SEKTEN - Risiken und Nebenwirkungen


10.09.2002
01.05.2001

Diese Seite darf ich mit Genehmigung der Autorin, Frau Rühle, hier spiegeln.

Das Werk wurde vom Berliner Senat überarbeitet, Inhalt und Datenformat geändert. Die URLs der einzelnen originalen Textseiten waren
http://www.sensjs.berlin.de/familie/sekten/Checkliste/sektenstart.htm
und fortfolgende HTML-Seiten.

Das Original ist nunmehr als PDF-File auf dem Server des Berliner Senats als:


Außer diesem Mirror gibt es noch weitere. Einer davon: http://www.sewolf.com/infolink/docs/com/selbsthilfe-info.htm

Zu Zeugen Jehovas finden Sie Material bei: http://www.manfred-gebhard.de/index.htm

Weitere Links finden Sie in der Homepage der Deutschen Amalgam-Page: http://www.ariplex.com/ama/ama_p0.htm

Achtung: Der Text in diesem Mirror ist jener der alten Version. Am 10.9.2002 habe ich in diesem Mirror auf Bitte eines reumütigen Betroffenen seinen Namen entfernt. Der Name ist auch im Original nicht mehr enthalten.
Aribert Deckers.



Dieses Werk wurde herausgegeben von der
Berliner Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport
Beuthstraße 6 - 8
10117 Berlin

Die meisten hier angegeben Anlaufstellen befinden sich in Berlin. Falls Sie Fragen haben, so wenden Sie sich bitte an die nächstgelegene Anlaufstelle, die in diesem Werk angegeben ist. Auch wenn diese nicht zuständig sein sollte, man wird Ihnen dort gerne helfen und Ihnen weitere Adressen geben.

Falls Sie Fragen haben: Zögern Sie nicht! Andere Menschen haben wahrscheinlich genau die gleichen Probleme und die gleichen Fragen wie Sie.

Packen Sie es an! Probleme sind dazu da, gelöst zu werden!

Aribert Deckers
1.5.2001


??? "SEKTEN" ???
Risiken und Nebenwirkungen

Informationen zu ausgewählten
neuen religiösen und weltanschaulichen Bewegungen
und Psychoangeboten


Inhaltsverzeichnis:
1. Problembeschreibung
1.1. "Sekten"- und Psychomarkt
1.2. Versuch einer begrifflichen Verständigung
2. Rechtliche Aspekte staatlichen Handelns
2.1. Äußerungsrecht und -pflicht des Staates
2.2. Artikel 5 GG - Meinungsfreiheit
2.3. Warnung durch den Staat
2.4. Selbstdefinition
2.5. Staatliche Zuwendung an Selbsthilfegruppen?
3. Gesellschaftliche Situation
3.1. Globalisierung
3.2. Individualisierung und Pluralisierung
3.3. Der Weg ist das Ziel - Leben als ständiger Übergang
4. Der Markt
4.1. Die Nachfrage
4.2. Das Angebot
5. Kriterien zur Bewertung von Anbietern und Angeboten
5.1. Meinungsbildung
5.2. Merkmale und Strukturen potentiell konfliktträchtiger Angebote
5.3. Psychische Abhängigkeit
5.4. Gewichtung des Einzelfalls
6. Zum Umgang mit dem vorliegenden Bericht
7. Ausgewälhte Anbieter
7.1. Gruppen mit christlichem Hintergrund
7.1.1. Fiat Lux (Uriella)
7.1.2. Gemeinde auf dem Weg Evangelische Freikirche e. V.
7.1.3. Gemeinde Jesu Christi e. V. (Boston Church)
7.1.4. Universelles Leben (Heimholungswerk Jesu Christi)
7.1.5. Vereinigungskirche e. V. (Mun-Bewegung)
7.2. Gruppen mit heidnischem Hintergrund
7.2.1. Germanische Glaubensgemeinschaft e. V.
7.2.2. Heidnische Gemeinschaft e. V.
7.3. Gruppen mit hinduistischem Hintergrund
7.3.1. International Society of Krishna Consciousness (ISKCON)
7.3.2. Osho-Bewegung (Bhagwan)
7.3.3. Ruhani Satsang (Thakar Singh)
7.3.4. Transzendentale Meditation (Maharishi Yogi)
7.4. Anbieter von Lebenshilfe
kommerziell:
7.4.1. Kontext Seminar GmbH
7.4.2. Landmark Education
7.4.3. Art Reade
7.4.4. Scientology
7.4.5. The Natale Institute (TNI)
nicht kommerziell:
7.4.6. Verein zur Förderung der psychologischen Menschenkenntnis (VPM)
7.4.7. Bruno-Gröning-Freundeskreise
7.5. Okkultismus/Satanismus
7.6. Sogenannte Strukturvertriebe
8. Erfahrungsberichte Betroffener
9. Prävention
9.1. Informations- und Dokumentationsstelle in der Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport
9.2. Prävention bei Jugendlichen
9.3. Checkliste für unbekannte Gruppen
9.4. Orientierungshilfe am Psychomarkt
9.5. Besinnungsanregung
9.6. Empfehlungen für Angehörige
10. Anhang
10.1. Informations- und Beratungsstellen zu sogenannten "Sekten und Psychogruppen"
10.1.1. staatlich
10.2. Psychosoziale Beratungsstellen/Krisendienste/Rechtsberatung
10.2.1. Ehe- und Familienberatungsstellen
10.2.2. Sozial-Psychiatrische Dienste
10.2.3. Krisendienste
10.2.4. Rechtsberatungsstellen
10.2.5. Verbraucherberatung
10.3. Weiterführende Literatur
10.3.1. Gruppenübergreifende Literatur
10.3.2. Einzelne Gruppen
10.3.3. Okkultismus
10.3.4. Strukturvertriebe
10.3.5. Weltanschauung und Therapie
10.3.6. Rechtliche Aspekte


Herausgegeben von der Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport
Redaktion: Anne Rühle
Ina Kunst
Stand: Dezember 1997

Link zu einem themenverwandten Angebot:


Diese Schrift darf nicht zur Werbung für Parteien genutzt werden.


[Homepage der Berliner Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport]

[eMail an die Sektenbeauftragte der SenSchulJugSport, Anne Rühle]
anne-kathrein.ruehle@sensjs.verwalt-berlin.de


Kein Ziel ist so hoch,
daß es unwürdige Methoden rechtfertigt.
Albert Einstein


1. Problembeschreibung
1.1. "Sekten"- und Psychomarkt
1.2. Versuch einer begrifflichen Verständigung


1.1. "Sekten"- und Psychomarkt


Als ein Phänomen wird der Bereich "Sekten- und Psychomarkt" gemeinhin bezeichnet. Doch nur verhalten ist die breite Öffentlichkeit in diesem Zusammenhang in der Lage, "das, was in Erscheinung tritt" ("phainomenon" grie.) als eine Erscheinung in ihrem Facettenreichtum zu betrachten. Vielmehr wird diesem Phänomen häufig unreflektiert mit einer diffusen, in der Regel negativ besetzten Gefühlslage begegnet: Unsicherheit, Ratlosigkeit, Bedrohung, Angst, bisweilen durchsetzt mit merkwürdiger Faszination von angeblich Magischem, scheinen auf. Man möchte sich schützen bzw. geschützt werden, und nicht selten wird der Ruf nach dem Staat laut, das zunehmend als Problem empfundene Phänomen mit einem "Verbot" - vermeintlich - zu lösen.

Überwiegend sind es spektakuläre Katastrophen mit Todesfolge wie

die das öffentliche Bewußtsein zu diesem Thema prägen. Doch zunehmend werden auch leisere Berichte wahrgenommen und in Verbindung gebracht mit eigenen Erfahrungen und solchen aus dem privaten und beruflichen Umfeld. Aufgrund der Explosion der öffentlichen Diskussion zum Thema und ihrer seit ca. drei Jahren anhaltenden Virulenz ist eine nachhaltige Sensibilisierung der Öffentlichkeit für den Weltanschauungs- und Psychomarkt zu verzeichnen. Trotz einer Fülle von Veröffentlichungen unterschiedlicher Qualität zu diesem Thema muß ein stetiges Interesse in der Öffentlichkeit insbesondere nach sachlicher Information konstatiert werden. Die Neigung, den Blick über spektakuläre Ereignisse und tragische Einzelschicksale hinaus zu heben und ihn auf den gesellschaftlichen Nährboden und mögliche Gefahren für die demokratische Gesellschaft zu lenken, ist noch wenig entwickelt. Diese Blickrichtung macht Mühe: Der Markt ist diffus und bizarr, die Grenzen sind fließend; ein unverstellter Blick wirft vom "Ganz-Anderen" auf Wohlbekanntes zurück.


1.2. Versuch einer begrifflichen Verständigung


Ein Indikator für die Mannigfaltigkeit und Intransparenz des religiösen, weltanschaulichen und Psychomarktes, für die Schwierigkeiten des Umgangs mit ihm und seine Bewertung ist die bislang weitgehend unzulängliche Begriffsbildung, mit der man dieses Phänomen zu fassen versucht.

So begegnet man noch in den 90er Jahren Bezeichnungen wie "Jugendsekten" (Deutscher Bundestag/1992) und "sogenannte Jugendsekten und Psychogruppen" (Baden Württemberg/1995), obwohl sich das Angebot der Gruppen heute in aller Regel an Erwachsene richtet und die damals jugendlichen Anhänger der guruistischen "Jugendreligionen" vor hinduistischem Hintergrund (z. B. Ananda Marga, Brahma Kumaris, Bhagwan- und Krishna-Bewegung, Transzendentale Meditation) der 70er und 80er Jahre inzwischen selbst in die Jahre gekommen sind.

Auch Begrifflichkeiten wie "Sekten und Psychokulte" (Bremen/1996) und "neue Religionen, Sekten und Psychokulte" (Niedersachsen/1996), die sich eng an die in den Vereinigten Staaten übliche Bezeichnung "destructive cults" lehnen, erscheinen für den deutschen Sprachraum eher ungeeignet: Kultisches wird man beispielsweise in manch konfliktträchtigem Psychoangebot vergeblich suchen.

Es ist für eine staatliche Stelle nicht möglich, die polyvalente Bezeichnung "Sekte" ohne einschränkendes Attribut oder differenzierte Definition in ihre Sprache aufzunehmen, da das staatliche Neutralitätsgebot es nicht erlaubt,

  1. den theologischen Sektenbegriff zu verwenden, der mit Sekte eine sich von einer Mutterreligion abgespaltene religiöse Gruppe mit von dieser abweichenden Lehre und Praxis in der Nähe einer Häresie bezeichnet.
  2. Auch der soziologische Sektenbegriff, der Bezug nimmt auf Gruppen, die eine oft radikale Gegenkultur zu dem entwerfen, was sie an Wertorientierung und Lebensweise in unserer pluralistischen Gesellschaft umgibt, ist hier untauglich. Damit schlösse man konfliktträchtige Gruppen aus, die gerade keine Gegenkultur entwerfen, sondern anerkannte Aspekte unserer Kultur (Leistung, Erfolg, Durchsetzungskraft) zur Heilslehre erklären.
  3. Der umgangssprachlichen Sektenbegriff, der bei dem Wort "Sekte" autoritäre Gruppen unterschiedlichster Art meint und Merkmale wie "gezielte Manipulation", "hemmungslose Ausbeutung" und "inhumaner Umgang mit Anhängern" mithört, bringt hier ebenfalls keine angemessene Einordnung.

Bei aller Unklarheit, die den Sektenbegriff umgibt, muß auf dessen hohen Signal- und Gebrauchswert in der Öffentlichkeit hingewiesen werden. Der Begriff "Sekte" kann für eine verantwortliche Differenzierung sinnvoll genutzt werden. So signalisiert die Enquete-Kommission des Bundestages mit der Bezeichnung "Sogenannte Sekten und Psychogruppen" die Brüchigkeit der Begriffe und scheint damit einen gangbaren Weg beschritten zu haben.

Das Land Berlin hat im 1994er Bericht an das Abgeordnetenhaus mit der Bezeichnung "Neue religiöse und weltanschauliche Bewegungen und sogenannte Psychogruppen" für gewahrte staatliche Neutralität den Preis begrifflicher Sperrigkeit gezahlt. Doch selbst diese neutrale Bezeichnung wurde von Gruppen als diskriminierend empfunden und gerichtlich, wenn auch ohne Erfolg, angefochten. Der Berliner Senat möchte weitgehend bei seiner Begrifflichkeit bleiben, denn sie nimmt bezug auf die in einen breiten Markt greifende Anfragenstruktur und öffentliche Diskussion. Sensibel gilt es überdies Wandlungsprozesse auch potentiell konfliktträchtiger Gruppen wahrzunehmen, die solche Phasen überwinden und moderate Entwicklungen nehmen.



2. Rechtliche Aspekte staatlichen Handelns
2.1. Äußerungsrecht und -pflicht des Staates
2.2. Artikel 5 GG - Meinungsfreiheit
2.3. Warnung durch den Staat
2.4. Selbstdefinition
2.5. Staatliche Zuwendung an Selbsthilfegruppen?


Das deutsche Modell von Religionsfreiheit versteht Religionsfreiheit als Freiheit des einzelnen und wird abgeleitet aus Art. 4 GG(1) in Verbindung mit Art. 137 WRV(2) - als Abwehrrecht des einzelnen gegen den Staat. Es gibt in Deutschland weder eine Registrierung noch eine Anerkennung als Religion durch den Staat. Religionen steht der Weg zur Gründung eines eingetragenen Vereins offen, dem vom Staat zusätzlich die steuerlich begünstigende Gemeinnützigkeit zugesprochen wird, sofern der Verein die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt.

Die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts, die einerseits mit der Vergabe von Privilegien durch den Staat verbunden ist und andererseits auch die Körperschaft in die Pflicht nimmt, darf nicht als eine Anerkennung als Religion mißverstanden werden.

Eine Vielzahl von Verwaltungsgerichtsverfahren, die - im weitesten Sinne unter der Überschrift "Religionsfreiheit" subsumierbar - religiöse und weltanschauliche Gruppen anstrengten, haben mittlerweile zu einer weitgehend gefestigten Rechtsprechung zur Frage der Möglichkeiten und Grenzen staatlichen Handelns in diesem Bereich geführt, die hier nur in einigen markanten Punkten referiert werden kann.


2.1. Äußerungsrecht und -pflicht des Staates


Viele der Gruppen des Gegenstandsbereichs berufen sich zu Recht auf den Schutz des Artikels 4 GG (Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit). Allerdings leiten sie daraus ein Äußerungsverbot für den Staat zu ihrer religiösen Gruppe ab.

Dagegen hält die Rechtsprechung und bestätigt einer Regierung nicht allein, daß es zu ihren im Grundsatz vorausgesetzten Aufgaben gehört, "gesellschaftliche Entwicklungen ständig zu beobachten, Fehlentwicklungen oder sonst auftretende Probleme möglichst rasch und genau zu erfassen, Möglichkeiten ihrer Verhinderung oder Behebung zu bedenken und die erforderlichen Maßnahmen in die Wege zu leiten"(3), sondern betont eine Äußerungspflicht des Staates, wenn bestimmte gesellschaftliche Erscheinungen in der Öffentlichkeit lebhaft diskutiert und mit Sorge verfolgt werden, "weil die Öffentlichkeit gerade unter solchen Voraussetzungen erwarten kann, alsbald über die Erkenntnisse und Absichten der Regierung unterrichtet zu werden."(4)

Keineswegs ist der Staat in seinen Äußerungen darauf beschränkt, lediglich Selbstdarstellung der jeweiligen Gruppierung zu referieren, sondern "eine Landesregierung kann sich im Rahmen der ihr nach Landesverfassungsrecht zustehenden Befugnis zur öffentlichen Stellungnahme auch unabhängig von einer zu einer Warnung berechtigenden Gefahrenlage kritisch mit einer Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft auseinandersetzen, wenn und soweit diese Lehre der Wertordnung der Grundrechte widerspricht."(5) Staatliche Neutralität darf also nicht verwechselt werden mit einer wertbezogenen Enthaltung des Staates. Vielmehr ist der Staat gehalten, die im Grundgesetz verankerte Werteordnung als Maßstab an Theorie und Praxis der Gruppierungen anzulegen. Gegenstand staatlicher Äußerung sind daher nicht die Feststellung religiöser oder weltanschaulicher "Wahrheiten", sondern mögliche Schäden für den einzelnen oder die Gesellschaft, die von Gruppen mit antidemokratischem und zuweilen totalitärem Charakter ausgehen können.


2.2. Artikel 5 GG - Meinungsfreiheit


Nicht berufen kann sich der Staat in seinen öffentlichen Äußerungen auf Artikel 5 GG (Meinungsfreiheit), denn Grundrechte sind genuin Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat. Damit erklärt sich zumindest partiell die in der Öffentlichkeit oft unverstandene Diskrepanz zwischen sehr weit gehenden Meinungsäußerungen einzelner Politiker (die sich auf Artikel 5 GG berufen können) und oft als neutralistisch empfundenen Veröffentlichungen zuständiger staatlicher Stellen. Letztere sind dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und Sachlichkeit verpflichtet und müssen "unsachliche oder aggressive Wertungen vermeiden".(6) Sie unterliegen damit auch in den im Zusammenhang mit staatlicher Informationsarbeit inzwischen geradezu zwangsläufigen gerichtlichen Auseinandersetzungen strengeren Konditionen.


2.3. Warnung durch den Staat


Wo Menschen Gefahr laufen, in ihren Grundrechten eingeschränkt und gezielt in eine psychische und/oder finanzielle Abhängigkeit geführt zu werden oder Schaden an Leib und Seele zu nehmen, muß auch der Staat eine klare Sprache sprechen. Diese Aufgabe ist ihm in der Rechtsprechung unmißverständlich in Obhut gegeben worden: "Die Erfüllung des Informationsbedürfnisses der Öffentlichkeit schließt die Möglichkeit staatlicher Empfehlungen und Warnungen ein. Denn auch derartige Äußerungen der Bundesregierung sind unmittelbar Ausdruck ihrer Verantwortung für das Gemeinwohl und werden daher von ihrer Befugnis zur Information und Aufklärung der Öffentlichkeit mitgetragen."(7) Es werden Recht und Pflicht des Staates zu Information und Aufklärung über den religiösen, weltanschaulichen und Psycho-Markt klar herausgestellt, aber auch die Möglichkeit zu eigener kritischer Schlußfolgerung und - unter bestimmten Umständen - Warnung betont. Grundvoraussetzung für eine solche Warnung ist eine konkrete oder abstrakte Gefahr, die von einer Gruppierung für die zu schützenden Rechtsgüter des einzelnen ausgeht.

Staatliche Warnung und kritische Auseinandersetzung erfordern in jedem Einzelfall wieder neu eine differenzierte Gewichtung konkurrierender Grundrechtsgüter mit dem Ziel, zu einem angemessenen, verhältnismäßigen Ausgleich zu gelangen. Bei aller Wertschätzung der in Art. 4 GG verbürgten Religionsfreiheit darf nicht vergessen werden, daß an erster Stelle des Grundgesetzes die Menschenwürde steht. Eine Gruppierung, die in ihrer Theorie oder Praxis beispielsweise gegen die Menschenwürde (Art. 1 GG), gegen das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 GG) verstößt, eine Gruppierung, die darüberhinaus gezielt und systematisch Familien zerstört (Art. 6 GG), wird sich eine staatliche Warnung auch dann gefallen lassen müssen, wenn sie sich zu Recht auf den Schutz des Art. 4 GG beruft.


2.4. Selbstdefinition


Entgegen der in der Öffentlichkeit häufig anzutreffenden Annahme gibt es in Deutschland keine staatliche Anerkennung als "Religion" oder "Kirche". Die Kleinanzeige im Stadtmagazin "tip" "Suche Leute zwecks Gründung einer neuen Religion, kein finanz. Interesse, Geld habe ich selbst. Bitte Brief mit Photo. KW: Sonnenwende"(8) ist ein Weg, der in Deutschland jedem Bürger (selbst dem ohne Geld) offen steht.

Dennoch birgt die hohe Wertschätzung des Rechtsgutes Religionsfreiheit in Deutschland auch die Gefahr des Mißbrauchs: Als bekanntestes Beispiel wird die Organisation "Scientology" öffentlich diskutiert. Diese Organisation versteht sich trotz einer durchkommerzialisierten Mitgliedschaft selbst als eine Religion und Kirche und beansprucht mit Nachdruck den Schutz durch Art. 4 GG. Dem widerspricht ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts, das dieser Organisation den Charakter einer Religion abspricht: Scientology "ist eine Institution zur Vermarktung bestimmter Erzeugnisse".(9)

Dienen also religiöse oder weltanschauliche Lehren nur als ein Vorwand zur Verfolgung wirtschaftlicher Ziele, kann von einer Religions- bzw. Weltanschauungsgemeinschaft im Sinne der Art. 4, 140 GG, Art. 137 WRV nicht gesprochen werden. Das Bundesverfassungsgericht führt dazu aus: "Allein die Behauptung und das Selbstverständnis, eine Gemeinschaft bekenne sich zu einer Religion und sei eine Religionsgemeinschaft, können für diese eine Berufung auf die Freiheitsgewährleistung des Art. 4 I und II GG nicht rechtfertigen; vielmehr muß es sich auch tatsächlich, nach geistigem Gehalt und äußerem Erscheinungsbild, um eine Religion und Religionsgemeinschaft handeln".(10) Das Selbstverständnis einer Gruppierung als Religion oder Weltanschauung begründet also nicht notwendig gleichzeitig den Schutz durch Art. 4 GG.

Im Streitfalle haben die Gerichte zu entscheiden. Die Rechtsprechung weist eine Reihe von Kriterien aus, die die Bezeichnung als Religion oder Weltanschauungsgemeinschaft rechtfertigen: Beide setzen demnach ein alle Lebensbereiche umfassendes Weltbild und eine hinreichend gefestigte, wenn auch wandelbare Gesamthaltung zur Welt voraus. Auch eine Weltanschauung muß in einer thematischen Geschlossenheit und Breite, die den bekannten Weltreligionen vergleichbar ist, aus einer wertenden Stellungnahme zum Weltganzen Antwort geben auf die Grundfragen des Seins: Ursprung, Sinn und Ziel von Welt und Leben. Religion und Weltanschauung differieren lediglich in Fragen von Gottbezogenheit d. h. transzendenter bzw. immanenter Bezüge und Erklärungsmuster. Aussagen und Überzeugungen zu bestimmten Teilaspekten von Welt und Leben sind zur Begründung einer Religion oder Weltanschauung nicht hinreichend.(11) "Eine Vergleichbarkeit hinsichtlich ihrer thematischen Breite und Geschlossenheit ist zu fordern, weil Art. 4 GG, der solchen Gedankensystemen auch die Ausübungsfreiheit garantiert, sonst zu einem unüberschaubaren, nicht einmal den Einschränkungen des Art. 2 I GG unterliegenden zweiten allgemeinen Handlungsrecht würde."(12)


2.5. Staatlichen Zuwendungen an Selbsthilfegruppen?


In Fragen der Information und Aufklärung über den religiösen, weltanschaulichen und Psychomarkt findet das Subsidiaritätsprinzip eine seiner Grenzen.

