Der Bostoner Arzt Lucian L. Leape schloss von diesem Material auf eine Zahl von 180.000 Amerikanern, die jedes Jahr an medizinischen Verletzungen sterben, die sie sich durch die Hände von Ärzten und Kliniken zuziehen. Er dramatisierte dies und sprach von dem Äquivalent von drei Jumbo-Jet-Abstürzen in zwei Tagen. ("Die Wahrheit über menschliches Versagen in Kliniken" von Abigail Trafford, Herausgeberin der Sektion "Gesundheit" in der Washington Post, abgedruckt in der Sacramento Bee vom 21.3.1995, S. B7).

    Im Gegensatz dazu sind die Risiken, durch einen "Alternativmediziner" wie etwa einen Homöopathen Schaden zu erleiden, praktisch inexistent verglichen mit den Risiken, die ein Arzt eingeht, der starke Medikamente verabreicht und nicht ungefährliche Operationen durchführt. Das rührt daher, dass ein Homöopath in keiner Weise wirklich eingreift und die von ihm verabreichten Dosierungen höchstwahrscheinlich überhaupt keine Wirkung zeigen. Daher wird ein Homöopath nur selten einen tödlichen Fehler bei einem Patienten machen. "Alternative" Behandlungen sind grundsätzlich nicht-intervenierend und tragen ein passives Risiko, kein aktives: Der Schaden, den Patienten erleiden, tritt nicht durch die Behandlung des Alternativmediziners ein, sondern durch die Nichtbehandlung (etwa Medikamente oder Eingriffe), die möglicherweise ihre Krankheit lindern und ihr Leben verlängern könnte.

    Obgleich es stimmt, dass die Schulmedizin nicht ohne Risiken ist - auch tödliche Risiken - ist es doch unvernünftig, sie deswegen komplett abzulehnen. Wer vernünftig ist, kann nicht einfach über die vielen Diabetiker hinwegsehen, die dank ihrer Medikamente ein aktives und erfülltes Leben führen, oder über die vielen Millionen, die ihr Leben der Impfung gegen chronische oder tödliche Seuchen verdanken. Man kann die zahllosen Menschen nicht einfach ausblenden, die nach einer Operation wieder schmerzfrei sind oder die nur aufgrund einer erfolgreichen medizinischen Behandlung mit Medikamenten und Operationen überhaupt noch am Leben sind.

    Eine sinnvolle Antwort auf die sehr realen Risiken einer Behandlung durch die Schulmedizin ist es, mehr Verantwortung für die eigene Behandlung zu übernehmen. Ein vernünftiger Patient sollte kein blindes Vertrauen in seinen Arzt setzen, ganz gleich, wie Halbgott-gleich in Weiß dieser erscheint oder sich selber darstellt (eine sehr gute Freundin von mir, die dank Medikamenten und Operationen 80 wurde, amüsierte sich damit, ihren Ärzten zu versichern, sie wisse um die wahre Bedeutung von M.D. - medical divinity [medizinische Göttlichkeit, AdÜ]). Wir müssen uns besser über die Mittel informieren, die uns verschrieben werden. Wir müssen mehr Anteil an unserer Behandlung nehmen, sprich viele Fragen stellen und nichts einfach so hinnehmen. Wir sollten nicht automatisch davon ausgehen, dass die Pille, die uns der freundliche Krankenpfleger aushändigt, auch diejenige ist, die die Ärztin uns verschrieben hat (Fragen Sie einfach: "Wofür ist diese Tablette?" Bringen Sie in Erfahrung, ob Sie sie wirklich nehmen sollen oder nicht). Wir benötigen auch weitere Diagnosen, was nicht heißt, so lange von einem Arzt zum nächsten zu wandern, bis man hört, was man hören will. Machen Sie sich schlau; lesen Sie über Ihre Krankheit und die vorgeschlagenen Behandlungsmethoden. Ein Restrisiko besteht immer, wenn man sich auf fehlbare und unvollkommene Geschöpfe wie Menschen verlassen muss. Dieses Risiko können wird jedoch senken, wenn wir mehr Verantwortung für unsere Gesundheit übernehmen und weniger passiv sind. Vertrauen in Ärzte und Kliniken ist notwendig, aber es muss kein blindes Vertrauen sein. Vielleicht müssen Sie sich einem Eingriff unterziehen, sagen wir einer Beinamputation oder einer Arterienerweiterung, aber es kann nicht schaden, sicherzugehen, dass der Chirurg nicht glaubt, er sei hier, um Ihre Gallenblase zu entfernen. Der kleine Junge, dem ein Bein amputiert werden sollte und der auf sein gesundes Bein in großen Buchstaben "NICHT DIESES BEIN" schrieb, hat beim Klinikpersonal wahrscheinlich für ein Schmunzeln gesorgt. Der Humor des Jungen ist bewunderungswürdig, aber für einen skeptischen Menschen noch mehr sein Mangel an blindem Vertrauen.

