Datum: 18.07.2001 02:04:47 Autor: SOZI ©
Nanu, wo ist denn der Thread über Glaubensfragen geblieben?


Claus II

Meyerbeer statt Wagner. Welch ein Irrtum, welch ein Frevel! Sind es nicht die Juden Meyerbeer, Mendelssohn und Bruch gewesen, die zwar auch komponiert , aber viel von Beethoven, Wagner und Mozart "abgeschrieben", abgekupfert haben ?
Und Ihr Verständnis über den geheimnisvollen Begriff Mythos? Er hätte nur einen Sinn, wenn er selbstverständlich ist? Meinen Sie vielleicht noch gegenständlich und mit dem Verstand erfaßbar?

Luther selbst schätzte die Musik nach der Theologie als höchste Form des Gotteslobes; da die lutheranischen Kirche nach der Reformation begreiflicherweise noch nicht über eigene Musik verfügte, nahm sich katholische Muster, allen voran die Musik des großen Josquin des Prez, den Luther vor allen anderen Sänger-Komponisten schätzte. Der erste eigentliche protestantische Komponist war Johann Walter, ein Freund Luthers.
Calvin hingegen verbannte mehrstimmige Musik gänzlich aus dem Gottesdienst; und man kann der Inquisition ja viel vorwerfen, Bilderstürmerei gehört nun gerade nicht dazu; die haben die Calvinisten besorgt, und zwar gründlich.
Natürlich ist Bach in erster Linie ein protestantischer Komponist; seine über 200 Kantaten (fast vier komplette Kirchenjahre), seine Orgelwerke und Passion waren liturgische Gebrauchsmusik im lutherischen Gottesdienst; der tolerante Geist der Aufklärung macht sich aber, wie gesagt, darin bemerkbar, dass Bach die h-Moll-Messe für den Dresdener Hof komponierte.

Meine Ablehnung Wagners hat nichts mit dessen Vereinnahmung durch die Nazis zu tun; die war zwar nicht zufällig, ist aber für die Beurteilung des Werkes belanglos. Wagner war entgegen Ihrer Meinung doch ein übler Antisemit; 1850 veröffentlichte er unter dem Pseudonym K. Freigedank den Aufsatz "Über das Judentum in der Musik" (1), in dem genau die Clichés lanciert werden, denen Sie offenbar auch aufsitzen: Juden könnten nicht originär schöpferisch sein, sondern nur von der kulturellen Substanz anderer Völker zehren; sie neigten zum zersetzenden Intellektualismus (die widerliche Metapher vom "Parasiten" ist greifbar nahe) usw. Am Schluss dieses hässlichen Pamphlets droht Wagner den "Untergang" an; Hitler sollte sein gelehriger Schüler werden. Das ist Teil der Wirkungsgeschichte; das musikalische Werk aber muss aus sich selbst heraus beurteilt werden.
Denn nicht Meyerbeer oder Mendelssohn sondern Wagner selbst ist jener große Dieb am Werke anderer: seine erste große Oper, "Rienzi", ist nichts als ein blasser Aufguss der Meyerbeerschen "Hugenotten"; für seine angeblich neue Musiksprache in den Werken seit "Lohengrin" hat er sich ausgiebig bei Liszt bedient. In seinen Dramen will er nicht wirkliche Menschen (wie Meyerbeer) auf die Bühne bringen, sondern bedeutungsschwangere in schlecht gereimten Alliterationen vor sich hin raunende Schemen von Göttern, Dämonen und Heroen, die irgendwelche Prinzipien symbolisieren sollen.
Sie schreiben:

"Und im Rheingold geißelt er das Böse, das Hinterhältige, das Gierige, Geizige und läßt Alberich keine Chance, den Nibelungen-Schatz bzw. das Rheingold zu behalten."

Das tut er, aber Alberich ist eben kein Mensch mit Emotionen und widersprüchlichen Reaktionen, sondern das Prinzip des Bösen (wobei an den Regieanweisungen unschwer zu erkennen ist, dass Wagner mit Alberich eben jenen Juden charakterisieren wollte, denen er in seinen ein paar Jahre vorher publizierten Aufsatz so übel mitgespielt hat). Die Absicht ist klar: Hier sollte ein germanischer Mythos, geschaffen werden, der sich um Begründungen nicht schert, sondern durch die Gewalt der Musik in den Bann zu ziehen versucht. Dieser Mythos ist völkisch, nicht religiös (deshalb Wagners Ablehnung der katholischen Kirche, mit der protestantischen hat er im Kaiserreich weniger Probleme gehabt) und ist deshalb eine monströse Missgeburt, weil Mythen quasi "naturwüchsig" sind, nicht gemacht oder geschaffen werden können. Mythen werden nicht geglaubt, schon gar nicht kann man sich von ihnen überzeugen lassen, sondern sie gehören so selbstverständlich zum Leben wie der Aufgang der Sonne. Künstliche Mythen hingegen sind der Quell von Terrorismus und Unterdrückung.

1) Falls Sie mir nicht glauben, hier die genaue Quellenangabe: K. Freigedank, Das Judenthum in der Musik, in: Neue Zeitschrift für Musik, Bd. 33 (1850), S. 101-107; 109-112.

SOZI