Unmißverständlich haben Gerichte diese Aufgabe an den Staat zurückverwiesen und eine finanzielle Förderung von Selbsthilfegruppen und Betroffenenintiativen als rechtswidrig untersagt. Eine solche Förderung sei mit speziellen grundrechtlichen Freiheitsrisiken behaftet.(13) Der Staat sieht sich in seiner Informations- und Aufklärungsarbeit der Notwendigkeit gegenüber, einem strikten Neutralitätsgebot genüge zu tun. Er unterliegt der Pflicht zu Zurückhaltung und Sachlichkeit in jeder Äußerung. Ein Verein hingegen kann unter Berufung auf die ihm zustehende, grundrechtlich verbürgte Meinungsfreiheit sein Äußerungsspektrum bis zur Grenze der Schmähkritik ausschöpfen.

Die finanzielle Förderung eines solchen Vereins durch den Staat offenbart einen mittelbaren kausalen und damit grundrechtseingreifenden Wirkungszusammenhang: Der Staat finanzierte etwas, das zu tun ihm selbst verwehrt ist. Das käme einem Unterlaufen des staatlichen Neutralitätsgebots gleich.


Quellenverzeichnis:
1 Grundgesetz
2 Weimarer Reichsverfassung
3 Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 23.05.1989 - 7 C 2/87 in NJW 1989, 2272 ff.
4 ebenda
5 BVerwG, Beschluß vom 04.05.1993 - 7 B 149/92 in NJW 1994, 878
6 BVerwG, Urteil vom 23.05.1989 - 7 C 2/87 in NJW 1989, 2272 ff.
7 ebenda
8 tip 14/87
9 BAG, Beschluß vom 22.03.1995 - 5 AZB 21/94 in NJW 1996, 143 f.
10 BVerfG, Beschluß vom 05.02.1991 - 2 BvR 263/86
11 BVerwG, Urteil vom 19.02.1992 - 6 C 3/91 in NVwZ 1991, 1187 ff.
12 Verwaltungsgerichtshof (VGH) München, Urteil vom 28.11.1990 - 7 B 90.18 in NVwZ 1991, 1102
13 BVerwG 7 C 21.90


[Inhaltsverzeichnis dieses Werkes]
[Homepage der Berliner Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport]


3. Gesellschaftliche Situation
3.1. Globalisierung
3.2. Individualisierung und Pluralisierung
3.3. Der Weg ist das Ziel - Leben als ständiger Übergang


3.1. Globalisierung


Mit der Geschichte von Religionen sind das Auftreten von abweichenden Auffassungen innerhalb einer Religion und die Ausgrenzung bzw. Abspaltung von Gruppen vom Hauptstrom einer Religion untrennbar verbunden. Sogenannte "Sekten" gibt es seit Anbeginn von Religion.

Neu ist für unsere Gesellschaft, daß Menschen heute mit einer Vielfalt von Religionen und Weltanschauungen anderer Kulturkreise und den daraus fließenden Werten und Formen der Lebensgestaltung bekannt werden.

Die Welt ist als Folge einer Kommunikations- und Informationsdichte "kleiner" geworden: Botschaften von den entferntesten Punkten der Erde werden frei Haus geliefert und aufbereitet. Die Mobilität eines großen Teils der Bevölkerung der westlichen Gesellschaft läßt Menschen an jeden Ort der Welt reisen und mit dortiger Religion in Berührung kommen. Gleichermaßen ist es Vertretern dieser fernen Religionen und Weltanschauungen möglich, überall dort ihre Lehren zu verkünden und Anhänger um sich zu scharen, wo eine Chance zur Verbreitung ihrer Anschauungen gegeben zu sein scheint.

Noch nie stand deshalb dem einzelnen Bürger eine solche breite Palette von Religions-, Weltanschauungs- und spirituellen bzw. Psychoangeboten zur Verfügung.


3.2. Individualisierung und Pluralisierung


Diese Angebotspalette fällt in der modernen Gesellschaft auf einen bislang unübertroffen fruchtbaren Boden.

Der mit der Aufklärung eingeleitete Prozeß, traditionelle Werte infrage zu stellen, mündet heute nicht wie oft beschworen in einen Werteverlust, sondern in ein Nebeneinander unterschiedlichster, alter und neuer Werte. Der Verlust der Bindekraft traditioneller Werte für alle bedeutet auch Verlust eines Sicherheit gewährenden, relativ einheitlichen und verbindlichen sozialen Formgebildes.

Diese Freisetzung des einzelnen in die Wahlfreiheit bedingt notwendig zunächst eine vorübergehende Orientierungslosigkeit. Dementsprechend gilt es, für diese Freiheit eine neue Kultur zu erringen: Eine Kultur, die sie nicht beschneidet und dennoch Angst nimmt, eine Kultur, die Toleranz schult, und deren Rahmen in unserer Gesellschaft allein die freiheitlich-demokratische Grundordnung setzen kann.

Die Möglichkeit, die eigene Biographie bis ins Detail individuell auszugestalten, "sich selbst zu verwirklichen", ist in unserer Gesellschaft größer denn je. Denn trotz aller Ressentiments, mit denen von der eigenen Vorstellung signifikant abweichenden Lebensentwürfen im Alltag bisweilen begegnet wird, ist gesamtgesellschaftlich eine Vielzahl von Lebensentwürfen und -gestaltungen akzeptiert.(1)

Dennoch geht mit der Ausdifferenzierung der Lebensgestaltung im Sinne eines Wandels vom institutionalisierten zum beziehungs- und interessegeleiteten Lebensstil offenkundig eine gewisse Härte und wachsende Schutzlosigkeit einher:(2)

Familienverbände mit ihrer Beheimatungsfunktion haben an Bindekraft verloren. Man konstituiert sich neu in Patchwork- oder Teilfamilien - möglicherweise wieder nur auf Zeit. Immer mehr Menschen leben mehr oder weniger selbstgewählt allein. Soziale Beziehungen in Freundschaft, Nachbarschaft, Verwandtschaft und im beruflichen Umfeld werden nicht mehr am Rollen-, sondern am Wahlprinzip gemessen und daher mit hohen Ansprüchen befrachtet. Verläßlichkeiten nehmen ab. Schon morgen kann - ohne Begründungszwänge - eine andere Wahl getroffen werden. Der Ausspruch Martin Bubers: "Der Mensch wird am Du zum Ich" scheint zunehmend von der Hoffnung einer Ichwerdung am Ich abgelöst zu werden, weil sie sich am Du im nunmehr freigegebenen Raum als zu anstrengend erweist. Die entstehenden unbesetzten Bindungsvalenzen bieten(3) auch solchen konfliktträchtigen Gruppen effektive Ansatzpunkte, die eine Ich-Werdung durch Ent-Ichung praktizieren. Der Verlust einer maßvollen Bindung an das Du wird als Bindungsleere erfahren und fördert die Bereitschaft zur maßlosen Bindung an eine Gruppe, einen Führer, eine Idee.

Die Kehrseite der Wahlfreiheit ist ihre Verantwortung: Denn auch das Mißlingen des Gewählten ist nun selbstverschuldet und muß als solches individuell ausgehalten werden. Der einzelne ist heute weitaus stärker als zu Zeiten einer für alle verbindlichen, weitgehend einheitlichen sozialen Lebenswelt auf sich allein gestellt.


3.3. Der Weg ist das Ziel - Leben als ständiger Übergang


Nicht allein die Wandlung des privaten Lebens hin zu einem "Ankommen auf Zeit" bringt für viele eine Verunsicherung mit sich.

Anteile daran zeichnen ebenso strukturelle Veränderungen unserer Zeit wie z. B. die markante Ausdehnung der Bildungs- und Ausbildungsgänge. Damit verbunden ist eine Verschiebung des Zeitpunkts des "Erwachsenseins", dem seine klare Zäsur mit dem Abschluß der Ausbildung genommen ist. Zusätzlich verlangen die rasante Wandlung und Neubildung von Berufsfeldern dem einzelnen eine hohe Flexibilität, Mobilität und lebenslange Bereitschaft zu neuem Aufbruch ab.(4) Die neuen Strukturen wandeln das Leben mit Übergängen zunehmend in ein prozeßorientiertes Leben in Übergängen.

Damit wächst das Bedürfnis nach Fixpunkten und Kontinuitäten, die von den beschriebenen Brüchen und Verwerfungen unberührt überdauern. Immer weniger vermögen aber Parteien, Verbände und traditionelle Kirchen diese Funktion zu erfüllen: Sie sind selbst Teil dieses demokratischen Prozesses der Meinungsvielfalt; inhomogen, pluralistisch und damit nach außen vergleichsweise profilarm. Nicht generell mangelndes Interesse am Gemeinwohl, sondern der verbreitete Eindruck, als einzelner in diesen Strukturen vermeintlich nichts bewegen zu können gegen als krisenhaft empfundene Erscheinungen in Politik, Gesellschaft und Umwelt führen dazu, daß der einzelne seine vorhandene Bereitschaft zu Engagement für das Gemeinwesen von diesen Institutionen nicht mehr in dem Maße wie früher abrufen läßt. Unübersehbar ist allerdings auch, daß das Maß an Gemeinsinn in der Gesellschaft abnimmt und zunehmend vom persönlichen Nutzen abhängig gemacht wird.


Quellenverzeichnis:
1 So unterstützt der Staat beispielsweise sowohl Treberhilfe für Jugendliche als auch die Bereitstellung von Grundstücken für Wagenburgbewohner wie auch den privaten Eigenheimbau.
2 Bericht der Landesregierung Schleswig-Holstein: "Sekten" Tätigkeit von Sekten im Land Schleswig-Holstein, Februar 1997, S. 3 ff.
3 wenn sie nicht in einem beziehungsunfähigen modernen Autismus enden
4 Deutscher Bundestag, 13. Wahlperiode, Zwischenbericht der Enquete-Kommission "Sogenannte Sekten und Psychogruppen", Drucksache 13/ 8170, 07.07.97


4. Der Markt
4.1. Die Nachfrage
4.2. Das Angebot


4.1. Die Nachfrage


Möglichkeit und Notwendigkeit von Freiheit der individuellen Lebensgestaltung können als befreiend oder belastend erfahren werden. Beides löst eine Suchbewegung aus.

Wer sich überfordert fühlt, sich permanent der Informationsflut unserer Zeit auszusetzen, diese zu filtern und zu verarbeiten, zu differenzieren, mit seinen Erfahrungen zusammenzuschauen und immer wieder neu eigene Meinung zu bilden, Standpunkt zu beziehen und schließlich daraus seine individuelle Form der Lebensgestaltung zu gießen, wird sich anderen Sinnangeboten zuwenden als derjenige, der gerade diesen offenen Prozeß als reizvoll und spannend erlebt.

Von der grundsätzlichen Suchbewegung zu unterscheiden sind herausgehobene Lebensphasen, in denen zur beschriebenen grundsätzlichen Belastung aktuelle weitere treten. Hier kann eine gesteigerte Ansprechbarkeit für Sinn- und Heilsangebote des religiösen und Psychomarktes diagnostiziert werden. Diese Sensibilität gilt für Lebensphasen, in denen Entwicklungsaufgaben zu bewältigen sind, in besonderer Weise. Zu unterscheiden sind:

  1. allgemeine Entwicklungsaufgaben - "klassische" Passagezeiten jeden menschlichen Lebens: beispielsweise Pubertät, "mid-life-crisis", die Auseinandersetzung mit dem Altern,
  2. von ereignisbezogenen Entwicklungsaufgaben - Zäsuren, die den individuellen Lebenslauf kennzeichnen: beispielsweise Arbeitslosigkeit oder neuer Job, sozialer Abstieg, schwere Krankheit, Tod naher Menschen, Beziehungsprobleme, Scheidung etc. oder auch der Umzug in eine andere Stadt.

Nicht zu vernachlässigen ist die sogenannte "schwache Stunde", in der ein Mensch vermehrt für die genannten Angebote ansprechbar ist: beim Durch-die-Straßen-Laufen nach dem Streit mit dem Partner, beim fahrigen In-der-Kaffeetasse-Rühren in der Mensa vor der Prüfung, beim tristen Allein-in-der-Kneipe-Hocken, weil die gute Freundin zum zweiten Mal kurzfristig abgesagt hat ...

Allen diesen Lebenssituationen gemeinsam ist, daß sie gewohnte Sicherheiten nehmen, der Boden brüchig und eine Anpassungsleistung im Sinne einer Um- und Neuorientierung erforderlich wird. In diesen Phasen nimmt man plötzlich den standbildähnlichen Werber der "Zeugen Jehovas" vor dem Kaufhaus wahr, den man bislang immer übersehen hatte, - und ist offen für dessen Ansprache; in diesen Phasen hört man endlich dem Freund oder Kollegen zu, der schon seit langem in seine Gruppe einzuladen versuchte - und man geht vielleicht mit.

Was wird erwartet?

Das, was vermeintlich oder wirklich fehlt:

Sinn und Glück, Heil und Heilung, Überschaubarkeit und Eindeutigkeit, Engagement und Vision, Geborgenheit in der Gemeinschaft, Erlebnis und Abenteuer, Selbsterfahrung und Ganzheitlichkeit.

Gesucht wird dann oft nicht ein Begreifen des eigenen Nicht-Gelingens, Scheiterns, Unvollkommen-Sein als eine Seite der menschlichen Existenz zu erfassen. Die Suche zielt vielmehr oft darauf, gerade diese Seite mittels exklusiver Heils- oder Psychotechnik möglichst vollständig aus dem eigenen Leben zu verbannen und in eine universelle Selbstzufriedenheit abzutauchen.


4.2. Das Angebot


Der religiöse, weltanschauliche und Psychomarkt ist ein Wachstumsmarkt. Es expandieren nicht allein die Umsatzzahlen. Ständig vergrößert sich zur Zeit auch die Zahl der Anbieter. Oft wird aus Versatzstücken der konsumierten Systeme ein neues eigenes kreiert und wiederum Anhängerschaft gesammelt. Bestehende Organisationen setzen Gruppen von Abweichlern frei, stark wachsende Bewegungen spalten sich oder vergeben Lizenzen.

Der Markt der 90er Jahre ist stärker professionalisiert als der der 70er und 80er Jahre: Moderne Management- und Marketingmethoden fanden Eingang in die Gruppen. Man ist nicht mehr nur allein überzeugt von seinem exklusiven "Produkt", sondern weiß es zunehmend professionell zu verkaufen. Verheißen werden Glück und Heil, die zu erlangen über klar definierte Wege und Stufen für jeden möglich erscheint. Er muß nur bereit sein, sich seiner grundsätzlichen Omnipotenz bewußt zu werden, die ausschließlich vom angebotenen perfekten System aufgeschlossen und vollendet werden könne.

In der Öffentlichkeit wird häufig eine Zahl von 600 Gruppen genannt, die den religiösen, weltanschaulichen und Psychomarkt bevölkern sollen. Wer auf welche Weise zu dieser Zahl gelangt ist, läßt sich nicht mehr nachvollziehen. Gewiß aber ist, daß mit dieser Zahl nicht potentiell konfliktträchtige Gruppen (sogenannte "Sekten"), die Menschen in psychische oder finanzielle Abhängigkeit führen, gemeint sein können - in diesem Fall wäre die Zahl übertrieben.

Gleichermaßen infrage gestellt werden müssen umhergeisternde Zahlen von Anhängern: Wenn nicht einmal die Zahl der Gruppen klar umrissen ist, wer wollte dann auf welche Weise Mitglieder, Anhänger und Sympathisanten statistisch fundiert erfassen? Überdies muß von einer hohen Anhängerfluktuation ausgegangen werden: Oft nur ein kleiner Kern verharrt über viele Jahre in einer Gruppe. Mancher wechselt die Gruppe und damit oft auch seinen Glauben; mancher Aussteiger betrachtet die Zeit seiner Mitgliedschaft als ein dunkles Kapitel in seiner Lebensgeschichte.

Viele der öffentlich benannten Zahlen sind von den Gruppen selbst in Umlauf gesetzte und verlangen Skepsis. Bieten sie den Gruppen doch die Chance, entweder die eigene Bedeutung zu erhöhen und in der Öffentlichkeit ein Wachstum zu demonstrieren, das man sich wünscht und herbeizureden trachtet. Manche Organisation stellt sich auch bewußt als unbedeutend dar, um Kritikern im Sinne von "Viel Lärm um nichts" den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Auch ohne sich an Zahlen zu klammern, zeigen öffentliche Diskussion und Anfragenfrequenz und -qualität bei zuständigen Stellen deutlich, daß es sich um ein Problem von gesellschaftlicher Relevanz handelt. Denn umstrittene Psychoangebote verweisen stolz auf Zehntausende von Teilnehmern, und auch zahlenmäßig wenige Anhänger totalitärer Systeme können, in Schlüsselpositionen eines gesellschaftlichen Gefüges plaziert, erheblichen Schaden anrichten. Last not least kann eine Gesellschaft, welche sich humanistischer Tradition verpflichtet weiß, die teilweise dramatischen Schicksale Betroffener und deren Angehöriger nicht ungerührt übergehen.


5. Kriterien zur Bewertung von Anbietern und Angeboten
5.1. Meinungsbildung
5.2. Merkmale und Strukturen potentiell konfliktträchtiger Angebote
5.3. Psychische Abhängigkeit
5.4. Gewichtung des Einzelfalls


5.1. Meinungsbildung


In der heutigen Gesellschaft wird vielfach "Meinung gemacht". Oft legt die Anfragenstruktur im zuständigen Sachgebiet die Vermutung nahe, es sei zunehmend lediglich eine Frage der Medien, des Geldes und des Wissens um menschliches Funktionieren, psychologischer Technik, welche Meinung die obsiegende sein wird und damit in die Nähe einer mittelbar sanktionierten - wenngleich vorübergehenden - Wahrheit tritt.

Und so scheint es trotz Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt angesichts einer Atomisierung von gefärbter oder gezielt ausgewählter Information dem einzelnen heute schwerer denn je, zu Mündigkeit zu gelangen und tatsächlich eigene Meinung zu bilden. Als ein Ausweg aus dieser anstrengenden Arbeit wird bisweilen die Suche nach einer Instanz aufgenommen, die diese Mühe abnehmen und endlich sagen soll, was gut und schlecht, richtig und falsch ist.

Wird in Sachen des Religions- und Weltanschauungsmarktes der Staat als eine solche Instanz bemüht, die womöglich gar eine Liste "gefährlicher Gruppen" schuldig ist, stoßen seine Vertreter auf Unverständnis bis schroffe Ablehnung, wenn sie auf ihre verfassungsgemäße inhaltliche Enthaltung verweisen, die eine "totalitäre Fürsorge" wie beispielsweise in der früheren DDR verhindert. Hier stellt sich die Frage nach demokratischem Selbstverständnis in radikaler Weise: Ist Demokratie dem einzelnen nur dort willkommen, wo sie ihm das Leben erleichtert und Freiheiten eröffnet, und will er sie dort eingeschränkt wissen, wo sie Leben erschwert und mit Risiken behaftet? Was heißt es, Demokratie um ihrer selbst willen ernst zu nehmen? Die andere Seite der Freiheit ist das Risiko; wer das eine genießt, muß den Umgang mit dem anderen wollen und erlernen.

An dieser Stelle sieht sich der Berliner Senat in der Verantwortung (siehe auch Abschnitt 2.). Schwerpunkte der Arbeit bilden daher insbesondere Information und Aufklärung über Merkmale und Strukturen von Gruppen des Religions- und Weltanschauungsmarktes, die für den einzelnen potentiell konfliktträchtig sind. Damit will er dafür Sorge tragen, daß der einzelne nicht einseitig euphemistischer Selbstdarstellung der Gruppe ausgeliefert bleibt. Der einzelne soll neutrale und kritische Informationen, die die tatsächliche konkrete Praxis der Gruppe und persönliche Erfahrungen von Anhängern ausleuchten, ergänzend in seine Meinungsbildung einbeziehen können. Der einzelne soll vorab die Möglichkeit haben, zu wissen, worauf er sich bei einer Gruppe einläßt - erst dann kann tatsächlich von einer freien Entscheidung, die allein ihm obliegt, ausgegangen werden.


5.2. Merkmale und Strukturen potentiell konfliktträchtiger Angebote


Aufgrund der Mannigfaltigkeit der Anbieter und Angebote können an dieser Stelle lediglich typische Merkmale und Strukturen, die viele der konfliktträchtigen Gruppen kennzeichnen, genannt werden. Nicht alle Merkmale treffen auf jede Gruppe und auch nicht in gleicher Intensität zu.

Zunächst gilt es zu erkennen, daß viele dieser Merkmale und Strukturen keine exotischen, sondern in unserer Gesellschaft mehr oder weniger überall präsente sind, ohne eine ausgeprägte Konfliktträchtigkeit zu entfalten. Es handelt sich also offensichtlich um Aspekte, die in menschlichen Sozialbeziehungen immer eine Rolle spielen und vielfach insbesondere für Religion und Weltanschauung geradezu konstitutiv sind. Die folgende Beschreibung der Merkmale und Strukturen ist daher nicht als Kritik an diesen, sondern allein deskriptiv und informativ zu verstehen.

Konfliktträchtiges Potential prägt sich immer erst dann aus, wenn diese Merkmale und Strukturen in ihr Extrem und viele dieser Merkmale gemeinsam innerhalb einer Gruppe ausgeformt werden. Erst dann kann von der Gefahr einer psychischen Abhängigkeit des einzelnen, die von der Gruppe ausgeht, oder von der Gefahr einer kollektiven psychischen Entgleisung einer gesamten Gruppe gesprochen werden. Die Grenzen dabei sind fließend; das Nachstehende kann lediglich Orientierung bieten und nicht von einer differenzierten Sicht auf den Einzelfall entbinden.