    Der Schulmedizin gelingt es oft nicht, die Ursache einer Krankheit herauszufinden oder Schmerzen zu lindern. Das trifft auch auf AM zu, aber orthodoxe Mediziner geben nicht so oft Anlass zur Hoffnung, wenn die Situation hoffnungslos ist; "alternative" Mediziner geben sich da optimistischer.

    Gelingt es der Schulmedizin, die Ursache einer Krankheit herauszufinden, dann bietet sie häufig keine Behandlungsmethode, die garantiert wirksam ist. AM hingegen gibt Anlass zur Hoffnung, wo die orthodoxe ärztliche Kunst keine sichere und ungefährliche Heilung bietet. Pat Davis, Nachrichtensprecherin einer lokalen TV-Station, lehnt Chemotherapie für ihren Brustkrebs zugunsten der sogenannten Gerson-Therapie ab. Davis unterwirft sich einem rigorosen 13-Stunden pro-Tag-Programm, bestehend aus spezieller Ernährung, Sport und vier Kaffee-Zäpfchen pro Tag, ein Programm, das von einem gewissen Dr Max Gerson entwickelt wurde. Die Mutter von Ms Davis erkrankte zwei Mal an Brustkrebs und unterzog sich sowohl einer Chemotherapie als auch einer Brustamputation. Ihre Tochter ist sich der Gefahren von Chemotherapie und Brustoperation bewusst, und sie akzeptiert nicht, dass sie keine Alternative hat. Die Gerson-Therapie gibt ihr Hoffnung, vom Blickwinkel der wissenschaftlichen Medizin aus falsche Hoffnung.

    AM macht großzügigen Gebrauch von "natürlichen" Heilmitteln. Viele Menschen glauben, natürlich sei automatisch auch besser und sicherer als künstlich (wie etwa Medikamente). Die simple Tatsache, dass etwas in der Natur vorkommt, macht es nicht gut, sicher oder gesund. Es gibt zahllose natürliche Substanzen, die gefährlich und schädlich sind, und noch mehr, die wirkungslos und/oder praktisch oder komplett wertlos für die Gesundheit sind.

    AM ist oft billiger als orthodoxe Behandlungsmethoden. Dieser Umstand hat "alternative" Methoden für Krankenkassen und Versicherungsgesellschaften attraktiv gemacht. Beide Gruppen von Organisationen, dass AM billiger und daher profitabler sein kann.  Wären "alternative" Therapien echte Alternativen, würde es keinen Sinn machen, für eine Behandlung derselben Qualität mehr zu bezahlen; die meisten sogenannten "alternativen" Methoden sind jedoch keine wirklichen Alternativen, da sie nicht gleichermaßen wirksam sind. Die Tatsache, dass sie billiger sind, hat daher wenig Bedeutung.

    AM ist häufig staatlich anerkannt und wird von der Regierung genehmigt und reguliert oder sogar vor Angriffen seitens der orthodoxen Medizin geschützt. So haben beispielsweise Chiropraktiker 1987 einen großen Prozess gegen die American Medical Association (AMA, US-Ärztevereinigung, AdÜ) gewonnen, in dem es um die freie Ausübung des Berufes ging. Ein Bundesrichter untersagte der AMA, die "Ausübung der Chiropraktik zu behindern". Staatliche Genehmigungen, Regelungen und Schutzmaßnahmen scheinen die AM zu legitimieren; ihr eigentliches Ziel ist jedoch der Schutz der Patienten vor Betrügern und Quacksalbern.


