Datum: 14.04.2000 21:33:10 Autor: Udo Teichmann ©
Liebe CDU-Redaktion!


Gedankenfreiheit und "Mein Kampf"
   
Liebe Mitdiskutanten,

ich halte das Verbot "politischer Meinungsäußerungen" grundsätzlich und ausnahmslos für illegitim. Wenn Gesetze bestimmte Meinungsäußerungen bzw. den Zugang zu bestimmten politischen Informationen verbieten, vertragen sich diese Gesetze nicht mit der heutigen demokratischen Lebensform und sind abzuschaffen.

Politische Meinungsäußerungen, politische Bücher, dürfen nur im Wettstreit der Argumente innerhalb eines freien demokratischen Diskurses bekämpft werden. Die einzige für einen Demokraten akzeptable Waffe gegen Gedanken sind Gedanken. Das staatsautoritäre "Verbot" von Gedanken verstößt gegen die Grundlagen demokratischer Verfaßtheit und sofern Gesetze tatsächlich Gedanken, Meinungsäußerungen, Bücher "verbieten" - handelt es sich um anachronistische Überbleibsel aus der autoritären Staatstradition.

Eine demokratische Gesellschaft muß sich früher oder später von solchen einer Demokratie unwürdigen Anachronismen befreien. Eine kluge demokratische Gesellschaft räumt solche Anachronismen natürlich lieber früher als später aus dem Weg, weil sich erfahrungsgemäß kaum jemand an solche - als illegitim empfundenen - Gesetze moralisch gebunden fühlt und es daher meist zu massenhaften Mißachtungen solcher Gesetze kommt, was schädlich für den Rechtsstaat ist.

Was nun "Mein Kampf" anbelangt, so herrschen meist wirre Vorstellungen. Der Inhalt dieses Buches ist nirgends "verboten" - insbesondere irrt sich Herr Reidel, wenn er meint, der Bundestag hätte irgendwann einmal ein Gesetz erlassen, in dem Hitlers "Mein Kampf" verboten wird..

Im Original oder negativ kommentiert darf das Buch nach Ansicht der Rechtssprechung straffrei verkauft werden. Strafbar ist nach dieser Meinung nur das Hakenkreuz auf der Titelseite (§ 86 a StGB - Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) und unkritische Neuauflagen, diese aber nur, weil damit ein Urheberrechtsverstoß begangen wird: Das "Urheberrecht" an "Mein Kampf" ist zum Teil an den Bayerischen Staat gefallen. Und der erlaubt keinen (unkritischen) Neudruck.

Eine Mindermeinung wertet "Mein Kampf" als "Propagandamittel, das nach seinem Inhalt dazu bestimmt ist, Bestrebungen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation fortzusetzen". Die Verbreitung solcher Propagandamittel ist nach § 86 StGB strafbar.
Nach § 86 Absatz 3 ist die Verbreitung solcher "Propagandamittel" allerdings nicht strafbar, wenn das Propagandamittel "der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst und der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient."

Zitate aus dem Buch "Mein Kampf" zur politischen Auseinandersetzung sind daher zulässig, so wie man jedes andere Buch zitatweise besprechen und kritisieren kann.
Wer sich dagegen den Inhalt des Buches mit Zitaten zu eigen macht, macht sich u.U. wegen Vorlksverhetzung oder ähnlichen Straftaten strafbar, wenn die zitierte Stelle den jeweiligen Tatbestand erfüllen sollte.

Mit freundlichen Grüßen
Udo Teichmann