  1. Lehre: Die Lehre einer solchen Gruppe erhebt absoluten Wahrheitsanspruch und spricht allen anderen Lehren Wahrheitsgehalt ab. Polarisierend wird ausschließlich die eigene Gruppe als gut, richtig, ganz, heilsam u. ä. deklariert; die jeweils negative Entsprechung gilt für andere Angebote und Menschen außerhalb der eigenen Gruppe. Wirklichkeit wird in ein Schwarz-Weiß-Weltbild simplifiziert, Grautöne zu Trugbildern umdefiniert. Diese Komplexitätsreduktion von Wirklichkeit soll den einzelnen von der Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit systemfremden Inhalten entlasten und damit binden. Meinungsvielfalt kann und soll so nicht herangebildet werden. Eine kleine geschlossene Welt entsteht, in der es sich einfach und entlastet entlang der vorgegebenen Bahnen denken und leben läßt.(1)
    In aller Regel enthält die Lehre ein immanentes oder transzendentes Heilsversprechen, dem sich zu nähern ein Weg (der einzig mögliche) zugeordnet ist, welcher kompromißlos zu beschreiten ist, soll das Ich, die Menschheit, die Welt nicht in Chaos oder Zerstörung untergehen.
    Mit subtilen Mitteln soll die Lehre vom Bewußtsein des Suchenden verinnerlicht werden: Zweifelnden wird Verständnis und besondere Zuwendung zuteil und attestiert, ob des Zweifels zwar auf unterster Stufe und noch verhaftet im Abzulegenden, insgesamt auf dem einzig rechten Wege zu sein. So verdrängt der Anhänger seine Zweifel aus eigenem Antrieb, um ganz dazuzugehören. Dabei wird er "unterstützt" durch in manchen Gruppen angewandte bewußtseinsbeeinträchtigende Methoden und Techniken(2), deren Wirkung und Konsequenz für die eigene Persönlichkeit er in der Regel nicht zu überblicken vermag.
  2. Organisationsstruktur: Ein hohes Ziel erfordert Opferbereitschaft und Disziplin. Und so sehen sich Anhänger in eine strenge sichtbare formale oder subtil verborgene informelle Hierarchie eingebunden.
    Ein Führer bzw. eine Führungsgruppe wacht über Lehre und Regeln und genießt uneingeschränkte Autorität bisweilen sogar göttlicher Qualität. Die totale Unterordnung unter den Führer bzw. seine "Unter"-Führer gilt als Mittel zur Erringung des Heils und Maßstab für die Ernsthaftigkeit, mit der der Anhänger die Sache betreibt. Bisweilen drängt sich der Eindruck auf, daß innerpsychische Symptome von Führern auch in Anhängern ausgebildet werden sollen. Die Inhalte werden austauschbar.
    Entscheidungen der Führung und Kriterien für deren Zustandekommen bleiben dem einfachen Anhänger verborgen. Werden nicht göttliche Qualitäten in Anspruch genommen, so heißt es für den Anhänger zumindest, daß es nicht um Verstehen, sondern um Vertrauen und "Loslassen" gehe. In antiaufklärerischer Hingabe gelte es, sich von tiefen, dunklen Gründen tragen zu lassen und so wieder Anschluß an kosmische Ganzheiten und unabänderliche Weltenläufte zu gewinnen. Ein hartnäckig Nachfragender hört schnell, daß er noch nicht genug gelesen, meditiert, gebetet oder gedient habe, er "spirituell noch nicht so weit" sei und also ihm das Rüstzeug fehle, Entscheidungen der Führung zu hinterfragen oder zu kritisieren oder auch nur zu verstehen.
    Nicht selten werden menschliche Stärken und Schwächen ausgenutzt, damit sich Anhänger gegenseitig disziplinieren. Zweifelnde werden so von anderen Anhängern auf den rechten Weg zurück "unterstützt", Kritiker von anderen denunziert, um selbst die ultimative Hingabe attestiert und belohnt zu bekommen: Die Nähe zur Macht vermittelt das Gefühl der Teilhabe an ihr. An dieser Stelle wird deutlich, daß auch die Suche nach einem liebenden, menschlichen Miteinander in solchen Gruppen vielfach instrumentalisiert werden kann. Verläßliches Miteinander ist gebunden an inhaltliche Konformität des Anhängers und gründet nicht in wirklicher Mitmenschlichkeit. Beziehungen sind weithin vertikal zum Führer ausgerichtet und können zu psychischer Abhängigkeit führen: Die geistige Führerschaft mit ihrem umfassendem Autoritätsanspruch ist aus ihrem ursprünglichen Kulturzusammenhang herausgelöst. Wird sie unverändert in eine Gesellschaft ohne gewachsenen Grund für solcherart Beziehung übertragen, führt sie Konfliktstoff mit sich.
  3. Reglementierung des Alltags: Religion meint immer den ganzen Menschen. Zwangsläufig entfaltet die Zugehörigkeit zu jeder Religion oder Weltanschauung Wirkungen im Alltag des Anhängers, der sein Wertsystem in Handlung umzusetzen trachtet.
    Aufgabe einer staatlichen Informationsschrift ist es nicht, Grenzen zu bestimmen, wie tief eine Gruppierung in die Persönlichkeit ihrer Anhänger eingreifen darf. Wohl aber kann sie darüber aufklären, welche Wirkungen solcherart Eingriffe entfalten können.
    Konfliktträchtige Gruppen dringen gezielt und schnell in intimste Bereiche der Persönlichkeit ihrer Anhänger vor und durch ein Regelwerk verändernd ein. Vor allem aber kontrollieren sie den Vollzug und ahnden ggf. Verstöße. Eine Fülle von Regeln für Kleidung, Frisur, Speise, Lektüre, Sexualverhalten, Partnerwahl und Kindererziehung, Zeitgestaltung und Wertebewußtsein nehmen dem Anhänger die Mühen, aber auch die Freiheit eines selbstbestimmten Lebens ab. Harte Sanktionen bei Verstößen können Ablaß gewähren. Der einzelne und die Gruppe können sich so der Fortschritte auf dem Schulungs- und Heilsweg vergewissern; die Illusion von buchhalterischer Abrechenbarkeit menschlicher Entwicklung entsteht und entlastet.
  4. Zeitliche Einbindung: Um den Anhänger dauerhaft zu binden, wird vielfach die Freizeit des einzelnen in vielen Gruppen bisweilen bis zur Erschöpfung mit Gruppenaktivitäten und vorgeschriebener Lektüre verplant. Das Absorbieren des privaten Zeitbudgets entwickelt eine beachtliche Wirkungsvielfalt:
    Der Anhänger verfügt über keine freie Zeit mehr, seine bisherigen sozialen Beziehungen und Hobbies zu pflegen. Die Gruppe wird zur exklusiven sozialen Umwelt, und so unterbleibt die Notwendigkeit, sich mit systemfremden Ideen und Inhalten auseinanderzusetzen, die die immerwährende gegenseitige Bestätigung im Binnensystem relativieren könnten. Eine Distanz zur eigenen Situation kann so nicht mehr aufgebaut oder aufrechterhalten werden.
    Bereits nach relativ kurzer Zeit können die Kontakte allein auf Gruppenmitglieder reduziert sein; nur dort noch ist "wahres" Verständnis und Wissen zu finden. Damit verstärkt sich einerseits der gedankliche Focus auf die geschlossene Gruppe. Andererseits wird die Austrittsschwelle aus der "kleinen Welt" erhöht, da ein Austritt einem Verlust aller entscheidenden sozialen Beziehungen gleichkäme. Dieser Verlust ist für den Anhänger in aller Regel angstbesetzt.
    Der hohe Zeit- und Kraftaufwand der Anhänger für die Gruppe bildet eine wichtige Grundvoraussetzung für das Wachstum einer Gruppe. Gleichzeitig wird dem Anhänger das Gefühl vermittelt, sein gesamtes Engagement der einzig lohnenswerten Sache zu übereignen.
  5. Sprache: Um das Zusammengehörigkeitsgefühl der Anhänger zu stärken, den Zusammenhalt der Gruppen zu demonstrieren und die Distanz zur Außenwelt besonders zu betonen, entwickeln viele Gruppen neben anderen Binnenzeichen der exklusiven Zusammengehörigkeit eine eigene Sprache und Begrifflichkeit. Deren Wirkung kann kaum überschätzt werden kann. Häufig werden Kunstwörter kreiert, deren Bedeutung zunächst nur der Gruppe bekannt ist Zusätzlich werden gebräuchliche Begriffe ihrer eigentlichen Bedeutung in unserer normalen sprachlichen Übereinkunft beraubt und von der Gruppierung neu definiert.(3) Gewohnte Kontrollinstanzen des Sprachbewußtseins werden damit außer Kraft gesetzt. Inhalte verändern sich unbemerkt. Die gruppeneigene Sprache und Begrifflichkeit sind in manchen Fällen dem normalen Sprachgebrauch so weit entfremdet, daß sie Kommunikationsschwierigkeiten außerhalb der Gruppe nach sich ziehen. Die Sprache des Anhängers wird von Außenstehenden als stereotyp und in Denkschleifen verhaftet empfunden. Wirklicher Dialog wird nahezu unmöglich. Dieser Prozeß ist geeignet, den sukzessiven Niedergang bisheriger sozialer Beziehungen außerhalb der Gruppe zu einem Isolationseffekt zu steigern.
    Der Anhänger fühlt sich dann nur noch von anderen Gruppenmitgliedern verstanden. Im engen Bedingungsgefüge von Sprache und Denken wird durch eine Binnen-Sprachwelt eine Binnen-Gedankenwelt geschaffen und manifestiert. Diesen Prozeß vermag der Anhänger selbst kaum noch zu reflektieren und mißdeutet seine Kommunikationsprobleme mit Menschen außerhalb der Gruppe oft als emotionale zwischenmenschliche Dissonanz.
  6. Elitementalität: Untrennbar verbunden mit dem Absolutheitsanspruch der Gruppen ist das Bewußtsein ihrer Anhänger, die Elite der Auserwählten und Geretteten zu sein. Damit verbunden ist eine oft undifferenzierte und umfassende Abwertung des bis zum Eintritt in die vermeintliche Elite gelebten Lebens.
    Das elitäre Gefühl ist geeignet, unerfüllte Bedürfnisse insbesondere eines bislang wenig selbstbewußten Anhängers zu verdecken. Es bindet an die Gruppe und verstärkt die Distanz zu den Nichterwählten, die als verloren gelten und daher lediglich Missionsobjekt sind.
  7. Kritikunfähigkeit: Geradezu auffällig ist die Unfähigkeit der gläubigen Anhänger, auch mit sachlich vorgetragener Kritik umzugehen. Andersdenkende werden unbewußt als Anfechtung der eigenen Entscheidung erfahren. Eine kontroverse Diskussion, die außerhalb der Gruppe als fruchtbringendes Gespräch bewertet würde, wird bereits im Ansatz als unerträglich empfunden. Konflikt- und Dialogunfähigkeit wird oft als besondere Sensibilität und damit Qualität deklariert. Sie verstärkt so den Trend zur Radikalisierung menschlichen Miteinanders bis hin zur Entscheidung zwischen Bekehrung oder Kontaktabbruch.
    Günstigstenfalls gilt Kritik von innen wie außen als Ausdruck eines Nichtverstehens des Gesamtsystems und seiner Aussagen; Dialog als ein wirkliches Nachdenken über kritische Äußerungen scheint überflüssig in einer Gruppe, die über die absolute Wahrheit bereits verfügt. Meinungspluralismus schließt sich in einem solchen System aus.
    In diesen Kontext gehört auch die Tendenz mancher Gruppe, gegen jede kritische Äußerung gerichtlich vorzugehen.
  8. Feindbilder: Deutliches Kennzeichen konfliktträchtiger Gruppen sind ihre massiven Feindbilder, die sie bisweilen bis zu Verschwörungstheorien fortschreiben.
    Kritiker werden vielfach mit bisweilen der eigenen Lehre widersprechenden Mitteln als Feinde bekämpft; eine entsprechend kriegerische Begrifflichkeit findet sich dann in Äußerungen wieder. In manchen Gruppen gilt ein Kontaktverbot mit Kritikern bis hin zum Trennungsbefehl, ggf. auch innerhalb der eigenen Familie.
    Gleiches gilt auch für Aussteiger aus der Gruppe. Selbst ein sanfter Ausstieg eines Anhängers wird oft von den Zurückbleibenden als Anfechtung des eigenen Seins erlebt. Von direkter Verfolgung von Aussteigern kann man nur im Einzelfall bei wenigen Gruppen und oft hochrangigen Aussteigern sprechen, die über Interna informiert sind, welche der Öffentlichkeit verborgen bleiben sollen. Doch auch der abrupte Kontaktabbruch, gezielt gestreute Gerüchte über ein schlechtes Ergehen nach dem Ausstieg oder belästigende Telefonanrufe mit Beschimpfungen werden vom Aussteiger als belastend bzw. schmerzlich empfunden.

5.3. Psychische Abhängigkeit


Der Terminus "psychische Abhängigkeit" ist ähnlich wie der Begriff "Sekte" nicht klar definiert. Dennoch weiß jeder, der ihm begegnet, was damit benannt werden soll. Psychische Abhängigkeit ist negativ bestimmt; legt man das Menschenbild des Grundgesetzes an, wird man an einer harten Kollision mit Art. 2 GG (Handlungsfreiheit, Freiheit der Person) nicht vorbeischauen können.

Psychische Abhängigkeit des Anhängers entsteht - sehr verkürzend zusammengefaßt - durch ein dreistufiges Agieren konfliktträchtiger Gruppen. In einer ersten Stufe wird versucht, den Neuling in seinen bisherigen Sicherheiten, Wertmaßstäben und Erklärungsmodellen so nachhaltig zu erschüttern, daß er nach neuem Boden unter den Füßen tastet. In diese grundlegende Labilisierungsphase hinein werden in einer zweiten Stufe neue, gruppeneigene Denk- und Verhaltensstrukturen implantiert, die neue Sicherheiten zu bieten scheinen. Durch Übungen, Aufgaben u. ä. und stützende Rahmenbedingungen werden diese neuen Denk- und Verhaltensstrukturen in einer dritten Stufe eingeübt und fixiert.

Zunächst muß festgehalten werden, daß die Diagnose "psychische Abhängigkeit" überwiegend eine der Außenwahrnehmung des Umfelds ist. Verwandte, Freunde, Kollegen nehmen beim Anhänger einer Gruppe einen Verlust seiner Denk- und Handlungsautonomie bzw. deren Delegation an die Gruppe bzw. den Führer wahr. Er erscheint als ein Echowesen seiner Gruppe und seines Führers.

Angehörige bezeichnen ihn daher als psychisch abhängig, während er selbst sich als seiner Lehre entsprechend umfassend verbindlich lebend und als für die einzig richtige Sache in hohem Maß engagiert begreift. Dem begeisterten Anhänger stehen die entgeisterten Angehörigen gegenüber. Nur wenige Anhänger verstehen sich selbst als Abhängige; möglich wird dies ohnehin allein in einer Phase des Zweifels an oder des Konflikts mit der Gruppe, in der über einen Austritt nachgedacht wird. An diesem Punkt werden Anhänger ihrer tiefreichenden Verlustangst gewahr und damit des Ausmaßes ihrer Bindung, das sie einer freien Selbstbestimmtheit beraubt hat.

Der Experte Hansjörg Hemminger, der sich intensiv mit dem Markt der Sinnanbieter auseinandergesetzt hat, definiert die psychische Abhängigkeit von einer extremen religiösen oder weltanschaulichen Gruppe wie folgt: "Der Begriff ´psychische Abhängigkeit` wird benutzt für die ungewöhnlich starke und ungewöhnlich exklusive, deutlich oder sogar überwiegend angstmotivierte Bindung eines Individuums an eine Gemeinschaft, die mit religiösen oder weltanschaulichen Begründungen einen umfassenden bis totalen Einfluß auf die Lebensorientierung und Alltagsgestaltung ihrer Mitglieder ausübt."(4)

Angehörigen indizieren spezielle Verhaltensweisen als "psychische Abhängigkeit", die in jedem Falle markante Verhaltensänderungen im Vergleich zur Zeit vor dem Eintritt in die Gruppe darstellen. Als solche gelten:


5.4. Gewichtung des Einzelfalls


Häufig wird von Angehörigen nach dem Grad der Gefährlichkeit einer Gruppe gefragt. Daran allein hofft man das Risiko einer psychischen Abhängigkeit gewichten zu können.

Die Erfahrung lehrt dagegen, daß Menschen auch in potentiell konfliktträchtigen Gruppen ganz unterschiedlich reagieren: Wird ein Anhänger binnen kurzer Zeit zum fanatischen Anhänger der eigenen Gruppe mit paranoidem Feindbild und allen Merkmalen einer psychischen Abhängigkeit, bleibt ein anderer dauerhaft an der Peripherie der Gruppe, fühlt sich im Grunde zugehörig, hält aber partiell kritische Distanz und vielleicht gar Freundschaft mit Außenstehenden, leidet an den offensichtlichen Unzulänglichkeiten seiner Gruppe und verzichtet auf eine Binnenkarriere.

Angehörige folgen der verständlichen Neigung, die Schuld an der psychischen Auffälligkeit des Anhängers und seiner Probleme ausschließlich aus seiner Anhängerschaft erklären zu wollen. Die Gruppe habe den vorher "heilen" Angehörigen einer "Gehirnwäsche" unterzogen. Das Gefährdungspotential von Manipulationstechniken ist nicht von der Hand zu weisen. Dennoch gilt es, mit dem Blick auf einen Ausstieg und eine mögliche stabile Neuorientierung im Leben des Aussteigers "hinter die Kulissen" zu schauen. Der gebräuchliche Begriff "Gehirnwäsche" führt allzu leicht in die Irre, suggeriert er doch die Existenz einer nur aktiven und einer nur passiven Seite.

Außer bei Kindern, die durch die Mitgliedschaft ihrer Eltern in der geschlossenen Welt einer konfliktträchtigen Gruppierung aufwachsen und sich Wirklichkeit in ihrer Vielfalt erst gar nicht erschließen können, hat sich jeder Anhänger einer Gruppe zunächst - mehr oder weniger - freiwillig zu einem Kontakt entschlossen. Er war fasziniert und glaubte das gefunden zu haben, nach dem er bislang vergeblich auf der Suche war. Dieser Suche und den Ursachen, weshalb die Suche in eine konfliktträchtige Gruppe und psychische Abhängigkeit führte, gilt es für Angehörige auf den Grund zu gehen. Gibt es eine tieferliegende psychische Problemkonfiguration des einzelnen Anhängers, die diesen Prozeß zumindest mit ermöglicht hat? Eine nicht bewältigte Entwicklungsaufgabe(6) beispielsweise kann den individuellen Entscheidungs- und Handlungsspielraum so weit einschränken, daß die regressive Lösung gewählt wird: Die Gruppe übernimmt Neudefinition, Entscheidung und Verantwortung für das Leben des einzelnen und "entlastet" dadurch von Druck - aber auch von Selbstbestimmung.

Vielfach also ist nicht allein die konfliktträchtige Gruppe Ursache, sondern wirkte als Symptom durch ihre Merkmale und Strukturen zu einer Verlagerung oder Verschärfung einer bereits vor dem Eintritt bestehenden Schwierigkeit. Diese Verschärfung kann im Einzelfall bis hin zu psychischer Erkrankung führen, die möglicherweise ohne die katalysierende Wirkung der Gruppe nicht zum Ausbruch gekommen wäre.


Quellenverzeichnis:
1 Diese vorgegebenen Bahnen folgen einer Binnenlogik diverser Zirkelschlüsse, die "Außenlogik" für den abhängigen Anhänger außer Kraft zu setzen vermag und zu Verabredungen kollektiver Blindheit führen kann (Der Wahn entbehrt, solange er anhält, nicht einer inneren Logik. Goethe/ Wilhelm Meister.) So kann beispielsweise in einer Gruppe, die für ihre Lehre den "Weg zur Freiheit" reklamiert, durchaus tief in die Privatsphäre (Kleidungsvorschriften, Informations- und Medienabstinenz etc.) eingegriffen werden, ohne daß es von Anhängern noch als Widerspruch wahrgenommen wird. "Freiheit zu" selbstbestimmtem Leben im Sinne des GG wird hier zu "Freiheit von" der Notwendigkeit Entscheidungen zu treffen.
2 Als solche gelten u. a.: Marathonsitzungen von 12 und mehr Stunden täglich, Schlaf-, Essens-, Reizentzug, Hypnose, Meditation, Trance, Einsatz halluzinogener Mittel
3 Als ein Beispiel kann die semantische Redefinition des Begriffs "Ethik" in der Scientology-Organisation (SO) gelten: "Der Zweck von Ethik ist: GEGENABSICHTEN AUS DER UMWELT ZU ENTFERNEN. Nachdem das erreicht ist, hat sie zum Zweck, FREMDABSICHTEN AUS DER UMWELT ZU ENTFERNEN. Dadurch ist Fortschritt für alle möglich." (Hubbard: Das Handbuch für den ehrenamtlichen Geistlichen, Kopenhagen 1980) Kritiker und Andersdenkende "zu entfernen" ist gewiß nicht das, was in unserer Gesellschaft als Konsens ethischen Handelns gilt, die damit die grundgesetzlich geschützten Werte assoziiert. Die positive Besetzung des Begriffs "ethisches Handeln" wird von der SO als Trägersubstanz genutzt, um diesem diamentral entgegenstehende Inhalte hoffähig zu machen. Nach gleichem Prinzip bezeichnet die SO Kritiker an ihrer Organisation als "Verbrecher".
4 H. Hemminger: Psychische Abhängigkeit in extremen religiösen und weltanschaulichen Gemeinschaften, in: Materialdienst der EZW 9/97, S. 261
5 ebenda, S. 258
6 Entwicklungsaufgaben können pro- oder regressiv bewältigt werden. Eine progressive Bewältigung schöpft aus dem in der individuellen Lebensgeschichte erworbenen Instrumentarium und erweitert damit das vorhandene Potential um eine Bewältigungsstrategie. Ein Scheitern aber erweitert das vorhandene Instrumentarium nicht nur nicht, sondern es mindert es und greift auf andere Lebensbereiche über. (Nach Dr. W. Kindermann, Hessisches Ministerium für Umwelt, Energie, Familie und Gesundheit). Wurde beispielsweise das Studium kurz vor dem Examen wegen Prüfungsangst abgebrochen, ist die Angst vor Prüfungen eher gewachsen und wird möglicherweise forthin in alle Situationen, die im weitesten Sinne als Bewährung empfunden werden, nachhaltig hineinwirken. Die Wahrscheinlichkeit eines ausweichenden, angstbesetzten Verhaltens auch in anderen Lebenssituationen ist gestiegen. Dann hat die Gruppierung gute Chancen, die Intellektualität und Leistung geringschätzt und eine eher spirituelle Binnenleiter mit klar definierten Sprossen offeriert. Damit wird echtes Scheitern (außerhalb der Gruppe) positiv umgedeutet. Für die entstandene Leerstelle werden Pseudobewährungssituationen (innerhalb der Gruppe) gesetzt, die allerdings nur im Binnenraum der Gruppe eine für den Betroffenen kompensierende Wirkung entfalten.