    Viele Schulmediziner kümmern sich vor allem um die Erkrankung und weniger um den kranken Menschen. "Alternative" Heilpraktiker sind häufig ganzheitlich und behaupten, sowohl Körper als auch Geist und Seele des Patienten zu behandeln. Viele Leute fühlen sich von den spirituellen und metaphysischen Verbindungen angezogen, die von AM-Vertretern gezogen werden. Eine große Zahl von AM-Patienten gibt an, ihre "Heiler" kümmerten sich wirklich um sie und behandelten als Menschen, während orthodoxe Mediziner oft einen Mangel an "Umgangsformen" an den Tag zu legen scheinen. Nun arbeiten gewöhnliche Ärzte häufig in Großkliniken oder für Gesundheitsämter und haben Hunderte oder Tausende von Patienten in ihrem Bereich. "Alternativmediziner" hingegen arbeiten häufig von zu Hause oder in kleinen Praxen oder Kliniken und haben deutlich weniger Patienten. Noch wichtiger ist, dass Menschen, die einen Arzt aufsuchen, sich gewöhnlich nicht um dessen persönliche religiöse, metaphysische oder geistige Überzeugungen scheren; diejenigen, die einen AM-Praktiker aufsuchen, fühlen sich oft zu seiner Persönlichkeit und der Weltsicht hingezogen. So wird etwa ein Diabetiker, der einen Endokrinologen aufsucht, kaum Interesse an dessen Glauben an ch'i oder ähnliche spirituelle oder übernatürliche Ideen haben, und es ist vollkommen bedeutungslos, ob der Arzt an Gott oder eine unsterbliche Seele glaubt. Entscheidend sind die Kompetenz und die Erfahrung des Arztes bei der Behandlung der Krankheit; sollte er darüber hinaus noch nett und freundlich sein, um so besser. Ein unfreundlicher und gleichgültiger AM-Therapeut dürfte sich kaum über Arbeitsstress beklagen - bei einer unfreundlichen und gleichgültigen gewöhnlichen Ärztin hingegen würden Patienten vermutlich Schlange stehen, solange sie eine hervorragende Ärztin ist.

    Viele Leute verstehen offenbar nicht, dass die Schulmedizin ähnlich unvollkommen ist wie alle anderen Arten der menschlichen Erkenntnis: Sie ist fehlbar. Sie ist außerdem korrigierbar. Denksysteme, die in ihrem Kern metaphysischer Natur sind, sind nicht überprüfbar und können daher niemals als falsch erwiesen werden. Daher werden sie, einmal etabliert, als Dogma vertreten und verändern sich niemals. Die einzige Methode, ein Dogma zu verändern, ist es, ein Ketzer zu werden und ein eigenes, ein Gegen-Dogma, aufzustellen. Irrt sich die Schulmedizin, kann der Irrtum korrigiert werden, und Behandlungen sowie Methoden, die wirkungslos oder schädlich sind, verschwinden schließlich von der Bildfläche.

    "Alternativen" Methoden und Behandlungen liegen oft religiöse Überzeugungen und der Glaube an übernatürliche Dinge wie etwa ch'i zugrunde, und ihre Vertreter machen freien Gebrauch von Ad-Hoc-Hypothesen , um Unwirksamkeit oder Scheitern wegzuerklären. In der wissenschaftlichen Medizin gibt es Meinungsverschiedenheiten, Kontroversen, Irrtümer und Auseinandersetzungen sowie Tests, Tests und noch einmal Tests. Entscheidungen werden von fehlbaren Menschen gefällt, die das unvollkommene Handwerk der wissenschaftlichen Medizin betreiben. Einige dieser Entscheidungen werden Fehlentscheidungen sein, aber mit der Zeit wird man sie als solche erkennen, und vormalige Standard-Behandlungsmethoden werden abgeschafft und durch andere Methoden ersetzt. Medizin verändert sich, schreitet fort, wächst nach und nach; Homoöpathie, Iridologie, Reflexologie, Aromatherapie etc. ändern sich in der Jahre höchstens auf kosmetische Weise. Ihre Vertreter diskutieren nicht miteinander (wie in der orthodoxen Medizin üblich), sondern bestärken sich gewöhnlich gegenseitig.

    "Alternative" Therapien sprechen das magische Denken an. Vorstellungen ohne wissenschaftlichen Wert wie etwa Sympathische Magie sind bei "alternativen" Praktikern und ihrer Klientel verbreitet. Die Schulmedizin wird von manch einem abgelehnt nur deswegen, weil sie nicht magischer Natur ist. Obwohl orthodoxe Medizin manchmal scheinbar Wunder vollbringt, sind diese Wunder doch das Ergebnis von Wissenschaft, nicht Glauben.