6. Zum Umgang mit dem vorliegenden Bericht


Der besseren Lesbarkeit halber ist auf einen ständige Spezifizierung von Gruppe, Gruppierung, Angebot und Anbieter durch "religiös, weltanschaulich, Psycho-" verzichtet worden. Gemeint sind jedoch immer nur Gruppen, die im weitesten Sinne in dieses Spektrum einzuordnen sind oder diesem von außen assoziativ zugeordnet werden.

  1. Nicht alle im allgemeinen Teil beschriebenen Merkmale, Strukturen und Voraussetzungen treffen für alle dargestellten Gruppen gleichermaßen zu. In Sonderheit weist der allgemeine Teil auch über die beschriebenen Gruppen hinaus in den gesamten Markt hinein, soll zu eigenständiger, mündiger Bewertung befähigen und damit die Eigenverantwortung des einzelnen mit Information unterfüttern.
  2. Die folgenden Darstellungen zu den einzelnen Gruppen fußen auf Primärquellen (eigenen Veröffentlichungen) der Gruppen, auf wissenschaftlichen Texten, Sekundärquellen und einer Vielzahl von Berichten Angehöriger und ehemaliger Anhänger. Das Quellenverzeichnis belegt der Übersichtlichkeit halber nur einen geringen Teil der vorhandenen und herangezogenen Materialien.
  3. Die Textbeiträge zu den einzelnen Gruppen beanspruchen nicht, eine umfassende Darstellung von Lehre und Leben der jeweiligen Gruppe zu bieten, sondern zielen auf eine Information, die die oft interessengeleitete Selbstdarstellung der Gruppen ergänzt. Zwangsläufig mußten im engen Rahmen dieses Berichts viele Aspekte außer acht gelassen werden.
  4. Es ist versucht worden, möglichst viel aus Materialien der Gruppen selbst zu zitieren. Die Zitate sprechen für sich, und der Leser mag sie zusammenschauen mit im einleitenden Teil erläuterten Merkmalen und Strukturen konfliktträchtiger Gruppen (siehe Abschnitt 5.2.) und den Checklisten (siehe Abschnitt 9.3., 9.4.). Die Länge der Zitate soll dem häufigen Vorwurf der Gruppen begegnen, daß aus dem Zusammenhang gerissen zitiert und damit Inhalte verzerrt würden.
  5. Für alle Gruppen gilt, daß natürlich eine Vielzahl von aktuellen Anhängern für sich ein positives Fazit der Mitgliedschaft zieht, das diese Schrift weder in Abrede stellen noch werten will, indem sie sich auf "Risiken und Nebenwirkungen" konzentriert und ihrer Aufgabe nach ergänzender Information nachkommt.
  6. Die in dieser Schrift näher beschriebenen Gruppen sind in Berlin aktiv und/oder haben eine hohe Anfragenfrequenz bei der zuständigen Senatsverwaltung ausgelöst.

Die Darstellung ist exemplarisch angelegt. Ausgewählt wurden Anbieter, die - korrespondierend zur Anfragenfrequenz - als repräsentativ für bestimmte Marktsegmente betrachtet werden können. Die Schrift wäre mißverstanden, sähe der Interessierte in ihr eine - womöglich gar vollständige - Liste der "gefährlichen Gruppen". Vielmehr weist der Bericht auch auf positive Tendenzen und Wandlungsprozesse innerhalb konfliktträchtiger Gruppen hin.

Diese Schrift soll aufklären und somit präventiv wirken. Sie soll Menschen dabei helfen, potentiell konfliktträchtige Gruppen oder Einzelanbieter erkennen zu können und zu sachlicher Auseinandersetzung ermutigen; sie soll Beitrag sein, sowohl vor allzugroßer Naivität als auch vor Angst im Umgang mit diesem Phänomen zu bewahren.


7. Ausgewählte Anbieter
7.1. Gruppen mit christlichem Hintergrund:
7.2. Gruppen mit heidnischem Hintergrund:
7.3. Gruppen mit hinduistischem Hintergrund:
7.4. Anbieter von Lebenshilfe:

kommerziell:

nicht kommerziell:

7.5. Okkultismus/Satanismus
7.6. Sogenannte Strukturvertriebe


7.1. Gruppen mit christlichem Hintergrund
7.1.1. Fiat Lux (Uriella)
7.1.2. Gemeinde auf dem Weg Evangelische Freikirche e. V.
7.1.3. Gemeinde Jesu Christi e. V. (Boston Church)
7.1.4. Universelles Leben (Heimholungswerk Jesu Christi)
7.1.5. Vereinigungskirche e. V. (Mun-Bewegung)


7.1. Gruppen mit christlichem Hintergrund


Ihr Lieben, glaubt nicht einem jeden Geist
sondern prüft die Geister, ob sie von Gott sind;
denn es sind viele falsche Propheten
ausgegangen in die Welt.

Bibel, 1. Joh. 4, Vers 1(1)

Waren es in den 70er und beginnenden 80er Jahren noch Gruppen vorwiegend vor hinduistischem Hintergrund, die Zulauf genossen, so ist spätestens seit Mitte der 80er Jahre eine sukzessive Verlagerung der Attraktivität hin zu Gruppen vor christlichem Hintergrund zu verzeichnen. Im Rahmen dieses Berichts ist es nicht möglich, die Ursachen für diesen Trend auszuloten. Möglicherweise ist der Hinduismus trotz aller "Verwestlichung" für viele zu fremd geblieben, was schließlich u. a. eine Besinnung auf die christlichen Traditionen des Abendlandes auslöste.

Konfliktträchtige Gruppenneubildungen in diesem Spektrum sind geprägt von Exklusivitätsansprüchen und verstehen allein sich als das wiederhergestellte authentische Christentum in Abgrenzung zur Vielfalt christlicher Kirchen und Strömungen, denen pauschal eine Verfälschung des Ursprünglichen zugeschrieben und wirkliches Christsein abgesprochen wird. Programmatisch weisen bereits die Begrifflichkeiten darauf hin: Man bezeichnet sich selbst als "urchristlich" oder "erweckt". Die Gemeinsamkeit dieser Neugründungen erschöpft sich inhaltlich allerdings in ihrem Bezug auf einen christlichen Hintergrund.

Bisweilen werden Elemente anderer Religionen und Zeitströmungen in die eigene Theologie eingeordnet; Führer gelten als Medien Gottes, als lebende Offenbarungsquellen, und sorgen für eine als objektiv verstandene subjektive Theologie, der nahezu täglich neue Offenbarungen zufließen können. Der christliche Hintergrund verliert an prägender Wirkung.

Andere Gruppen lehnen nähern sich eher christlich-fundamentalistischen Positionen, die in den einzelnen Gruppen unterschiedliche inhaltliche und strukturelle Ausprägung erfahren. Bestimmte Aspekte christlicher Frömmigkeit werden stark betont. Auch hier stehen die Gemeindeleiter oft jenseits kritischer Hinterfragbarkeit, berufen sie sich doch in ihren Aussagen auf ihr betendes Gespräch mit Gott, dessen Ergebnisse sie lediglich kolportieren. Unterordnung unter diese irdische Autorität wird gleichgesetzt mit biblisch gefordertem Gehorsam unter Gottes Willen. In manchen Gruppen werden ekstatische Phänomene als wirkmächtige Zeichen Gottes gedeutet und negative Phänomene des menschlichen Daseins (z. B. Krankheiten) in bisweilen breit entfalteten Erklärungsmodellen als dämonisch verursacht interpretiert; weitreichende Heilungs- und Erfolgsversprechen werden postuliert, nicht selten verbunden mit exorzistischen Praktiken. Das Gelingen oder Scheitern allerdings wird subjektiviert und von der Glaubensfestigkeit des einzelnen abgeleitet.

Die im folgenden ansatzweise beschriebenen Gruppen sind sehr unterschiedlich in Struktur, Theorie und Praxis wie dem Grad ihrer inhaltlichen Anbindung an den christlichen Hintergrund.


Quellenverzeichnis:
1 Lutherbibel (revidierte Fassung), Deutsche Bibelgesellschaft Stuttgart 1985, S. 267


7.1.1. Fiat Lux


URIELLA, du Brücke ins Neue Äon,
du kannst es jetzt sehen durchs Schlüsselloch schon.
Die Reinigung der Menschheit und Erde kommt schnell,
beendet dies Äon, dessen Zeit nun vergeht.
Für viele ist's leider in Kürze zu spät.
URIELLA, das Kreuz ist auch Brücke zugleich.
Es leitet uns heim in das göttliche Reich.

Fiat Lux Gesänge(1)

Gründung

Der Orden Fiat Lux (Es werde Licht) versteht sich als Neuoffenbarungsbewegung. Inhaltlich weist sie weit über einen christlichen Hintergrund hinaus. Gründerin der Gemeinschaft ist die Schweizerin Erika Bertschinger-Eicke (geb. 1929), die zusammen mit ihrem ersten Mann den Zirkel aufbaute, der zuvor unter dem Namen "Lichtquell Bethanien" bekannt wurde. Frau Bertschinger gab sich selbst den spirituellen Namen "URIELLA"; ihr dritter Ehemann nennt sich "ICORDO".

Im Jahre 1971 habe Frau Bertschinger ihre Gabe zum Heilen entdeckt; 1973 sei sie nach einem Sturz vom Pferd hellsichtig geworden.(2) Sie erhebt den Anspruch, "Volltrance-Sprachrohr Gottes" zu sein: Seit dem 07.05.1977 empfange Uriella Neuoffenbarungen von Jesus Christus, später auch der Gottesmutter Maria, die sie in der Ich-Form an ihre Anhänger weitergibt.

Die Gründung des Ordens Fiat Lux erfolgte in Egg/Zürich.

"Die Hauptaufgabe des ORDENS besteht darin, die Menschen in die geistigen Gesetze und Gebote GOTTES einzuführen, sie darin zu schulen und ihnen - soweit als möglich - zu helfen, das Ziel ihres Lebens, das in der göttlichen Selbstverwirklichung sowie in der Einswerdung mit der gesamten Schöpfung im Dies- und Jenseits liegt, zu erreichen. (...) Ausgangs- und Zentralpunkt ist das Heiligtum in EGG/ZH, Schweiz, wo sich JESUS CHRISTUS und auch die Jungfrau MARIA durch das Sprachrohr GOTTES: E.B.-W.- alias URIELLA - kundgeben."(3)

Programmatik

Die Lehre der Organisation Fiat Lux enthält Elemente aus verschiedenen religiösen, esoterischen und spirituellen Strömungen: den Glauben an Jesus Christus, Lichtwesen, Elementar- und Naturgeister, unsichtbare Odströme, Reinkarnation, Äther- und Astralleib, Bachblüten, Spagyrik, an eine augenblickliche "Vor-Weltuntergangsphase" und einen göttlichen Heimführungsplan. "Aus Reinkarnationslehre, Karma-Gedanken, Farbenlehre, spiritistischen Quellen, alternativer Medizin, ökologischen Ideen u. a. wird synkretistisch eine neue, als göttlich offenbarte Lehre erstellt, deren einzige Vermittlerin Erika Bertschinger ist und deren Inhalt das gesamte Bibelwissen und alle Weisheitsbücher der Erde übertreffen. Daraus wird ein nicht hinterfragbarer Wahrheitsanspruch abgeleitet. Apokalyptische Erwartungen und die Hoffnung auf Rettung durch Raumschiffe sind wichtige Elemente der Offenbarungen."(4)

* Apokalyptische Vorstellungen
eines nahen Weltenendes werden propagiert, Rettung biete die Mitgliedschaft im Orden:
"- Wird die Erde durch einen Unglücksstern und Feuer, das vom Himmel fällt, zerstört?
- Werden der Polsprung und die vorausgesagte dreitägige Finsternis noch bis zum Jahr 2000 erfolgen?
- In was besteht die grosse Mahnung GOTTES an die Erdenbürger?
- Wie überlebt das prophetisch festgelegte Drittel der Menschheit die bevorstehende Reinigung?
- Auf welche Weise können wir uns auf die Katastrophen und das 'Tausendjährige Friedensreich' vorbereiten?"(5)

* Regeln
Da der Anspruch erhoben wird, Frau Bertschinger sei "Sprachrohr Gottes", werden ihre "Offenbarungen" von den Anhängern als absolut richtig und nicht hinterfragbar betrachtet. Zu den Ordensregeln gehören die Unterordnung unter die "Offenbarungen". Regeln gelten für Meditationspraxis und die gesamte Lebensführung. Es sei weiße Kleidung zu tragen, werde absolute Reinlichkeit, Ordnung und Enthaltsamkeit (Sexualität, Ernährungs- und Fastenordnung) und Verzicht auf Radio, TV und Presse gefordert.

* Heilung
Frau Bertschinger wirkt als Geist- und Naturheilerin und betreibt einen Heilmittelversand. So stellt sie beispielsweise "himmlisches Athrum-Wasser" her, indem sie vor einer Badewanne mit Leitungswasser kniend mit der linken Hand mit einem Silberlöffelchen 21 Minuten lang im Linksdrall "kosmische Heilstrahlen" einrührt.(6)

Insbesondere auch der unbegrenzte Heilungsanspruch der Gruppe ("Jede Krankheit kann geheilt werden"(7)) bergen für den einzelnen potentielle Gefahren. U. a. in diesem Zusammenhang stand die Geistheilerin Uriella bereits mehrfach vor Gericht, zuletzt 1996 vor dem Landgericht Waldshut wegen fahrlässiger Tötung. Eine Anhängerin war an einer Mittelohrentzündung, die schließlich eine Hirnhautentzündung nach sich zog, gestorben; eine weitere erlag einer Blutvergiftung. Frau Bertschinger-Eicke wurde beschuldigt, die Behandlung mit "Heilstrom", Schwedenkräutern, Bachblüten und Ringelblumen übernommen und das Hinzuziehen eines Arztes verhindert zu haben. Das Gericht sprach sie frei, weil ihr nicht letztgültig nachgewiesen werden konnte, die Anhängerinnen von einem Arztbesuch abgehalten zu haben.

Damit benennt das Gericht Freiheitsrisiken, die dem einzelnen auch den Gebrauch der eigenen Freiheit zu seinem Nachteil erlauben müssen. Für den Gesetzgeber ist auch der indoktinierte Anhänger ein selbstbestimmter Mensch. Die moralische Verantwortung einer ideologisierten Gruppe und deren Führer entzieht sich einer Gerichtsverwertbarkeit.

Sitz

Das Zentrum befindet sich Egg/Zürich; es gibt weitere Filialen u. a. in Schwellbrunn, Ibach und Strittmatt.


Quellenverzeichnis:
1 in: Grandt/Bender: Fiat Lux, Uriellas Orden, S. 91
2 Gasper/Müller/Valentin (Hrsg.): Lexikon der Sekten, Sondergruppen und Weltanschauungen, Verlag Herder Freiburg im Breisgau 1990, Neuausgabe 1994, S. 289
3 Werbeblatt des Ordens Fiat Lux, ohne Datum, S. 1
4 Gasper/Müller/Valentin (Hrsg.), a. a. O. S. 290
5 Fiat Lux-Zentrum, Stiftung Bethanien, "Gottes Glocken läuten Sturm", Ibach Oktober 1991
6 Herrmann-Josef Beckers, Helmut Kohle: Kulte, Sekten, Religionen, Pattloch Verlag 1994, S. 231 f.
7 Fiat Lux: Bestellschein für Neu-Offenbarungen von Jesus Christus (in Schriftform und als Tonbandkassette)


7.1.2. Gemeinde auf dem Weg Evangelische Freikirche e. V.


Wir entscheiden uns selbst für die Unwahrheit,
weil ja die Gedanken des Bösen immer unwahr sind,
und wir empfangen damit die Lüge.
Und das ist Sünde.

Wolfhard Margies(1)

Gründung

Im Jahre 1980 wurde die "Evangelische Freikirche Wilmersdorf e. V.", die sich zwischenzeitlich auch "Evangelische Freikirche Wilmersdorf e. V. - Philadelphia-Gemeinde" nannte, gegründet. 1992 erfolgte erneut ein Namenswechsel in Gemeinde auf dem Weg Evangelische Freikirche e. V. Diese Gründung ging maßgeblich von dem Arzt Dr. Wolfhard Margies aus, der die Gruppe bis heute als Laienprediger leitet. Die Gründungssatzung weist als eine Voraussetzung für die Mitgliedschaft aus, daß das Mitglied "sich in Demut und Sanftmut seinen Glaubensgeschwistern unterordnen will".(2) Im Jahr 1996 kam es nach internen Konflikten insbesondere um Finanzen, wie ehemalige Mitglieder berichteten, zu einer Spaltung der Gruppe: Zwei Laienprediger und ca. 70 Mitglieder zogen aus und gründeten den Verein "Neues Land e. V.". Einige Mitglieder verließen den Verein "Gemeinde auf dem Weg" ohne dem neuen Verein beizutreten.

Programmatik

Der Verein fühlt sich als Teil der neo-charismatischen Bewegung, die sich als eine Erweckungsbewegung auf christlicher Grundlage versteht. In der Außenwahrnehmung weisen insbesondere die Positionen des Leiters des Vereins "Gemeinde auf dem Weg e. V." auf einen Randplatz innerhalb der charismatischen Bewegung hin.

Um sachlicher Fehlinterpretation vorzubeugen soll deshalb an dieser Stelle ausdrücklich hervorgehoben werden, daß mit der Darstellung von Konfliktträchtigkeit des Vereins "Gemeinde auf dem Weg e. V." nicht die charismatische Bewegung oder charismatische Frömmigkeit als solche verwechselt werden darf, da der größte Teil dieser Bewegung ganz offensichtlich keine Konfliktträchtigkeit aufweist bzw. auftretende Probleme konstruktiv zu lösen versucht.(3)

Inhaltlich betont werden die sogenannten "Gnadengaben" (Charismen), die der einzelne Christ erhalte, wenn er sein Leben "übergebe", sich dem Heiligen Geist öffne und der "biblischen Lebensweise" in einem wortwörtlichen Verständnis der Bibel in der Form, in der es von den Gemeindeleitern verstanden wird, entsprechend verbindlich lebe. Phänomene beim einzelnen Gläubigen wie Glossolalie(4), rhythmisches Zucken des Körpers, krampfhaftes Lachen oder Weinen und ein bewußtloses Auf-den-Boden-Fallen (sogenanntes "Ruhen im Geist") unter der Handauflegung und/oder Salbung durch besonders geistbegabte Leiter gelten als besondere Manifestationen des Heiligen Geistes und werden als solche hochgeschätzt.

Von Betroffenen des Vereins "Gemeinde auf dem Weg" ist zu verschiedenen Aspekten Konfliktpotential vielfach berichtet, kann aber an dieser Stelle nur exemplarisch und ansatzweise beschrieben werden:

* Dämonenlehre

Der Gemeindeleiter der "Gemeinde auf dem Weg" vertritt eine umfassende Dämonenlehre.

Der "dämonisch gebundene Mensch" habe Eintrittspforten für Dämonen geöffnet oder auch eine solche Schuld von Vorfahren ererbt. "Wer mit diesen Verfahren in direkte Berührung gekommen ist, öffnet sich für die dahinter stehenden okkulten Mächte. Es kommt zu einem regelrechten Übertritt dieser Kräfte."(5) Für "dämonische Gebundenheit" bietet der Verein sogenannten "Befreiungsdienst" - Dämonenaustreibung - an, denn "die dämonischen Rückstände im Sinne eines veränderten Verhaltens bei jemandem, der auch nur einmalig mit magischen und abergläubischen Dingen zu tun gehabt hatte, sind immer bei diesem erkennbar und erfahren auch keine Alterung, selbst nicht über Jahrzehnte."(6) Als dämonisch werden beispielsweise Krankheiten, andere Religionen, charakterliche Eigenarten und Verhaltensweisen bis hin zu Formen der Müsli-Diät interpretiert:

Fürwahr. Denn nahezu alles scheint dämonischer Ursache sein zu können. Die Diagnose kann der einzelne Gläubige, so berichteten Betroffene, selbst nicht mehr stellen; die Definitionsautorität für diese Phänomene und damit seine Handlungsautonomie gebe er naheliegend an seine geistlichen Leiter ab und läuft damit Gefahr, eine psychische Abhängigkeit aufzubauen. Wie vollständig geschlossen das System ist, zeigt sich im Akte der "Austreibung der Dämonen". Hier sei es üblich, daß die Dämonen Ablenkungsmanöver in Gang setzten, um sich der Vertreibung zu widersetzen. Zu diesen Dämonenmanövern gehören:

"Gedanken des Zweifels: 'Das hat ja doch alles keinen Sinn. Was soll das überhaupt alles? Wo bin ich hier gelandet?...'.

Gedanken der Lächerlichkeit: 'Das ist alles unsinnig. Was für ein blöder Spuk. Das ist ja zum Totlachen.' (...) Man muß wissen, daß solche Abwehrformen der dämonischen Kräfte regelmäßig vorkommen."(12)

Allein das Auftreten dieser Gedanken also gilt wiederum als ein Beweis für das Vorhandensein der Dämonen, als ihr Werk.

Betroffene berichteten von psychischen Schwierigkeiten durch die Last von Schuldgefühlen, die durch diese Lehre und Praxis bei ihnen ausgelöst worden seien. So sei beispielsweise Krankheit als Folge einer Sünde und damit als Schuld interpretiert worden. Aber auch bei einem Mißlingen von geistlicher Heilung bzw. "Dämonenbefreiung" durch geistliche Leiter sei dem unverändert Kranken mangelnde Glaubensfestigkeit bzw. erneute Sündhaftigkeit oder weitere Dämonenbesessenheit attestiert worden. Bisweilen habe man sich gefürchtet, so berichten Betroffene, notwendige ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, um nicht damit bereits wieder einen Beleg fehlender Heilungsgewißheit zu liefern.