    Der Hauptgrund, warum viele Menschen "alternative" Methoden bevorzugen, liegt jedoch in ihrer Überzeugung, dass diese "funktionieren" - will sagen, sie fühlen sich nach der Behandlung besser, gesünder, lebensfroher etc. Die Vertreter dieser Überzeugung meinen jedoch meist nicht mehr als das Vorhandensein von zufriedenen Kunden. Viele AM-Praktiker benötigen keine weiteren Beweise für die Wirksamkeit ihrer Methoden als die Zufriedenheit ihrer Patienten. Häufig hätte sich die Situation jedoch auch gebessert, wenn der Patient gar nichts unternommen hätte; aber da die Verbesserung zeitlich nach der Behandlung eintrat, glaubt er, sie sei auf die Behandlung zurückzuführen (der sogenannte Post-Hoc-Fehler und der irrtümliche Rückschluss). In vielen Fällen besteht die ganze Wirkung der erfolgreichen Behandlung aus dem Placebo-Effekt. In anderen Fällen hat die vorangehende schulmedizinische Behandlung mehr Schaden als Nutzen verursacht, und die Verbesserung, die der Patient erfährt, liegt am Abbruch dieser Behandlung und nicht am Beginn der "alternativen" Behandlung. Ein Grund dafür, warum Geistheiler in der Zeit vor Ankunft der modernen Medizin möglicherweise mehr Erfolg hatten als ihre "weltlichen" Kollegen, ist darauf zurückzuführen, dass Ärzte zu jenen Zeiten ihren Patienten oft schadeten, so etwa durch Infektion einer behandelten Wunde. Geistheiler, die die Wunde nicht anrührten, verursachten logischerweise auch keine Infektion, und der Patient gesundete dank der Selbstheilungskräfte des Körpers.

    Oft wurde die Heilung durch die Schulmedizin erreicht, die parallel zur "alternativen" Medizin fortgesetzt wurde, aber dieser zugeschrieben wurde. Des weiteren sind viele Heilungen nicht wirklich Heilungen im objektiven Sinne. Es könnte sich um Fehldiagnosen gehandelt haben, so dass keine Heilung stattfinden konnte. Wenn ein Patient berichtet, er fühle sich "besser", wird dies von der AM als Beleg für die Wirksamkeit der Behandlung akzeptiert; psychologische Effekte einer Therapie sind jedoch nicht dasselbe wie objektive Verbesserungen. Man kann sich viel schlechter fühlen als vorher und trotzdem auf dem Weg der Besserung sein; umgekehrt ist es durchaus möglich, dass es einem subjektiv besser geht, aber tatsächlich eine Verschlechterung einsetzt.

    Zu guter Letzt gestehen viele Anhänger von AM niemals ein Scheitern ein. Nach dem Tod des Komikers Pat Paulsen während einer "alternativen" Krebstherapie in Tijuana, Mexiko, akzeptierte seine Tochter nicht die Wertlosigkeit der Therapie. Sie glaubte vielmehr, ihr Vater sei nur deswegen gestorben, weil er nicht früher mit der "alternativen" Therapie begonnen habe. Blinder Glaube wie dieser ist häufig bei Menschen, die verzweifelt und verletzlich sind - häufige Eigenschaften von jenen, die sich "alternativen" Therapien unterziehen.

    Leserkommentare

 

Literaturtips

The Scientific Review of Alternative Medicine

Barrett, Stephen and William T. Jarvis. eds. The Health Robbers: A Close Look at Quackery in America, (Amherst, N.Y.: Prometheus Books, 1993). $18.87

Gardner, Martin. Fads and Fallacies in the Name of Science(New York: Dover Publications, Inc., 1957), ch. 16. $6.36

Gardner, Martin. "Water With Memory? The Dilution Affair," in The Hundredth Monkey, ed. Kendrick Frazier (Buffalo, N.Y.: Prometheus Books, 1991), pp. 364-371. $18.36

Randi, James. The Faith Healers (Amherst, N.Y.: Prometheus Books). $15.96

Raso, Jack. "Alternative" Healthcare: A Comprehensive Guide (Amherst, NY: Prometheus Books, 1994).$19.57

Raso, Jack. "Mystical Medical Alternativism," Skeptical Inquirer, Sept/Oct 1995.

Goldner, Colin: Psycho. Therapien zwischen Seriosität und Scharlatanerie. Pattloch, Augsburg 1997.

Platta, Holdger: New-Age Therapien pro und contra. Quadriga Verlag Weinheim, Berlin 1994.

 

[Skeptische Ecke] [Einführung] [Literatur] [Wörterbuch] [Links] [Kommentare] [Pressespiegel]