* körperliche Züchtigung von Kindern

Anlaß zu kritischen Fragen gibt auch die in dem Verein u. a. vertretene Ansicht zur körperlichen Züchtigung von Kindern. So ist noch 1997 im Buchladen des Vereins ein Buch des Leiters Dr. Margies aus dem Jahre 1983 käuflich zu erwerben, das propagiert:

"... Noch einen praktischen Rat zur Erziehung der Kinder. Die Bibel empfiehlt, auf die körperliche Züchtigung nicht zu verzichten. ...
Wenn christliche Eltern ihre Kinder züchtigen, dann dürfen sie es nur tun, wenn sie sie lieben. (...) Die humanste Strafe ist mithin die angemessene körperliche Züchtigung, die seelisch nicht verbiegt und vom sofortigen Erweis der Liebe gefolgt, ja begleitet sein soll. Daß Gottes Wort sagt, daß durch körperliche Zucht dem Kind Weisheit gegeben wird, ist auf dem Hintergrund der Tatsache, daß alle Menschen von Natur aus böse sind, eine ungeheure, kaum verstehbare, aber schöne Aussage.
"(13) Jahre später geht der Gemeindeleiter noch einen Schritt weiter: "Geliebt und gezüchtigt zu sein, das bedeutet, angenommen zu sein. Keine Liebe oder keine Züchtigung zu erfahren, das ist gleichbedeutend mit dem Zustand, ausgestoßen und kein Kind zu sein. Oder anders ausgedrückt: Kind sein bedeutet untertan sein unter die elterliche Erziehung, das heißt geliebt und gezüchtigt sein. Und das wiederum ist identisch mit angenommen sein."(14)

* "geistliche Kampfführung"

Im Umgang mit feindlichen Mächten spricht der Vereinsleiter eine militante Sprache. Hier gehe es um "das Mittel geistliche Kampfführung, mit dem wir den geistlichen Bombenhagel, der systematisch und ununterbrochen aus der Atmosphäre auf einzelne Personen, Kulturen, Nationen und Gruppen herniedergeht, abfangen, auflösen und unwirksam machen."(15) "Der Kampf geht um Gedanken. Ohne unsere Aufnahme von fremden und lügenhaften Gedanken kann der Feind uns nicht unter seine Kontrolle bringen. (...) Wir bedrängen diese Kräfte selbst (...) und unterbinden ihre Produktion von lügenhaften Gedankengebäuden und einzelnen attackierenden Gedankenanschlägen bzw. vernichten diese auf ihrem Weg zum Menschen."(16)

Bereits das Gemeindeblatt des Vereins aus dem Jahre 1989 leitet mit der Frage ein: "Ist der totale geistliche Krieg endgültig ausgebrochen?"(17)  Ziele des beherzten "geistlichen Kämpfens" seien "die Kontroverse mit einer Landeskirche, Diffamierung durch den Rundfunk, Bedrückung durch den Senat unserer Stadt und private Initiativen von Rechtsanwälten ...; geistliche Kampfführung muß zum Lebensstil einer Gemeinde und des einzelnen Christen werden, wenn wir tatsächlich die Gesellschaft verändern wollen. Wir dürfen hier nicht kleckern, sondern wir müssen klotzen."(18)

Um Mißverständnissen vorzubeugen, liefert das Blatt seinen Mitgliedern eine klare Definition: "Geistliche Kriegsführung ist nicht lauteres und drängenderes Gebet. Geistliche Kriegsführung, die Erfolge erreichen will, beruht auf einer Innenvorstellung von dem, was mit dem Feind passiert ist und der totalen Entschlossenheit, den atmosphärischen Befreiungsdienst zu vollziehen."(19)

Die Aufforderung zum "geistlichen Kampf" gilt für jedes Vereinsmitglied: "Die einzig richtige Reaktion auf die uns vom Herrn übertragene Autorität besteht darin, sie zu gebrauchen. Gleichsinnig sollte auch unsere Antwort auf das Gebot des Kämpfens sei: Zu Befehl, Herr!
Alles andere ist Kriegsdienstverweigerung."(20)

* Schwierigkeit der Unterscheidung

Schwer ist es für Gläubige nach eigenen Aussagen, die Meinungen und Handlungsstrategien der Leiter, die als besonders "gesalbt" gelten und hohes Ansehen genießen, kritisch zu hinterfragen oder gar abzulehnen: Diese beriefen sich oft auf einen direkten Kontakt mit Jesus Christus im Gebet, in welchem ihnen diese Inhalte mitgeteilt worden seien. Diese notwendige "Scheidung der Geister" bezeichnen Aussteiger aus der Gemeinde, die Christen bleiben wollen, als einen schmerzhaften und langwierigen Prozeß.

* Rechtliche Auseinandersetzung

Der Verein "Gemeinde auf dem Weg e. V." begehrte gegen seine Beschreibung im Bericht der Senatsverwaltung für Jugend und Familie (Stand Oktober 1994) vor dem Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht erfolglos den Erlaß einer einstweiligen Anordnung.

Die Scientology-Zeitschrift "Freiheit" zitiert eine Äußerung des Leiters der "Gemeinde auf dem Weg", Wolfhard Margies, gegenüber einer amerikanischen Zeitschrift: "Jemand, der sich für seinen Glauben einsetzt, wird von der Regierung als verdächtig erachtet. Sie benutzen Methoden, um uns zu ächten, uns zu verbannen, uns auszustoßen, uns zu verleumden."(21)

Die Klage im Hauptsacheverfahren ist vor dem Verwaltungsgericht Berlin anhängig.

Sitz

Das Berliner Zentrum befindet sich im Bezirk Schöneberg. Der Verein gibt seine Größe mit ca. 700 eingetragenen Mitgliedern an


Quellenverzeichnis:
1 W. Margies: Befreiung, Aufbruch Verlag der Gemeinde auf dem Weg, 3. Auflage 1993, S. 23
2 Gründungssatzung Evangelische Freikirche Wilmersdorf e. V. vom 12.07.1980 § 3
3 siehe die Diskussion um "geistlichen Mißbrauch" in: Materialdienst der EZW 12/97, S. 377 f.
4 sogenanntes Zungenreden
5 W. Margies: Befreiung, Aufbruch Verlag der Gemeinde auf dem Weg, 3. Auflage 1993, S. 47
6 ebenda S. 44 f.
7 ebenda S. 217
8 ebenda S. 45 f.
9 ebenda S. 46
10 ebenda S. 39
11 ebenda S. 40
12 ebenda S. 202
13 W. Margies: Heilung durch sein Wort, Band 2, Die geistliche Behandlung seelischer und körperlicher Krankheiten, Stiwa Verlag Urbach (Schriftenreihe der Geschäftsleute des vollen Evangeliums, Internationale Vereinigung), 4. Auflage 1983, S. 73 f.
14 W. Margies: Befreiung, a. a. O. S. 85
15 Hartwig Henkel, Wolfhard Margies: Der Aufstand der Beter, Aufbruch Verlag der Gemeinde auf dem Weg, 1. Auflage 1992, S. 101
16 ebenda, S. 100
17 W. Margies: Geistliche Kriegsführung ... und kein Ende? in: Gemeindeblatt der Philadelphia-Gemeinde 1989, S. 5
18 ebenda
19 ebenda S. 6
20 H. Henkel, W. Margies: Aufstand der Beter, a. a. O. S. 105
21 Scientology-Zeitschrift: Freiheit, Herbst 1997, S. 25 unter Berufung auf: Charisma, November 1995, Strang Communications CO., USA


7.1.3. Gemeinde Jesu Christi e. V. (Boston Church of Christ)


Kennst du die Namen der Ältesten/Leiter
in der Gemeinde? Bist du auf sie zugegangen, seitdem du
Christ geworden bist? Hast du ihnen gezeigt,
daß du dich ihnen von Herzen unterordnen möchtest ...?(1)

Gründung

Die Boston Church of Christ (BCC) wurde 1979 von dem Amerikaner Kip McKean gegründet. McKean gehörte der sogenannten "Shepherding"- bzw. der "Multiplying Ministries-Bewegung" an. Bei dieser Methode bzw. Organisationsform ist jedes Mitglied einer Gruppe (Gemeinde) einem sogenannten "Shepherd" (Hirten) unterstellt, "der für sein 'geistliches Wachstum verantwortlich' sein soll und der letztlich die wichtigsten Lebensentscheidungen für seine 'Schafe' trifft bzw. beeinflußt. Aufbauend auf dem Buch von Robert Coleman 'The Master Plan of Evangelism', erschienen 1963, sollen 'Jünger' ihr Leben total und jeden Moment 'Christus' widmen".(2) Strukturell basiert das System auf dem Schneeballprinzip: Über sogenannte Jüngerschaftsbeziehungen ist jedem Mitglied ein im Glauben älteres Mitglied zugeordnet. Darüber hinaus ist das jüngere Mitglied seinerseits gehalten, Menschen zu werben und "zum Jünger zu machen", denen er dann als im Glauben Älterer zugeordnet werden kann.

Vor der Gründung der BCC war Kip McKean aktiv in der "Crossroad Church of Christ", einer Gruppe, die im studentisch geprägten Umfeld missionierte. Um Kip McKean entstand die "Crossroadism-Bewegung". Mit diesen trainierten Mitarbeitern trat er zunächst der "Lexington Church of Christ" bei, übernahm später diese Gemeinde und führt sie nun unter der Bezeichnung "Boston Church of Christ" fort.(3)

Programmatik

Der Berliner Verein in dieser Tradition, "Gemeinde Jesu Christi e. V.", wurde 1992 ins Vereinsregister eingetragen. Als Vereinszweck weist die Satzung "die Förderung und Stärkung der Verbreitung religiöser und moralischer Unterweisung zur Unterstützung der öffentlichen Gottesfurcht in jeder legitimen Art und Weise, einschließlich der Inanspruchnahme der Dienste von Männern und Frauen für die Verwirklichung der Priesterschaft Jesu Christi"(4) aus. Der Gemeindeleiter beschreibt, wie er die Mitgliedschaft im Verein als Jüngerschaft versteht: "In unserem Bestreben, Jesu Aufruf zu folgen, treffen wir die Entscheidung, als Jünger, d. h. als Nachfolger zu leben. (...) Als Jünger achten wir aufeinander ...., d. h. wir helfen einander, geistlich zu denken und geistliche Entscheidungen zu treffen."(5) Die Vorstandsmitglieder sind aus der Mitte der Ältesten und Evangelisten der Gemeinde Jesu Christi Berlin zu wählen und bleiben solange im Amt, bis der neugewählte Nachfolger die erforderlichen Qualifikationen für dieses Amt erfüllt.(6) Der Verein ist in drei Zweige - Familien, Singles, Studenten - gegliedert. Für Singles und Studenten gibt es viele gleichgeschlechtliche Wohngemeinschaften, in deren Leben auch außerhalb der WGs lebende Vereinsmitglieder eingebunden werden.

Bereits vor der Gründung der ersten deutschen Gemeinde-Tochter in München 1988 wird in einem Brief des Dekans Norton des Oklahoma Christian College an die traditionellen Gemeinden Christi Kritik laut. Die Boston Church of Christ "ist autoritativ, gebraucht kultartige Methoden, um das Verhalten ihrer Mitglieder zu kontrollieren, beraubt Menschen ihrer Freiheit in Christus, bewirkt Spaltungen innerhalb bestehender Ortsgemeinden der Gemeinden Christi, lehrt totale Unterwerfung unter seine Führung und stellt zu befolgende Gebote für seine Glieder auf, die nicht in Gottes Wort zu finden sind".(7)

In Zeitungsberichten, Reportagen und Betroffenenberichten wird diese Kritik bestätigt. Ein Aussteiger aus dem Verein formuliert: "Es handelt sich bei der Boston Church um ein streng hierarchisches, autoritäres und radikales System. Die Bibel wird zum Instrument, um den 'Lebensstil' zu rechtfertigen, der von Mitgliedern verlangt wird. (...)

Ein typischer Lebenslauf eines Jüngers der BCC beinhaltet völlige Hingabe verbunden mit der Aufgabe der eigenen Persönlichkeit ('das eigene ICH kreuzigen'). Konsequenzen sind zumeist Entfernung von alten Freunden in der Umwelt und der Abbruch von Kontakten zur Familie. Kritikern wird sehr rigoros begegnet."(8) Das Gedankengut dieser Gruppierung sei gekennzeichnet von "Radikalität, Autorität, Unterdrückung, Einschränkung der persönlichen Freiheit, Bewußtseinsmanipulation (Eliminieren des kritischen Bewußtseins) und Bewußtseinskontrolle".(9)

* Werbung

Die Werbung erfolgt vorwiegend durch Ansprechen von gleichgeschlechtlichen Passanten auf der Straße und an Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel; die Standardversion lautet: "Darf ich Sie/Dich zu einem besonderen/tollen Gottesdienst einladen? Wir sind eine freie christliche Gemeinde...". Dem Passanten wird i. d. R. ein Kärtchen mit Anschrift und Gottesdienstzeit in die Hand gedrückt, nach Möglichkeit die Telefonnummer des Werbers übergeben und die eigene Telefonnummer abgenommen. Der rituelle Austausch der Telefonnummern wird auch beim Gottesdienstbesuch von Neulingen versucht. Danach erfolgen i. d. R. mehrere Anrufe, Einladungen zum Essen und Beziehungsangebote durch den Werber, selbst wenn sich der Umworbene ablehnend verhält.

Zeigt der Umworbene Interesse, wird ein gemeinsames sogenanntes "Studium" installiert, das mindestens einmal wöchentlich neben dem Besuch möglichst vieler Veranstaltungen des Vereins durch den Neuling stattfinden und zu Taufe und Mitgliedschaft im Verein führen soll. Betroffene berichteten, daß ihr "Studium" anhand eines internen, detailliert ausgearbeiteten Leitfadens "Machet zu Jüngern" erfolgte. Dabei wurde umgehend versucht, den Neuling intensiv freundschaftlich einzubinden: "I. Hilfreiche Hinweise A. Bau eine gute Freundschaft auf und hilf der Person, mit der du studierst, mindestens 5 gute Freunde in der Gemeinde zu haben."(10) In der Studie erhielt der Werber den Hinweis auf entscheidende Bindungskräfte: "Dies ist eine kritische Phase - verbringe viel Freundschaftszeit."(11)

* Absolutheitsanspruch

Deutlich wurde der Absolutheitsanspruch der Gruppe formuliert: "Eine religiöse Person - vielleicht jemand, der meint, ein Christ zu sein, oder jemand mit stark religiösem Hintergrund (Familie) - muß durch diese Studie zu der Erkenntnis kommen, daß ihr Leben NICHT das eines Jüngers ist und sie daher NICHT gerettet ist. Dies ist ein Schlüsselstudium!"(12) "Viele der während dieser Studie zu besprechenden Dinge sind sehr herausfordernd und persönlich, und wenn man es richtig angeht, wird der Person klarwerden, daß sie verloren ist."(13) Eine zusätzliche Schlüsselstudie "Umkehr" sollte dem sogenannten "religiösen Nichtchristen" eine weitere Perspektive der Tatsache geben, daß er verloren sei.

* zeitliche Einbindung

Betroffene berichteten von einer umfassenden zeitlichen Einbindung durch Aktivitäten des Vereins, die bereits in dieser Anfangsphase begründet wird: "B. Konsequenz 2: Herr unserer Zeit, 1. Wir müssen zu allen Gemeindeveranstaltungen kommen, sonst werden wir geistlich nicht wachsen."(14)

* Beziehungen

Auch für Beziehungen wurden klare Vorgaben formuliert: Partnerschaft und Ehe: "Wir werden nur Christen heiraten - natürlich jemanden, mit dem wir vorher befreundet waren - darum nur Partnerschaftsbeziehungen mit Christen! (Ausnahme: Eine bestehende Partnerschaftsbeziehung. Dies ist mit Vorsicht und Weisheit anzugehen. Trennung ist kein Muß, aber es ist ein Muß, Sünde (soweit vorhanden) aus der Beziehung zu verbannen, diszipliniert zu sein und die Entscheidung zu treffen, die Beziehung sofort zu beenden, wenn ein Partner nicht wirklich Christ werden will oder den anderen am geistlichen Wachstum hindert.)"(15) Freundschaft: "Schlechter Umgang verdirbt gute Sitten. Deine besten Freunde und Freundschaften sollten mit denjenigen sein, die bereit sind, Jesus zu folgen."(16)

* Kritik

Gegen kritische Worte über den Verein von außen wurde der Neuling bereits in dieser Phase gewappnet. Kritik von außen - beispielhaft genannt wurden TV, Zeitungsartikel, Sektenberater - wurde in "Verfolgung" umgedeutet, die einseitig als Zeichen des rechten Weges, auf dem der Verein sich befinde, interpretiert wurde: "Du wirst verfolgt werden - niemand weiß in welchem Ausmaß. Sei bereit für Jesus zu sterben. Wenn du bereit bist, zu sterben, wird dich ein kleiner Zeitungsartikel mit Fehlinformation nicht aufhalten!"(17)

* Finanzen

Die finanziellen Verpflichtungen des einzelnen für den Verein in Höhe von 10 % des Einkommens für die wöchentliche Kollekte wurden als ein "guter Anfang" bezeichnet.(18) Alle drei Vereinszweige haben, so berichteten Betroffene, wöchentliche Kollektenziele, die es zu erreichen gilt. Schwierigkeiten in diesem Zusammenhang sollten u. a. durch einen Workshop "Persönliche Finanzen" im März 1997 ausgeräumt werden: "Du solltest auf jeden Fall teilnehmen, wenn folgendes auf dich zutrifft: (...) 3) Du arbeitest noch daran, wirklich den Zehnten oder mehr zu geben. (...) 5) Du weißt noch nicht, wie du dein Ziel für die Missionskollekte erreichen wirst. (...) 10) Du bist dir nicht sicher, ob du an diesem Workshop teilnehmen solltest." Melden sollten sich nur diejenigen, die nicht an diesem Workshop teilnehmen wollten.(19)

* Tiefe Überzeugungen

Betroffene berichteten, daß sich an die Taufe eine weitere "Studie" mit dem "Jüngerschaftspartner" - "Tiefe Überzeugungen" - über 13 Wochen anschließe, in der für 90 bzw. 91 Tage genau festgelegt ist, was am jeweiligen Tag zu "studieren" sei. Eine Woche lang wird dabei beispielsweise das Thema "Unterordnung" bearbeitet. Unter Unterordnung wird hier u. a. verstanden: "a) Aufgeben der eigenen Interessen, b) Aufgeben der persönlichen Rechte, um anderen besser dienen zu können".(20) Die Unterordnung unter Gott finde ihren Ausdruck in der Unterordnung unter die Leiter des Vereins. "Wir haben Leiter in der Gemeinde - da sie Christus folgen, ordnen wir uns auch ihnen unter."(21) "Kennst du die Namen der Ältesten/Leiter in der Gemeinde, in der du bist? Bist du auf sie zugegangen seitdem du Christ geworden bist? Hast du ihnen gezeigt, daß du dich ihnen von Herzen unterordnen möchtest (...) (Wir sollten uns nie weigern, uns jemandem unterzuordnen, nur, weil wir ein ungutes Gefühl gegenüber der Person haben.)."(22)

Sitz

Der Berliner Verein Gemeinde Jesu Christi e. V. mit ca. 200 Mitgliedern ist als Untermieter in einem Kirchgebäude einer weiteren freien Gemeinde, der Gemeinde Gottes e. V., im Bezirk Wedding ansässig. Weitere Gemeinden gibt es in München und im Raum Düsseldorf-Köln. Die Gesamtzahl der Mitglieder in Deutschland gibt der Evangelist der Berliner Gemeinde, Dean Farmer, mit ca. 540 an.

Unter sonstigen Aktivitäten benennt die Pressestelle des Vereins Gemeinde Jesu Christi den Verein HOPE Deutschland e. V., der ein Netz von sozialen Projekten verschiedenster Art aufbauen will.(23)

Zur Gemeinde Jesu Christi Berlin e. V. hat sich eine Selbsthilfegruppe von Aussteigern formiert, die "AG Betroffene der Boston-Bewegung".


Quellenverzeichnis:
1 Tiefe Überzeugungen: WOCHE SIEBEN - UNTERORDNUNG, Tag 47, S. 19; Übersetzung aus "Deep Convictions" by Tom Jones, Boston, USA, 1991
2 Friedrich-Wilhelm Haack: Findungshilfe 2000, Arbeitsgemeinschaft für Religions- und Weltanschauungsfragen, München 1990, S. 224
3 Friedrich-Wilhelm Haack: Hirten im eigenen Auftrag, Arbeitsgemeinschaft für Religions- und Weltanschauungsfragen, München 1988, S. 24 ff. (Dokumentations-Edition 17)
4 Satzung der Gemeinde Jesu Christi e. V. vom 10.03.1992, Art. I (2) S. 1
5 Jesse Dean Farmer: Anliegen der Gemeinde Jesu Christi, Berlin e. V., in: Materialdienst der EZW 9/97, S. 279
6 Satzung der Gemeinde Jesu Christio e. V. vom 10.03.1992, Art. IV (2)
7 B. Dürholt und I. Kroll (Hrsg.): Streifzug durch den religiösen Supermarkt, München, S. 24 (Junge Münchner Reihe)
8 Axel P.: Menschenfischer. Gefangen, Gerettet, Ausgestiegen und Verloren?!, Selbstverlag, 1. Auflage Mai 1997, S. 12
9 ebenda S. 12
10 "Machet zu Jüngern", Einleitung, S. 1/1
11 ebenda, "Taufe/ Bekehrung", S. 17/4
12 ebenda, "Ein Jünger Jesu", S. 14/1
13 ebenda S. 15/1
14 ebenda, "Jesus als Herr", S. 18/1
15 ebenda S. 18/2
16 ebenda
17 ebenda S. 18/3
18 ebenda
19 Flyer der Gemeinde Jesu Christi e. V.: Workshop Persönliche Finanzen am 8. März 1997
20 "Tiefe Überzeugungen", WOCHE SIEBEN - UNTERORDNUNG, Tag 44, S. 18; Übersetzung aus "Deep Convictions" by Tom Jones, Boston USA, 1991
21 "Machet zu Jüngern", Jesus als Herr, S. 18/2
22 "Tiefe Überzeugungen", a. a. O., Tag 47, S. 23
23 Gemeinde Jesu Christi e. V. - Pressestelle-: Die Internationalen Gemeinden Christi im deutschsprachigen Raum stellen sich vor


7.1.4. Universelles Leben (Heimholungswerk Jesu Christi/HHW)


Ich bin in meinem Inneren geworden, was ich
war und in Seinen Augen ewig bin:
das absolute Gesetz selbst.

Gabriele Wittek(1)

Gründung

Auch bei der Gemeinschaft "Universelles Leben" (UL) handelt es sich um eine Neuoffenbarungsbewegung, durch deren Prophetin Gabriele Wittek Jesus Christus spreche, und deren geistige Lehre christliche Aussagen mit einem Glauben an Reinkarnation und einen siebenstufigen Erlösungsweg verbindet.

Die Gemeinschaft Universelles Leben wurde 1984 von Gabriele Wittek gegründet, die sich als Medium direkt in Verbindung mit Jesus Christus sieht und ihre Inspirationen aus dem "geistigen Reich" als Worte Jesu verbreitet. Jesus Christus habe Frau Wittek im Jahre 1975 das "Prophetenamt" übertragen und ihr "Seinen mächtigen Plan" enthüllt. Sie diene als Instrument bei dem Plan der "Rückführung Seiner Kinder in die ewige Heimat und des Aufbaus des Friedensreiches Jesu Christi auf Erden".(2)

Im Jahre 1977 sei es der Wille Christi gewesen, daß "Schwester Gabriele" an die Öffentlichkeit gehe: "Durch das Prophetische Wort gründete Christus das Heimholungswerk Jesu Christi als umfassendes Lehr- und Aufklärungswerk".(3)

* "Innere-Geist = Christus-Kirchen"

Die ersten Zusammenschlüsse wurden auch als "Innere Geist = Christus-Kirchen" bezeichnet. "Das Königreich Gottes ist inwendig in jedem Menschen. Deshalb müssen wir nach innen wandern, um dieses Reich wieder in uns zu erschließen. Christus gründete daher in Seinem Heimholungswerk, dem Heimholungswerk Jesu Christi, die Christliche Mysterienschule, die Hohe Schule des Geistes Gottes auf dieser Erde."(4)

Nach eigenem Bekunden hat es in den 80er Jahren vier Schwerpunkte gegeben, die das Wirken der Gemeinschaft bestimmten. Neben den "göttlichen Offenbarungen" durch die Prophetin und dem Aufbau der "Inneren Geist = Christus-Kirchen" waren "Glaubensheilungen" und die Hinführung auf den "Inneren Weg" Fundamente der Gruppe. 1984 wurde die Organisation "Universelles Leben" gegründet. Es wurden sogenannte "Christusbetriebe", z. B. Bauernhöfe, Bäckereien, Läden, Marktstände, Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe, eine Sozialstation, eine Naturheilklinik sowie Kindergärten, Kinderhorte und eine Schule gegründet und eingerichtet, die neben ihrem wirtschaftlichen Zweck auch der Verwirklichung des religiös-weltanschaulichen Lebens der Gemeinschaft dienen. Auch wenn die Glaubensgemeinschaft selbst weder Inhaberin noch Gesellschafterin eines Gewerbebetriebes ist, sind ihr diese wirtschaftlichen Betätigungen ihrer Anhänger aber zuzurechnen, weil die Gemeinschaft für diese Betriebe verantwortlich und weisungsbefugt ist. Organisatorisch wird dies dadurch deutlich, dass der "Verein der Mitarbeiter in Christusbetrieben e. V." alleiniger Gesellschafter der "Vereinigte Christusbetriebe Holding GmbH im Universellen Leben" ist.

* "(Bund)-Gemeinde Neues Jerusalem"

1987 erfolgte eine weitere Umbenennung bzw. Ergänzung. Durch das "Prophetische Wort" sei die erste christliche Urgemeinde im Universellen Leben, die "Gemeinde Neues Jerusalem" gegründet worden. Die Gemeinde bezeichnet sich auch als "Bundgemeinde Neues Jerusalem". Die Bundgemeinde Neues Jerusalem besitzt für alle Aktivitäten im Universellen Leben eine große Bedeutung:

"Alle Aktivitäten im Universellen Leben werden von der Bundgemeinde Neues Jerusalem beschlossen. Die Gemeinde trifft sich regelmäßig. So kommen Woche für Woche Hunderte von Brüdern und Schwestern in diesem großen 'Arbeitskreis' zusammen. Auch während der Woche treffen sich kleinere Arbeitskreise, um für das große Ganze zu wirken. Alles Wesentliche, das in den christlichen Einrichtungen des Universellen Lebens geschieht, wird nicht von einzelnen bestimmt, sondern in die Bundgemeinde Neues Jerusalem getragen, besprochen und demokratisch zur Abstimmung vorgestellt. Es entscheidet also die Bundgemeinde Neues Jerusalem nach den ewigen Gesetzen Gottes".(5)

Programmatik

* Gabriele Wittek - "ich bin das absolute Gesetz"

Die Gesetze Gottes werden, so glauben die Anhänger, durch Frau Witteks Prophetie vermittelt. Ein Wort Frau Witteks ist somit göttliches Wort für die Anhänger: "Durch die herrliche Führung unseres Erlösers habe ich zum Ursprung der Quelle gefunden, bin eingetaucht in die göttliche Liebe und Weisheit und hervorgegangen als Kind Gottes, das in Ihm ist, und durch dessen Seele und Mensch Er, der eine Geist spricht. Seine Gnade und Liebe führte mich. Ich bin in meinem Inneren geworden, was ich war und in seinen Augen ewig bin: das absolute Gesetz selbst."(6)

Die Grundsätze des Universellen Lebens werden den Anhängern u. a. in den "Zehn Thesen" vermittelt:

In den Thesen 1. - 4. wird der Glaube an Gott als die "Ur-Allkraft des Geistes" und als "höchstes Wesen in der Unendlichkeit" und an Christus, den "Erlöser aller Seelen und Menschen" sowie an Propheten und Prophetinnen, durch die der "Christus-Gottesgeist" spreche, vermittelt. Dann folgt die Ableitung, daß die Organisation "Universelles Leben" und die Person Gabriele Wittek direkt von Christus gegründet, bzw. als Prophetin eingesetzt worden sei.

"... 5. These Wir glauben, daß Gabriele von Würzburg die Prophetin Gottes für die Menschheit in unserer Zeit ist. Durch sie offenbart sich der Christus-Gottesgeist für alle Menschen...

6. These (...) Durch die Verwirklichung der ewigen Gesetze fallen von der Menschheit Not, Krankheit, Hunger und Leid ab. Das ist unser Glaube und unser Ziel ...

7. These (...) Am 15.6.1990 wurde die Innere Geist-Christus-Kirche von Christus zur mächtigen Lehrkirche erhoben, in welcher der Ewige durch Seine Lehrprophetin und Botschafterin auf Erden das Absolute Gesetz für alle Menschen lehrt, die es hören und annehmen wollen.

8. These Das Heimholungswerk Jesu Christi war und ist das Aufklärungswerk des Herrn...

9. These So, wie Gott durch Noah und Moses Bündnisse mit Seinem Volk, dem Volk Israel, schloß, so schloß Er jetzt den Bund mit den Gliedern der Urgemeinde Neues Jerusalem im Universellen Leben, die dadurch zu Seiner Bundgemeinde wurde ..."(7)

* Reglementierung und "Umprogrammierung der Gehirnzellen"

Intern faßt eine "Gemeindeordnung" die "Richtlinien für die innere und äußere Ordnung in der Gemeinde des Herrn" zusammen und regelt somit alle Lebensbereiche durch den "inneren und äußeren Ordnungshüter".(8)

Das Leben der Anhänger im "Christusstaat" ist reglementiert und hierarchisch organisiert. In den eigenen Schriften gibt es widersprüchliche Darstellungen zu den Regeln und Pflichten der Anhänger, die so die Diskrepanz zwischen Außendarstellung und tatsächlicher Praxis sichtbar werden lassen. Einerseits wird pauschal behauptet:

"Alles, was im Werk des Herrn geschah und geschieht, ist freiwillig, und daran hat sich bis heute nichts geändert. Es gibt bei uns keine Pflichten, keine Mitgliedschaft, keine Kirchensteuer, keine Beiträge und keine Bindung...".(9)

An anderer Stelle wird jedoch der Absolutheitsanspruch, der nicht zuletzt auch in dem Namen "Universelles Leben" zum Ausdruck kommt und sich auf alle Lebensbereiche bezieht, deutlich: "Aus dem Füllhorn der göttlichen Weisheit schenkt der Christus-Gottesgeist der Menschheit heute Offenbarungen mit göttlichen Belehrungen, Hinweisen und Anregungen für alle Lebensbereiche - sei es für Gesundheit und Krankheit, Kindererziehung, Ehe und Partnerschaft oder das Leben nach dem Tod..... Durch das Prophetische Wort des Christus-Gottgeistes durften wir die Belehrungen aus dem Ewigen für die Menschheit von heute empfangen..."(10)

In den UL-Veröffentlichungen wird das Ziel einer "Umprogrammierung" des Individuums im UL/HHW zu einem Menschen, der sich von allen Diskussionen "fernhält", benannt. Erreicht werden soll es über den Abbau der persönlichen Individualität und des "Menschlichen": "Die Umprogrammierung ist nichts anderes als die Reinigung der Gehirnzellen von allen Prägungen dieser Welt, von allen Vorstellungen und Meinungen, die dem göttlichen Wort entgegenstehen. Zugleich werden die Gehirnzellen auf das höchste Prinzip, auf Gott ausgerichtet. Diese Aufgabe obliegt dem Kontrollgeist, dem Geistlehrer. (...) Denn unwesentlich und irreal ist das Menschliche, das vom Gehirn Hervorgebrachte."(11)

Damit korrespondiert ein Abbruch von Kontakten nach "außen", zu Personen, die nicht zu den Anhängern des UL/HHW zählen. Eine Anhängerin berichtet: "Alles Individuelle, alles Negative wurde nach oben gespült, meine heile, illusionsreiche Welt brach zusammen. Vor allen Dingen sah ich mich gezwungen, meine Trabanten (= Freundinnen) aufzugeben (...) Es gelang mir, auch die weiteren Bindungen familiärer und beruflicher Art zu lösen. So mündete mein Leben mehr und mehr in geordnete Bahnen."(12)

* Kindererziehung

Die Gruppierung baute ein eigenes Erziehungs- und Schulsystem, basierend auf der "Gemeindeordnung" auf. Kinder von Anhängern wachsen in sogenannten Vater-Mutter-Häusern auf, es gibt zwei Kinderkrippen (1 - 3 Jahre), zwei Kindergärten (3 - 6 Jahre), zwei Kindertagesstätten (3 - 6 Jahre) und eine Kurzzeiteinrichtung (1 - 6 Jahre). Die Erziehungsmethoden gelten als durch Frau Wittek geoffenbart. Vom Kleinkindalter bis in das Erwachsenenalter soll die "Intensivschule des Geistes Gottes" wirken und keine andere Orientierung zulassen. Eltern sollten sich nicht an ihr Kind binden: "Viele, die Kinder gezeugt haben, erwachen für den Dienst am Nächsten und sehen darin ihre Aufgabe. Sie sollten ihre Kinder nicht vernachlässigen, sondern einem Vater-Mutter-Haus anvertrauen, in welchem sie in rechter Weise nach den Gesetzen der selbstlosen Liebe erzogen werden. Die Eltern werden, sooft es ihnen möglich ist, die Kinder zu sich nehmen."(13)

In der Schrift "Die Entwicklung und das Leben der Kinder in den Kindergärten des Universellen Lebens, Gegeben der Prophetin Gottes (G.W.) durch das Prophetische Wort" ist die "gesetzmäßige Führung und Entwicklung der Kinder in den Kindergärten des Universellen Lebens" beschrieben:

"Durch die Führung des Kindes aus dem Gesetze Gottes kann ein Problem, eine seelische Ursache, rechtzeitig erkannt und behoben werden, durch gesetzmäßige Führung, geistige Übungen, durch Spiel und rechte Ausrichtung."(14) Hier will man nichts dem Zufall überlassen: "Die Kinderbetreuerinnen im Universellen Leben werden, wie auch die Eltern, für jedes Kind ein Tagebuch, ein Lebensbuch, anlegen. In dieses Tagebuch, das auch eine Heftmappe sein kann, werden die Gebete des Kindes eingeschrieben, seine Zeichnungen, die es Tag für Tag gestaltet, eingeheftet und seine Wünsche notiert, aber auch Worte, die einen heftigen Tränenstrom auslösen. Die Aggressionen der Kinder, ihre Ängste - vor wem und wovor sie sich ängstigen - ebenso aber auch ihre Freuden und die Herzlichkeiten, die ein noch unbekümmertes Kind ganz von selbst offenbart, werden im Lebensbuch notiert."(15)

Das "Universelle Leben" führt im Land Bayern eine eigene private Grundschule.

* "Christusbetriebe"

In den sogenannten "Christusbetrieben" des UL/HHW wird nach einer - von Gabriele Wittek - geoffenbarten Betriebsordnung gearbeitet. Auch hier sorgen sogenannte Harmoniegespräche dreimal täglich für "geistige Ausrichtung" im betrieblichen und privaten Bereich, deren Folge u. a. eine gegenseitige Kontrolle als Mittel zur Durchsetzung des Harmoniediktats ist. Das Harmonieideal des UL/HHW kann dabei für den einzelnen bedeuten, wesentliche Teile der Persönlichkeit (nicht-harmonische Gefühle, Privates, Entspannung, individuelle Entscheidungsfindung in Gewissensfragen, finanzielle Eigenständigkeit, Eigeninitiative) aufzugeben: "Jeder Bürger dieser Welt, der ein Glied der Gemeinde des Herrn werden möchte, verpflichtet sich schriftlich, das Leben der Gemeinde nicht durch eigenmächtige Initiativen oder durch menschliche Wünsche, die seinen Nächsten beeinträchtigen, zu stören. Eine eigenmächtige Initiative ist z. B. das Führen eines Betriebes, Bauernhofes, Restaurants, Altenheimes, einer Praxis, Klinik oder dergleichen nach eigenem Gutdünken. .... Wenn ein Glied der Gemeinde seinen Arbeitsplatz in der Gemeinde verläßt und sich in der Welt eine Möglichkeit für finanzielle Einnahmen sucht, so verläßt es damit auch die Gemeinde und zeigt, daß es sich der Welt zugehörig fühlt. (...) Für das Gemeindeleben ist es nicht gut, wenn ein Glied der Gemeinde größeres finanzielles Einkommen aus der Welt hat, das es nach seinem Ermessen oder einzig für sich verwendet. (...) Ein echtes Glied der Gemeinde wird sich an seinem Vermögen nicht bereichern."(16)

* Heilung

Krankheit beruhe auf falschem Denken und wird damit zu eigenem Verschulden. Der Heilungsanspruch der Gruppierung aufgrund geoffenbarter Heilmethoden ist ein umfassender. Eine Inanspruchnahme zeitgemäßer Medizin (Antibiotika) bzw. Präventionsmaßnahmen (Impfungen) offenbarten "natürlich ein mangelndes Vertrauen zur Führung durch Gott"(18). Auch bei schweren Krankheiten werden bisweilen fragwürdige Empfehlungen gegeben, beispielsweise:

- Beispiel Gehirntumore: "Bei Gehirntumoren und Geistesschwäche sollte der Mensch gerade in kühlen Tagen und bei großer Hitze eine Kopfbedeckung tragen. (...) Heilung-Suchenden, die an einem Gehirntumor, an Epilepsie oder Gehirnschädigungen leiden, ist, wie bereits offenbart, anzuraten, die Ätherkräfte im sechsten Bewußtseinszentrum zu aktivieren. Über dieses Kräftepotential des Geistes werden auch die Gehirnzellen versorgt und die darin befindlichen Störfaktoren beseitigt. Diese Patienten sollten darüber hinaus auch die Magnetströme, die im besonderen um die Mittagszeit intensiver fließen und erhöhte Kräfte abgeben, nicht außer acht lassen."(19)

- Beispiel Erschöpfung: "Gerade Flugtiere neutralisieren durch ihre Schwingung starke Spannungsfelder. Ältere Menschen, die oftmals ein seelisches und körperliches Kräftedefizit haben, nehmen diesen Ausgleich von Spannungen wahr und begeben sich gerne in dieses entspannende Kraftfeld, das ihnen, je nach Einstellung und Bewußtseinshöhe, einen ausgeglichenen Energiehaushalt vermittelt."(20)

- Beispiele Epilepsie und Tumorerkrankungen: "Geisteskranke, Epileptiker und Menschen mit Tumoren sollten sich dagegen auf Wasseradern legen, jedoch nur auf solche, die von Norden her fließen. (...) Auch an Stellen, an denen sich große Ameisenberge befinden, kreuzen sich gutartige Wasseradern. Dort entstehen sehr viele Dämpfe und Schwingungen von Ameisensäure. Diese beeinflussen positiv das Sonnengeflecht und tragen zur seelischen und körperlichen Aktivität bei. Sie beeinflussen auch heilbringend das Blutbild und stählen die Nerven. Dieses Vorgehen wäre auch bei Krebserkrankungen zu bejahen."(21)

Für den gläubigen Anhänger besteht potentiell die Gefahr, daß er sich im Krankheitsfall zu spät oder gar nicht in fachärztliche Behandlung begibt, um sich nicht dem Verdacht mangelnden Glaubensfestigkeit auszusetzen.

* Feindbilder

Der Anspruch, im Besitz der Wahrheit zu sein, ist absolut und wird auch durch eine markante Intoleranz gegenüber Andersdenkenden und Kritikern sichtbar. So finden sich in der Selbstdarstellungsliteratur seltsamste Verschwörungstheorien.(22)

Die Feindbilder sind vielfältig: "Der Klerus ist der Hetzer, der Staat und Teile des Volkes sind die Verhetzten, die Richter die Angepaßten, die Journalisten und Reporter die Ausführenden ...".(23) Die Helfershelfer der Dämonen "sitzen in den obersten Rängen des irdischen Staates, der kirchlichen Institutionen, der Wissenschaft, der Wirtschaft und in den sogenannten Großkonzernen".(24)

In der Zeitschrift "Christusstaat - international" wird beispielsweise in dem Artikel "Weltregierung - Weltseuche - Wer regiert die Welt" gefragt, wo der "Antichrist" seinen Hauptsitz habe und dazu festgestellt:
"Unter allen in Frage kommenden Gruppen, Gemeinschaften oder Organisationen auf der Erde sticht eine hervor, die zudem schon besonders häufig in den Verdacht geraten ist, diese antichristliche Macht auf Erden zu sein. Es ist die Institution römisch-katholische Kirche mit ihrem Hauptsitz in Rom, dem Vatikan... Von Rom wurde systematisch die Weltherrschaft aufgebaut..."(25)

Indiz dafür sei, daß die §§ 331 bis 335 des "Canon juris canonici", die die Rechte des Papstes festlegen, wenn man sie addiere, den Zahlenwert 666 ergäbe, die "Zahl des Antichristen". Auch seien "vom Vatikan" alle großen politischen Systeme dieses Jahrhunderts aufgebaut worden:
"So waren Hitler, Mussolini und Franco von der römischen Kurie protegiert. Die politischen Zielsetzungen wurden in jesuitischen Köpfen erdacht. Das Buch 'Mein Kampf', das angeblich von Hitler geschrieben wurde, entstammt einer jesuitischen Feder und wurde tatsächlich von Pater Bernhardt Stempfle geschrieben. Adolf Hitler, Josef Goebbels, von Papen und Himmler waren Jesuitenschüler."(26)

In anderen Schriften werden auch antisemitische Vorurteile geschürt und z. B. gefragt, warum der Adler auf dem Zwei-Mark-Stück graphisch verändert worden sei:
"Die Konturen des neuen Adlers sind beschnitten. Legt man an seine Seite Linien an, so entsteht der Davidstern, auch 'das zionistische Symbol von Macht und Herrschaft' genannt. Die Bundesministerien führen diesen 'Zions'-Adler schon lange im Siegel. Ist diese Veränderung Zufall? Könnte es bedeuten, daß sich unser Staat im Symbol des Hexagramms (Sechsstern) der Ideologie der 'Weltdiktatur' unterordnet?".(27)

* rechtliche Auseinandersetzung

Das "Universelle Leben" stellte gegen den Bericht der Senatsverwaltung für Jugend und Familie (Stand Oktober 1994) Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung und wurde in beiden Instanzen zurückgewiesen.

Sitz

Die Zentrale der Organisationen befindet sich in Bayern (Würzburg und Umgebung), wo ca. 3.000 Anhänger leben sollen. Die Anhängerschaft im deutschsprachigen Raum wird von Experten auf ca. 40.000 geschätzt. Zum Umfeld der Organisation gehören zwei Kliniken, Sozialstation, Einkaufs- und Dienstleistungszentrum und ca. 80 Unternehmen verschiedener Branchen.

Das Berliner Zentrum befindet sich im Bezirk Kreuzberg. Geworben wird durch Plakate, Kleinanzeigen und Auslegen von Werbematerial (u. a. auf Berliner Esoterikmessen) mit verschiedenen Angeboten (z. B. Gottesdiensten, Meditationskursen), ferner mit Büchern, Kassetten und durch das Verteilen der Zeitschrift "Das weiße Pferd" (früher "Der Christusstaat").


Quellenverzeichnis:
1 Gabriele Würzburg: Mit Gott lebt sich's leichter, Universelles Leben, 2. Auflage 1988, in: Wolfgang Behnk: Abschied vom "Urchristentum"?, Ev. Presseverband für Bayern, 1994, Dokument 5, S. 68
2 Christusstaat International, 1/1990, S. 1
3 ebenda S. 2
4 ebenda S. 2
5 ebenda S. 8 f.
6 Gabriele Wittek: Mit Gott lebt sich's leichter, Würzburg 1988, 2. Auflage, Vorwort, in: Wolfgang Behnk: Abschied vom "Urchristentum"?, Ev. Presseverband für Bayern, 1994, Dokument 5, S. 68
7 Christusstaat International, 1/1990, S. 9 f.
8 Haack, Friedrich-Wilhelm: Gabriele Witteks "Universelles Leben (HHW/Christusstaat)", Ev. Presseverband für Bayern, 2. Auflage, München 1992, Dokument 21, S. 20
9 Christusstaat International, 1/1990, S. 2
10 Christus der Schlüssel zum Tor des Lebens, Vorwort, Bücher und Cassetten 1990/1991, Würzburg, Universelles Leben 1990
11 Aus dem Leben der Prophetin Gottes, Würzburg 1984, 2. Auflage, S. 126 f., 140 und 146, in: Wolfgang Behnk: Abschied vom "Urchristentum"?, Ev. Presseverband für Bayern, 1994, Dokument 10, S. 73
12 Der Innere Weg im Universellen Leben. Stufe der Ordnung, IV. Persönliche Erfahrungen von Geschwistern auf dem Inneren Weg, Würzburg 1987, 1. Auflage, S. 188, in: Wolfgang Behnk: Abschied vom "Urchristentum"?, Ev. Presseverband für Bayern, 1994, Dokument 14, S. 77
13 Der Hirte und seine Herde. Gemeindeordnung für das Friedensreich Jesu Christi, offenbart durch Seine Prophetin Gabriele - Würzburg, Würzburg 1987, 1. Auflage S. 39 f., in: Wolfgang Behnk: Abschied vom "Urchristentum"?, Ev. Presseverband für Bayern, 1994, Dokument 15, S. 78
14 Universelles Leben (Hrsg.): Die Entwicklung und das Leben der Kinder in den Kindergärten des Universellen Leben, Würzburg 1984, S. 7
15 Bruder Emanuel, der Cherub der Göttlichen Weisheit, offenbart sich durch die Prophetin des Herrn, G. W.: Dein Kind und Du, Universelles Leben e. V., Würzburg, 2. Auflage 1986, S. 42
16 Universelles Leben e. V.: Der Hirte und seine Herde, Die Gemeindeordnung für das Friedensreich Jesu Christi offenbart durch Seine Prophetin Gabriele - Würzburg, Würzburg 1987, S. 89 f., in: Wolfgang Behnk: Abschied vom "Urchristentum"?, Ev. Presseverband für Bayern, 1994, Dokument 21, S. 84
18 Der Christusstaat 10/1987, S. 12 f.
19 Heimholungswerk Jesu Christi: Erkenne und heile dich selbst durch die Kraft des Geistes, gegeben der Prophetin des Herrn durch das Innere Wort, September 1981, S. 98 f.
20 ebenda S. 172
21 ebenda S. 96 f.
22 Hessischer Rundfunk: Das Seelenkartell, a. a. O.
23 Der Christusstaat 9/1994, S. 2
24 Universelles Leben: Christus enthüllt, Der Dämonenstaat seine Helfershelfer und seine Opfer offenbart durch Sein Instrument, Gabriele - Würzburg, 2. Auflage 1991, S. 14
25 Christusstaat International, 7/1991, S. 4
26 Christusstaat international, 7/1991, S. 4 ff.
27 Haack, Friedrich-Wilhelm: Gabriele Witteks "Universelles Leben (HHW/Christusstaat)", Ev. Presseverband für Bayern, 2. Auflage, München 1992, Dokument 21


7.1.5. Vereinigungskirche (Mun-Bewegung)


Ein großer Führer ist derjenige,
der die Umstände kennt und sie
zu einem gewissen Zweck steuert.

San Myung Mun(1)

Gründung

Der 1920 in Nordkorea geborene Sohn einer Bauernfamilie, die 1930 zum Christentum übertrat, San Myung Mun (ursprünglicher Name Yong-Myung Mun) berichtet in seiner autorisierten Biographie von einem visionären Sendungsauftrag durch Jesus im Jahre 1936 mit dem Gebot, seine Mission auf Erden fortzusetzen. Im Jahre 1954 gründet er in Seoul schließlich die "Gemeinschaft vom Heiligen Geist für die Vereinigung der Weltchristenheit", bekannt unter der abkürzenden Bezeichnung "Vereinigungskirche", für die er seit 1958 auch im Ausland missionierte.

Der deutsche Zweig wurde 1964 mit der "Gesellschaft zur Vereinigung des Weltchristentums" in Frankfurt eingetragen.

* Struktur

Die Mun-Bewegung entfaltet neben religiösen auch politische, soziale, kulturelle, wissenschaftliche und wirtschaftliche Aktivitäten. Eine nahezu unüberschaubare Zahl von Organisationen, Unterorganisationen und Unternehmungen wurden in diesem Zusammenhang gegründet.(2) Die Vereinigungskirche repräsentiert lediglich den religiösen Zweig und ist in wirtschaftlich selbständige nationale Vereinigungen mit Landesleitern gegliedert. Deutschland ist in "Regionen" eingeteilt; die kleinste Zelle bilden die lokalen Zentren.

Weitere besonders bekannte Organisationen sind beispielsweise CAUSA ("Confederation of Associations for the Unity of the Societies of the Americas"), CARP ("Collegiate Association for the Research of Principles"), die Frauenföderation für den Weltfrieden und die Familienföderation für den Weltfrieden.

Programmatik

Wichtigste theoretische Grundlegung sind insbesondere die "Göttlichen Prinzipien" (1996 modifizierte neue englische Übersetzung: "Exposition of the Divine Principle"), die als göttliche Offenbarung gelten, und die Reden San Myung Muns.

San Myung Muns Theologie knüpft an alt- und neutestamentliche Aussagen an. Das alttestamentliche Bild vom gottesfernen Kain und dem gottesfürchtigen Abel wendet er in einem "Gut" und "Böse" auf alle Menschen, Ideologien und politischen Systeme an. Für ihn ist Jesu Werk ein unvollständiges - allein geistiges - geblieben, weil durch seine Kreuzigung verhindert worden sei, daß er heirate und Kinder zeuge. San Myung Mun sei nun durch die Hochzeit mit seiner zweiten Frau Hak-Ja Han im Jahre 1960, die als "Hochzeit des Lammes" bezeichnet wird, zum "Herrn der Wiederkunft" und neuen Messias geworden. Sie seien die "Wahren Eltern" einer sündlosen Menschheit.(3) In einer Weinzeremonie erfolgt eine "Anpfropfung" des Anhängers an die Abstammungslinie San Myung Muns und seiner Frau, die ihn damit als seine "Wahren Eltern" gleichsam "adoptieren". Die in der Öffentlichkeit bekannten "Massenhochzeiten" per Satellit in großen Stadien in vielen Städten der Welt gleichzeitig werden nun als eine Segnungszeremonie verstanden, die das Paar geistig mit ihrer neuen Abstammungslinie verbindet. Die Segnungszeremonie wurde in den letzten Jahren von einer Mitgliedschaft in der Vereinigungskirche getrennt; sie steht auch Nicht-Anhängern offen, die die "Göttlichen Prinzipien" verstanden haben und sich zu einer gottzentrierten Ehe ohne Scheidung verpflichten.(4)

Mit dem Ja zum Gelöbnis verspricht das Paar bei der Segnungsfeier Gott und einander, die eheliche Segnung zu verwirklichen: "Wollt ihr geloben, das himmlische Gesetz zu befolgen als ursprünglicher Mann und als ursprüngliche Frau und, solltet ihr versagen, gelobt ihr, die Verantwortung dafür zu übernehmen?
Wollt ihr als ein idealer Mann und als eine ideale Frau geloben, eine ewige Familie zu errichten, mit der Gott glücklich sein kann?

Wollt ihr geloben, die himmlische Tradition zu ererben und als ewige Eltern des Guten eure Kinder zu erziehen, Vorbilder dieses Standards gegenüber der Familie und der Welt zu sein?
Wollt ihr geloben, auf der Grundlage der idealen Familie das Zentrum der Liebe zu sein gegenüber der Gesellschaft, der Nation und dem Universum?"(5)

Viele Eheschließungen von Mun-Anhängern sind "gematcht": Anhand von Photos sind von Sun Myung Mun Partner füreinander gewählt worden, die häufig aus unterschiedlichen Kulturkreisen stammen und einander vor der Eheschließung manchmal nicht gesehen haben. Die Partnerwahl durch San Myung Mun wird von Anhängern nach eigenen Aussagen als Ehre betrachtet. Bisweilen ist bei den Zeremonien auch nur ein Partner anwesend; der Anwesende hält dann ein Photo seines Partners in der Hand.

Ein Beitritt in die Vereinigungskirche erfolgt durch die Anerkennung der "Göttlichen Prinzipien" und Sprechen des 1995 neu gefaßten "Familiengelöbnisses". Die Neufassung des Gelöbnisses verzichtet auf das Geloben von "ich will (...) mutig das Lager der Feinde angreifen" und "Ich werde unter Einsatz meines Lebens kämpfen" und lautet nun wie folgt:

  1. "Wir, als Familie, gegründet auf die wahre Liebe, geloben unsere wahre Heimat zu finden, und das ursprüngliche Schöpfungsideal, das Reich Gottes auf Erden und im Himmel, zu errichten .
  2. Wir, als Familie, gegründet auf die wahre Liebe, geloben Gott und den wahren Eltern Herzenserwiderung, um als wahre Familie den Kosmos zu repräsentieren und sein Mittelpunkt zu werden. Wir geloben, unsere Aufgaben als treue Söhne und Töchter in der Familie, als Patrioten unsres Landes, als Heilige in der Welt und als wahre Söhne und Töchter des Himmels und der Erde zu erfüllen.
  3. Wir, als Familie, gegründet auf wahre Liebe, geloben, die Vier Großen Herzensbereiche, sowie die Souveränität der Drei Generationen und die Tradition der Wahren Königlichen Familie zu verwirklichen.
  4. Wir, als Familie, gegründet auf wahre Liebe, geloben, das Schöpfungsideal Gottes, die kosmische Familie, zu schaffen, und die Welt der Freiheit, des Friedens, der Vereinigung und des Glücks zu verwirklichen.
  5. Wir als Familie, gegründet auf wahre Liebe, geloben, den Prozeß der Vereinigung der himmlischen Liebe als Subjekt mit der irdischen Welt als Objekt stetig voranzubringen.
  6. Wir, als Familie, gegründet auf wahre Liebe, als Stellvertreter Gottes und der Wahren Eltern, geloben, eine Familie zu werden, die die Gunst des Himmels erwirkt und den himmlischen Segen weitergibt.
  7. Wir, als Familie, gegründet auf wahre Liebe, geloben, die Welt der Kultur des Herzens zu verwirklichen, die mit der ursprünglichen Abstammungslinie verbunden ist."(6)

* Werbung

Die Mun-Bewegung hatte sich in der Vergangenheit ein zweifelhaftes Image erworben, weil in Anwerbung und Mitgliedschaft deutliches Konfliktpotential offenbar geworden war. Neue Anhänger wurden insbesondere durch Straßenmission geworben, ins Zentrum gebracht und einem sogenannten "love bombing" durch Mitglieder ausgesetzt: der Interessierte sollte den Eindruck eines neuen Freundeskreises gewinnen. In 2 bis 3-, 7- und 21-Tage-Seminaren in einem der Zentren wurde der Interessierte schließlich gezielt in eine Mitgliedschaft geführt. Angehörige und Aussteiger berichteten u. a. von folgenden Konsequenzen: Abbruch bisheriger sozialer Beziehungen, intensiver Einsatz für die Bewegung durch Fundraising und Mission, z. T. Einsatz im Ausland, Leben in Wohngemeinschaften der Bewegung, Abbruch von Ausbildungsgängen und bisheriger beruflicher Tätigkeit. Dadurch geriet die Bewegung in der Öffentlichkeit in heftige Kritik.

In den letzten Jahren scheint ein deutlicher Wandlungsprozeß in Gang gekommen zu sein: Neben inhaltlichen Anpassungen der Programmatik nimmt man zunehmend von der Straßenwerbung Abstand und hat diese durch das Werbungskonzept einer "Home Church" abgelöst. Hier leisten Mitglieder in ihrer jeweiligen Umgebung soziale Hilfestellung und versuchen so, durch ihren in dieser Weise gelebten Glauben für diesen zu werben und neue Mitglieder zu gewinnen. Durch die programmatische Gewichtung des Aspekts "Familie" setzt sich die Anhängerschaft inzwischen überwiegend aus Familien mit Kindern zusammen. Auch der Öffnung der Segnungszeremonie für Nicht-Mitglieder kommt möglicherweise werbende Bedeutung zu.

Sitz

Schwerpunkte der Verbreitung der Vereinigungsbewegung sind Japan, die USA und Lateinamerika. Für Deutschland wird die Zahl der Mitglieder mit 800 - 1000 angegeben.

Die deutsche Geschäftsstelle der Vereinigungskirche e. V. befindet sich in Hessen. Bereits in den 70er Jahren wurden zwei Zentren im Taunus und in Mittelfranken erworben. Der Berliner Sitz befindet sich im Bezirk Zehlendorf.


Quellenverzeichnis:
1 Vereinigungskirche e. V.: Ein Prophet spricht, Die Worte des Rev. San Myung Mun, 1976, S. 41
2 weiterführende Information u. a. in Gasper/Müller/Valentin (Hrsg.): Lexikon der Sekten, Sondergruppen und Weltanschauungen, Herder Spektrum, Freiburg 1994, S. 705 f.
3 Reinhart Hummel: Vereinigungskirche und Munbewegung, in: Materialdienst der EZW 12/92, S. 349
4 Reinhart Hummel: Vereinigungskirche im Wandel, in: Materialdienst der EZW, 7/97, S. 207
5 Vereinigungskirche e. V.: Segen der Liebe, Kando-Verlag GmbH, 1995, S. 28 f.
6 Vereinigungskirche e. V.: Familiengelöbnis, zitiert nach Reinhart Hummel: Vereinigungskirche im Wandel, in: Materialdienst der EZW, 7/97, S. 205 f.


7.2. Gruppen mit heidnischem Hintergrund
7.2.1. Germanische Glaubensgemeinschaft e. V.
7.2.2. Heidnische Gemeinschaft e. V.


7.2. Gruppen mit heidnischem Hintergrund


Nicht in kalten Marmorsteinen,
nicht in Tempeln, dumpf und tot,
in den frischen Eichenhainen
webt und rauscht der deutsche Gott

Ludwig Uhland

Seit den 80er Jahren ist eine Zunahme von Gruppen und Grüppchen mit heidnischem Hintergrund zu verzeichnen, die zu einer bunten neuheidnischen-neugermanischen Szene vielgestaltiger Ausprägung geführt haben. Gespeist wurde diese Entwicklung unter anderem von einem Trend in der Alternativ- und Esoterikszene, vermeintlich heile Welten und "verlorengegangenes Wissen" aufzusuchen, um ökologische, soziale und persönliche Probleme mit einem neuen (alten) Ansatz ganzheitlich anzugehen. Das Interesse galt nun Hexen und Wiccakulten, Naturgöttern, Runenorakeln, Goden und Druiden, matriarchaler Spiritualität, man begann in heilige Haine, an heilige Steine und Kraftplätze zu pilgern, verspürte Energieströme und erhoffte neue harmonische Einklänge von Mensch, Natur, Gott und Kosmos. Bisweilen handelte es sich dabei um eine bewußte Abkehr vom Christentum und einer von christlicher Ethik geprägten Gesellschaft, deren Schwierigkeiten - insbesondere in ökologischer Hinsicht - mit den bisherigen Mitteln nicht lösbar erschienen. Ein zuweilen schlichtes "Zurück zur Natur" sollte Abhilfe schaffen für Fehlentwicklungen einer Kultur. Dabei war man sich offensichtlich nicht immer bewußt, daß das heidnische Feld nicht unbestellt vorgefunden wurde: Alte und neue Rechte hatten bereits "Blut und Boden" besetzt und heidnisch-germanische Religiosität und Symbolik in Anknüpfung an den Nationalsozialismus einseitig definiert.

Aufgrund mangelnder gesicherter Quellen über eine alte heidnische Naturreligion und deren Kultus gibt es mannigfaltige Interpretations- und Gestaltungsmöglichkeiten. Das führte - gepaart mit einem undogmatischen und individualistischen Verständnis heidnischer Religion - zu häufigen Spaltungen, Knospungen wie auch Dachorganisations- und Vernetzungsbestrebungen der neuheidnischen Szene. Dementsprechend sind die Mitgliederzahlen der Gruppen, i. d. R. in der Rechtsform eines Vereins, oft sehr gering. Inhaltlich zu unterscheiden sind zwei Grundtendenzen:

  1. völkisch orientierte Gruppen mit rassistischen Elementen, sozialdarwinistischem Menschenbild und politisch rechter bis rechtsextremer Ausrichtung, die Symbolbesetzung im Rahmen heidnischer Religiosität lediglich zur Verbrämung für extreme politische Zielsetzungen und Trägersubstanz für eine Mitgliederwerbung, die über die einschlägigen Randbereiche der Gesellschaft hinausreicht, nutzen,
  2. religiös orientierte Gruppen mit dem Bestreben, europäische Naturreligion wiederzubeleben bzw. neu zu gestalten, die in Theorie und Kultus synkretistisch-eklektizistisch unterschiedlichste Aspekte (u. a. esoterische, astrologische, theosophische, ökologische, feministische) integrieren.

In Bewertungen sollte eine Trennung beider Richtungen versucht werden, um nicht undifferenziert alle heidnisch-germanisch orientierten religiösen Gruppen in eine "rechte Ecke" zu stellen. Diese wünschenswerte Trennung ist umso schwerer zu vollziehen, als die Grenzen fließend sind und Protagonisten beider Richtungen auf zeitweilige Doppelmitgliedschaften zurückblicken. Überdies fehlt es in vielen Fällen bei eher religiös orientierten heidnischen Gruppen, die sich auf Nachfrage oder in ihrer Satzung von rassistischen Inhalten distanzieren, an einer tatsächlich eindeutigen Abgrenzung von völkisch orientierten Gruppen: So werden beispielsweise weiterhin Kontakte gepflegt, wechselseitig Veranstaltungen besucht, Vorträge gehalten; in den gruppeneigenen Periodika wird aufeinander hingewiesen oder annonciert. Offen bleiben muß, ob dieses diffuse Verhalten der eher religiös orientierten Gruppen durch eine entgegen eigener öffentlicher Darstellung doch weitergehende gemeinsame Grundgestimmtheit mit völkisch orientierten Gruppen motiviert ist oder ob man sich dadurch die Tür zu potentiell mehr Einfluß, Geltung und Mitgliederzuwachs aus dieser Szene offenhalten möchte. Auf jeden Fall scheint auch die völkisch orientierte Seite ein Interesse daran zu haben, offensichtlich bestehende Schnittmengen mit Leben zu erfüllen und die Grenzen fließend zu halten, weil die moderaten heidnischen Gruppen mit ihrem oft betont ökologischen Impetus Mitglieder auch in alternativen Kreisen rekrutieren können, die sie selbst noch nicht zu erreichen vermögen.


7.2.1. Germanische Glaubensgemeinschaft e. V. (GGG)


Wir sind leider keine Wölfe mehr,
wir sind Hunde. Wir sollten aber immer das
ursprüngliche Wolf-Bewußtsein in uns
bewahren und versuchen, es so oft wie
möglich zu leben.

Géza v. Neményi

Gründung

Mit Beginn unseres Jahrhunderts nahm die Zahl neugermanischer und deutsch-völkisch religiöser Gruppen deutlich zu. In diesem Zusammenhang ist auch die Gründung einer ersten "Germanischen Glaubens-Gemeinschaft" um Ludwig Fahrenkrog zu sehen, zu der sich 1913 verschiedene Gemeinschaften dieses Spektrums ("Germanisch-Deutsch-religiöse Gemeinschaft", Nornenloge "Urdabund", "Große Germanenloge", "Wodangesellschaft") zusammenschlossen. In der Zeit des deutschen Faschismus wurden heidnisch-germanische Gruppen vielfach als Konkurrenz zur eigenen nationalsozialistischen Ideologie empfunden. Möglicherweise in diesem Zusammenhang wurde der GGG 1936 ein Verbot öffentlicher Veranstaltungen auferlegt. Nach dem Tod Fahrenkrogs 1952 bestand die GGG noch bis 1964; das Interesse der verbliebenen Mitglieder an der Fortführung schien gering zu sein; man ließ den Verein im Vereinsregister löschen.

Die zweite Germanische Glaubensgemeinschaft e. V. wurde 1991 gegründet. Anlaß dieser Gründung war ein Richtungsstreit im Verein "Heidnische Gemeinschaft"; der bisherige Vorstandsvorsitzende und einige Mitglieder verließen diesen Verein, um fürderhin in der GGG ihre Ideen zu verwirklichen.

Zu ihrer Tradition tut die neue GGG Widersprüchliches kund: Einerseits weist die Satzung unter § 2 aus: "Die Gemeinschaft ist ein religiöser Verein im Sinne der Verfassung Deutschlands. Sie wurde im Jahre 1907 begründet."(1) Mit der "Artgemeinschaft e. V.", die sich ebenfalls als Rechtsnachfolgerin der alten GGG Fahrenkrogs fühlt, führte die GGG gar einen Rechtsstreit zu dieser strittigen Frage, der zugunsten der GGG entschieden wurde.(2) Andererseits betonte sie 1995 in einem Schreiben an den Petitionsausschuß des Abgeordnetenhauses von Berlin ausdrücklich, die 1991 in Berlin eingetragene GGG sei nicht Rechtsnachfolger der alten GGG Ludwig Fahrenkrogs, sondern habe den Zweck, den alten Vereinsnamen mit neuem Inhalt wiederaufleben zu lassen. Die neue GGG habe mit der 1964 gelöschten alten GGG nichts zu tun. 1997 wiederum wirbt sie in ihrem Flyer für sich als eine Gemeinschaft, "die im Jahre 1907 durch Professor Ludwig Fahrenkrog gegründet wurde".(3)

* Struktur

Geleitet wird der neue GGG-Verein von den beiden Vorsitzenden des Goden- und des Gemeinschaftsrates, die - auf unbestimmte Zeit - die Vorstandsämter innehaben. Neben der Mitgliedschaft im Verein gibt es einen Förderkreis von Freunden, die den Verein finanziell unterstützen und an allen Veranstaltungen jedoch ohne Stimmrecht teilnehmen können.

Programmatik

Auf poly- und pantheistischer Grundlage nimmt die GGG Märchen, Sagen, Edda-Handschriften, Rigveda etc. auf. Über die Quellenlage sorgt sich der Leiter der GGG nicht: "Es ist genug da. Wir sehen auch zu den Römern und Griechen und Indogermanen. Wir haben mehr Quellen als ein Heide vor 1000 Jahren je hatte. Wir haben mehr Material als die Leute früher."(4) Er versucht mit großem Engagement, aus diesen Quellen eine - nach eigenem Anspruch authentische - heidnisch-germanisch-keltische Götterreligion zu rekonstruieren. Vereint wird der Glaube an Göttinnen und Götter als kosmische Kräfte in All und Natur, an astrologische Deutungen und Runenorakel, an die Unsterblichkeit der Seele, an Reinkarnation und karmische Tun-Ergehen-Zusammenhänge. Ziel heidnischer Religion sei, den Menschen wieder in Einklang mit Natur und Göttern zu bringen. Polytheismus betrachtet er dafür als eine Voraussetzung: "Ein Gott schafft Einfalt, viele Götter schaffen Vielfalt."(5) Andererseits formuliert er in o. g. Interview zu seiner Glaubenswelt: "In erster Linie polytheistisch, aber auch pantheistisch. Letztendlich, wenn man Allvater jetzt besonders hervorkehren will, auch monotheistisch. Also wir haben alles."(6)

Eine politische Zielsetzung verfolgt der Verein - nach eigenen Angaben - nicht. In seiner Satzung distanziert sich der Verein von allen totalitären Ideologien. Die deutsche Demokratie wird dennoch als ein "undemokratisches System" bezeichnet, das aus dem "römisch-christlichen Obrigkeitenstaat abgeleitet"(7) sei. Als demokratische Alternative wird das Thingsystem - von großem Stammesthing als Gesetzgeber, kleinen Thingbereichen bis hin zum Dorfthing, wo über dörfliche Angelegenheiten beraten werde - empfohlen. Das grundsätzlich Alternative daran bzw. dessen Praktikabilität in der modernen Gesellschaft bleibt offen.

Die Abgrenzung zu völkisch orientierten Gruppen erscheint zuweilen unscharf, und es wird vermutet(8), daß man sich von dieser eher diffusen Haltung Einflußmöglichkeiten auf die vielgestaltige Heidenszene offenhalten will.

Zur Frage Menschenrechte und Menschenwürde wird ein Menschenbild vertreten, das eine Spannung zum Grundgesetz erkennen läßt, welches eine Teilbarkeit dieser Grundrechte nicht kennt. Anläßlich des Brandanschlags auf eine Lübecker Kirche, bei der von den Brandstiftern Hakenkreuze und der Name des Pfarrers, der einer muslimischen Familie mit vier Kindern Kirchenasyl gewährt hatte, auf eine Wand gemalt wurden, wird in der GGG-Vereinszeitung der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz zitiert, der den Anschlag als "Versuch, mit Gewalt gegen die christliche Überzeugung vorzugehen (wertete), daß Menschenwürde und Menschenrechte allen Menschen, auch den Fremden zukommen"(9). Die GGG-Vereinszeitung kommentiert: "Man fragt sich dabei allerdings, was von Fremden zu halten ist, die unseren Behörden vorlügen, in ihrer Heimat verfolgt zu werden, und die dann die Entscheidung unseres Staates gesetzwidrig nicht befolgen. Wer so gegen unser Gemeinwesen handelt, hat das moralische Recht verloren, von der Gesellschaft Menschenrecht und Menschenwürde einfordern."(10) 

Der Leiter der GGG plädiert für ein weitgehend instinktgeleitetes Handeln, das dem Verstand überzuordnen sei, da es ein göttlich inspiriertes Handlungsprogramm darstelle. Das führt ihn zu einem sozialdarwinistischen Menschen- und Gesellschaftsbild: "Bei den Germanen war es erlaubt, ein neugeborenes Kind auszusetzen, wenn es z. B. verkrüppelt war oder wenn die Familie keine Möglichkeit hatte, es aufzuziehen. Auch hier waren also menschliche Regeln im Einklang mit dem Instinkt.
In der Natur ist es so geregelt, daß das Kranke und Schwache untergeht. Das mag für den christlich beeinflußten Menschen grausam klingen, aber es ist im Interesse der Arterhaltung dringend notwendig. Würde sich das Schwache weiter fortpflanzen, würde die ganze Art immer schwächer und dekadenter. Nur in einem gesunden Körper kann auch ein gesunder Geist sein. Leider wird dieses Naturgesetz heute ad absurdum geführt,(...)."
(11)
 "
- Sterbehilfe bzw. Euthanasie gelten als barbarisch. Schlimmer ist allerdings, daß auch derart Kranken die Möglichkeit der Fortpflanzung gegeben wird. Die zukünftigen Generationen werden sich über die vielen Erbkrankheiten bei uns bedanken. (...) Wenn wir also heutzutage von instinktlosen Neidingen umgeben sind, dann können wir vielfach gar nicht instinktiv handeln. Wir machen uns strafbar, wenn wir z. B. ein krankes Neugeborenes aussetzen (...), weil die christliche Gesellschaft unsere natürlichen Instinkte bekämpft."(12)
 "
Statt instinktiv einen bewährten, starken Freier zu wählen, wählt heute manche Frau den kranken, schwachen, und - noch schlimmer - setzt auch noch Kinder von ihm in die Welt."(13)
"
Um die fehlenden Instinktmuster wiederzufinden, müssen wir dort suchen, wo Instinkt im großen Maße vorhanden ist: Bei den Tieren. Menschliches Verhalten ist also mit tierischem zu vergleichen und darauf abzustellen."(14)  Als Orientierung empfiehlt der Leiter der GGG in seinem Artikel insbesondere den Wolf.

* Feindbilder

Nach eigenen Angaben fühlt sich die GGG der Toleranz verpflichtet, die dem heidnischen Weltbild entspreche.

Entgegen dieser Selbstdarstellung werden Kritiker dennoch schnell zu Feinden erklärt. Bisweilen disqualifiziert dabei bereits die Sprache: Kirchenvertreter werden als "Inquisiteure", Senatsmitarbeiter als "Kleriker", Mitglieder einer Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages als "selbsternannte Inquisiteure" bezeichnet.

Wo gemeinsame Feindbilder (insbesondere Kirche, Staat) ausgemacht werden, scheinen Bündnisse naheliegend und Inhalte offensichtlich belanglos. Sie lassen den Vereinsvorsitzenden der GGG gar zum Verteidiger des Wirtschaftskonzerns Scientology werden: "Wir Heiden vertreten ein anderes Weltbild als die Hubbard-Kirche, aber die Angriffe einzelner Vertreter des Staates gegen Scientology dürfen uns nicht egal sein."(15)  Zum Umgang mit Kritikern schreibt der Vereinsvorsitzende in diesem Zusammenhang: "Möglicherweise muß man einigen Sektenkritikern die grundgesetzlich garantierte Glaubens- und Bekenntnisfreiheit erst einprügeln, damit sie kapieren, daß das Dritte Reich und die Zeit der Hexenverfolgung vorbei sind."(16)  Hier wird scientologische Argumentation bruchlos übernommen. Ausführlich beschreibt der GGG-Vorsitzende, der sich nach der Satzung der GGG von allen totalitären Ideologien distanzieren muß, die Scientology-Organisation, deren totalitäre Tendenzen in der Öffentlichkeit bekannt sind und in der von Experten eine neue Form des Extremismus gesehen wird, als eine von Staat und Kirche verfolgte Religionsgemeinschaft.

Die Toleranz und Gelassenheit, die von Andersdenkenden oder -glaubenden eingefordert wird, ist man in der GGG vielfach nicht in der Lage selbst aufzubringen.

So fühlte sich der Leiter der GGG anläßlich des Papstbesuchs in Berlin 1996 durch "Odin" in die Pflicht genommen ("Gib deinem Feind nicht Frieden!") und rief in der Vereinszeitung zum Kampf auf, der schließlich auf magischer Ebene geführt wurde.

Doch klingen auch härtere Gangarten an. Neben antichristlichen Artikeln werden im Pressespiegel der Vereinszeitschrift regelmäßig und unkommentiert Berichte von Anschlägen auf Kirchen und Friedhöfe ("Holzkreuz umgesägt", "Altar angezündet" etc.) plaziert. Unter der Überschrift "Kirche zu Vollmond abgebrannt" wird erklärt: "Der Brand am Tage des Vollmonds ist kein Zufall und er verdeutlicht aufs neue, daß die Kirche nicht im Einklang mit den kosmischen Kräften ist."(17) 

Sitz

Der Verein feiert heidnische Kult- und Brauchtumsfeste im Freien und veranstaltet öffentliche Vorträge zu entsprechenden Themen in einer Wohnung im Bezirk Charlottenburg, die i. d. R. sehr spärlich besucht werden. Die GGG gibt Themenhefte in einer "Germanischen Reihe" zu heidnischen Themen heraus; alle zwei Monate erscheint das Heft "Germanen Glaube - Deine Tat bist du" u. a. mit einem ausgewählten Pressespiegel, Beiträgen über germanisches Brauchtum, Kultstätten, das Leben Ludwig Fahrenkrogs und Berichten und Hinweisen anderer neuheidnischer Gruppen.

Das Handbuch des Rechtsextremismus gibt die Zahl der Mitglieder mit ca. 250 an.(18) 


Quellenverzeichnis:
1 GGG: Verfassung der Germanischen Glaubens-Gemeinschaft 1., § 2, S. 1
2 Stefanie von Schnurbein: Göttertrost in Wendezeiten, Claudius Verlag, München 1993, S. 44
3 GGG: Heidentum in Berlin, Programm Nr. 1, 1997
4 Materialdienst der EZW 4/97: Interview mit Géza von Neményi, S. 117
5 Geza v. Nemenyi: Neuheidnische Gemeinschaften, S. 21
6 Materialdienst der EZW 4/97: Interview mit Géza von Neményi, S. 116
7 GGG: Heidnische Naturreligion, 2. Auflage 1992
8 Materialdienst der EZW 4/97, S. 108 und Stefanie v. Schnurbein: Göttertrost in Wendezeiten, a. a. O. S. 42
9 GGG: Germanenglaube, Nr. 2, Sommer 1997, S. 4
10 ebenda
11 GGG: Germanenglaube, Nr. 2, 1996, S. 19
12 ebenda S. 19
13 ebenda S. 18
14 ebenda S. 17
15 GGG: Germanenglaube, Nr. 1, Frühling 1997, S. 12
16 GGG: Germanenglaube, Nr. 1, Frühling 1997, S. 15
17 GGG: Germanenglaube, Nr. 2, Sommer 1997, S. 4
18 Jens Mecklenburg (Hrsg.): Handbuch des Rechtsextremismus, Elefanten Press Verlag GmbH, Berlin 1996, S. 383


7.2.2. Heidnische Gemeinschaft e. V. (HG)


Sie reichten mir weder Brot noch Trinkhorn,
da spähte ich nieder, raffte die Runen,
schreiend ergriff ich sie
und fiel dann vom Holz.

Runenlieder, 139. Str.

Gründung

Die Heidnische Gemeinschaft e. V. (HG) wurde 1985 gegründet. Von 1985 bis 1991 war der derzeitige Vorsitzende der GGG Vorstandsvorsitzender der HG. Durch Richtungsstreit und Spaltung, die zur Gründung der GGG führte, und das Verbot einer Doppelmitgliedschaft sank die Mitgliederzahl der ohnehin nicht großen HG 1992 deutlich. Ursprünglich war von der GGG an eine Übernahme der HG als Landesverband der GGG gedacht, gegen den sich jedoch die HG-Mitglieder mehrheitlich aussprachen.

Programmatik

Die Satzung lehnt eine politische Zielsetzung ab und verlangt vom Mitglied u. a. eine Distanzierung von Faschismus und Rassismus. Inhaltlich möchte die HG ein Angebot für Menschen sein, "die sich zu den heidnischen Naturgöttern und zur germanisch-wendischen-keltischen Naturreligion bekennen"(1) und reklamiert für sich eine undogmatisch-tolerante Einstellung zu allen Lebensfragen.

Bereits zu Beginn der 90er Jahre kristallisierten sich drei unterschiedliche Strömungen innerhalb der HG heraus: Neben Mitgliedern, die ihren Schwerpunkt in der Arbeit an vor- und frühgeschichtlichen Themen sahen, standen die religiös und die spirituell orientierten Mitglieder. Das Miteinander schien ständiges Problem. In den letzten Jahren sind weitere, eher zeitgeistige Trends integriert worden. So wird neben

Die von einem HG-Mitglied gegründete, früher von der HG unabhängige Zeitung "Der Runenstein" wird seit 1996 vom Leiter der HG herausgegeben und innerhalb der HG redaktionell erstellt und verantwortet. Sie erscheint vierteljährlich.

Sitz

Die HG verfügt lediglich über eine Postfachanschrift. Die spärlich besuchten Vorträge finden im "Zentrum für ganzheitliche Heilkunde" in einer Wohnung im Berliner Bezirk Mitte statt.


Quellenverzeichnis:
1 Heidnische Gemeinschaft e.V.: Satzung, Paragraph 2, S. 1


7.3. Gruppen mit hinduistischem Hintergrund
7.3.1. International Society of Krishna Consciousness (ISKCON)
7.3.2. Osho-Bewegung (Bhagwan)
7.3.3. Ruhani Satsang (Thakar Singh)
7.3.4. Transzendentale Meditation (Maharishi Yogi)


7.3. Gruppen mit hinduistischem Hintergrund


Weil solche Menschen immer wieder
unter den Arten des dämonischen Lebens geboren werden,
können sie sich mir niemals nähern.
Allmählich sinken sie
in die abscheulichsten Formen des Daseins hinab.

Bhagavad-gita

Im traditionellen Verständnis missioniert der Hinduismus nicht. Die Mission neo-hinduistischer Gurus im Westen der 60er Jahre war jedoch nicht der erste Hindu-Missions-Transfer gen Westen, wohl aber der bislang wirkungsvollste. Die exportierte Form eines volkstümlichen mittelalterlichen Hinduismus mit seinem "Glauben an Guru-Verehrung, Mantra-Yoga, Kundalini-Erweckung, tantrische Yoga-Physiologie und an das vielgeschossige Weltbild", die nicht in intellektuell anspruchsvoller hinduistischer Sanskrit-Gelehrsamkeit, sondern vielfach in subjektiver religiöser und mystischer Erfahrung gründet(1), mag in der anti-intellektuell und anti-rational eingestellten Hippie-Jugend mit ihrer psychedelisch motivierter Bewußtseinserweiterung zugeneigten Lebenshaltung einen fruchtbaren Boden gefunden haben.

Konfliktreich sowohl gruppenintern als auch in bezug auf das gesellschaftliche Umfeld gestaltete sich der Weg der neuen Gruppen vor hinduistischem Hintergrund durch die Jahrzehnte, und manche Gruppe scheint erst in jüngster Zeit nicht allein Kinderschuhen entwachsen, sondern auch die Pubertät hinter sich lassen zu wollen.

Der Versuch der Inkulturation fremder Religion in eine Gesellschaft gänzlich anders geprägter Tradition begegnete Schwierigkeiten, wie sie nicht zuletzt auch aus der christlichen Missionsgeschichte bekannt sind. So mußten in der egalitären westlichen Gesellschaft ungebrochen implantierte autoritäre Guru-Jünger-Beziehungen zu individuellem und familiären Sprengstoff werden, so mußte hinduistisches Verschmelzen von Individualität in einer All-Einheit auf Unverständnis und Unbehagen in einer Gesellschaft stoßen, die voranschritt auf dem Wege ausgeprägter Individualisierung und dem einzelnen Selbstverwirklichung gleichsam auferlegte. Zu wenig Augenmerk wurde den Risiken eines mit Ernst beschrittenen spirituellen Weges zuteil: Für psychisch labile Menschen können von Meditations- und Yogatechniken, die auf bewußtseinserweiternde Grenzerfahrung zielen, gesundheitliche Gefährdungen ausgehen.

Nicht zuletzt aufgrund gesellschaftlicher Veränderungen scheint die Attraktivität neo-hinduistischer Gruppen in den 80er und 90er Jahren geschwunden und sich zugunsten esoterischer Angebote und christlich-fundamentalistischer Gruppen verschoben zu haben. Nennenswerten Zugewinn an Anhängern können lediglich solcherart Gruppen verbuchen, die sich zeitgeistigen Trends wie Esoterik, Therapie und Pseudotherapie mit Unterhaltungs- und Erlebnischarakter öffneten oder erfolgreich den alternativen Gesundheitsmarkt besetzten. Gruppen wie Ananda Marga, Sri Chinmoy, Brahma Kumaris verloren in Berlin ihre Bedeutung, während sich die Osho-Bewegung weiterhin eines großen sympathisierenden Umfelds erfreut.


Quellenverzeichnis:
1 Reinhart Hummel: Gurus in Ost und West, Quell Verlag Stuttgart, 1984, S. 16 ff.


kommerziell:
7.3.1. International Society of Krishna Consciousness (ISKCON)


Hare Krishna, Hare Krishna,
Krishna, Krishna,
Hare, Hare,
Hare Rama, Hare Rama,
Rama, Rama,
Hare Hare(1)

Gründung

Der Bengale Abhay Charan Bhaktivedanta Swami Prabhupada (1896 - 1977) ging 1965 nach New York und gründete 1966 die "International Society für Krishna Consciousness" (ISKCON) mit dem Ziel, das "Krishna-Bewußtsein" in der westlichen Welt zu verbreiten. Der erste Krishna-Tempel in Deutschland wurde 1969 eröffnet.

* Struktur

Im Jahre 1970 setzte Swami Prabhupada einen Verwaltungsrat ein, die aus 12 männlichen Mitgliedern bestehende "Governing Body Commission" (GBC) " als "direct represantatives to act as the instrument for the execution of the will of His Divine Grace"(2), die noch heute das oberste Leitungsgremium der Bewegung bildet. Einige dieser Mitglieder gehörten auch zu den 11 Personen, die er kurz vor seinem Tode zu "spirituellen Meistern" bestimmte. Die Erde wurde in Regionen und Zuständigkeiten gegliedert.(3) Nur wenige dieser spirituellen Meister sind heute noch tätig, unter ihnen Harikesa Swami, zuständig für Nord-, West- und Mitteleuropa. Insgesamt gibt es derzeit rund 70 spirituelle Meister.(4)

Das GBC besteht inzwischen aus ca. 30 Mitgliedern, unter ihnen seit kurzem auch die erste Frau. Mindestens einmal jährlich trifft sich das GBC in Mayapur/Westbengalen.

Neben ideellen Fördermitgliedern der Krishna-Bewegung gibt es Bhaktas ("hingegebener Diener"), welche in die Schülernachfolge eingeweiht werden können.

Programmatik

Die Lehre der ISKCON gründet in den vedischen Schriften, insbesondere der Bhagavad-gita (Sanskrit: "Des Erhabenen Gesang"), für deren traditionstreue ("Wie Sie Ist") Exegese Swami Prapupada sorgte.

Für die ISKCON ist Krishna der höchste und persönliche Gott, "Krishna-Bewußtsein" die liebende Beziehung zu Krishna. Das wahre Selbst des Menschen sei seine spirituelle Seele; man glaubt an Reinkarnation und karmische Tun-Ergehens-Zusammenhänge, die über eine Läuterung zur Erlösung aus diesem Kreislauf führen, aber auch an fatalistisches Karma(5) und praktiziert Bhakti-Yoga. Nach einem zyklischen Verständnis der Weltenläufte in einem Wandel von Aufstieg und Niedergang sei vor 5000 Jahren das Kali-Yuga (das eiserne Zeitalter von Streit und Heuchelei) angebrochen und habe eine Phase des Niedergangs eingeläutet. Ähnlich der apostolischen Sukzession(6) der katholischen Kirche geht die ISKCON von einer bis zu Krishna zurückreichenden ununterbrochenen Schülernachfolge aus. Im Jahre 1486 habe es eine göttliche Reinkarnation ("avatara") von Krishna in dem Bengalen Sri Chaitanya gegeben. Dieser begründete die Bewegung für Krishna-Bewußtsein und führte das "chanten" ("sankirtan") des Krishna-Namens als Heilsweg für das Kali-Yuga ein.(7)

Noch heute sollte das "Chanten" des bekannten "Hare-Krishna-Mantras" (siehe Fußnote(1)) täglich mindestens 1718 mal erfolgen, um die liebende Beziehung zu Krishna wiederzuerwecken, die durch Sinnesgenuß und Materialismus pervertiert sei.

Den geweihten Anhängern obliegt die Einhaltung von vier Prinzipien: Verzicht auf fleischliche Nahrung, Fisch, Eier, Tee, Kaffee, Alkohol u. ä. Stimulantien, Glücksspiel und außereheliche Sexualität.

* Kritik und Reform

Um den Ruf der ISKCON stand es lange Zeit aus verschiedenen Gründen nicht zum besten. Anläßlich des 25jährigen Bestehens von ISKCON-Deutschland fand eine Konferenz der "Akademie für Vaishnava-Kultur" statt, in deren Verlauf auch selbstkritische Töne zu hören waren: "Zurückblickend müssen wir feststellen, daß wir immer wieder gravierende Fehler im Umgang mit der Öffentlichkeit, mit Familien und Institutionen gemacht haben. (...) Seit den Anfangstagen der ISKCON haben wir einiges dazugelernt, trotzdem liegt noch ein langer Weg vor uns."(8)

* Schein und Sein

Zum einen waren es offensichtliche Diskrepanzen zwischen lichtvoller Selbstdarstellung der Bewegung und düsteren Verfehlungen von bisweilen gar strafrechtlicher Relevanz durch führende Anhänger, die der Bewegung schwer schadeten. Spektakulärster Fall war der des engsten Vertrauten Swami Prabhupadas und von ihm eingesetzten spritituellen Meisters, Kirtanandana, der 1991 in den USA wegen Mordkomplotts, Drogenhandels und anderer Vergehen zu 30 Jahren Gefängnis verurteilt wurde.(9) Die Ereignisse um das Zentrum "Schloß Rettershof" (1974) beschäftigten intensiv die Gerichte, und lange Zeit fehlte es an selbstkritischer Reflexion der Geschehnisse. Auch im Flensburger Tempel habe es einen Fall langjährigen sexuellen Mißbrauchs an einem Kind durch einen Tempelbewohner gegeben, der zu einer rechtskräftigen Verurteilung führte. Hier reagierte die Organisation offensichtlich umgehend konstruktiv: Seither gebe es nach eigenen Angaben in jedem Tempel eine Beauftragte für dieses Thema, die sich fachlich qualifiziere und präventiv tätig sei.

* Konfliktfeld Familie

Zum anderen rankte sich ein üppiges Konfliktpotential um die Anwerbung z. T. noch minderjähriger jugendlicher Anhänger, die unter dem Eindruck der früher massiven Werbung in pubertärem Ganz-oder-Garnicht alle Brücken zu Familie und bisherigen Freunden samt schulischer und beruflicher Perspektive radikal abbrachen, um in den Tempel zu ziehen und "krishnabewußt" zu werden; Jugendliche, die für ihre Eltern verschwunden blieben und Kontakt verweigerten (oder verweigern mußten?) oder von ihren Eltern bettelnd auf der Straße angetroffen wurden.

Auch auf dieses Problem hat die Organisation inzwischen reagiert. "Heute ermuntern wir niemanden mehr dazu, seine Ausbildung vorzeitig abzubrechen (...). Wir raten auch niemandem, seine beruflichen und familiären Pflichten aufzugeben. (...) Minderjährige dürfen sich nur mit der ausdrücklichen schriftlichen Erlaubnis ihrer Eltern einer Tempelgemeinschaft anschließen."(10) Nach eigenen Angaben ermuntere man nicht nur nicht mehr, sondern nehme niemanden mehr in den Tempel auf, der zu diesem Zwecke seine Schul- oder Berufsausbildung abbreche. Vielmehr bestärke man, diese abzuschließen, um sich einerseits in der Ernsthaftigkeit zu prüfen, andererseits um eine Perspektive zu besitzen, falls der Anhänger den Tempel wieder verlassen wolle. Für viele Anhänger bilde das monastische Leben (als "Mönch"/"Nonne") im Tempel zunehmend eine vorübergehende Lebensphase; die überwiegende Zahl der Anhänger gründe Familien. Zur Zeit denke man über eine Kranken- und Sozialversicherung der Tempelbewohner nach. Zur Entschärfung der Auseinandersetzungen mit Angehörigen der oft jungen Anhänger wurden regelmäßige Familientreffen eingeführt, in denen durchaus auch kritisch diskutiert werde.

* Spannung zum Grundgesetz

Kontrovers diskutiertes Thema durch die Jahre blieb das Menschen- und Gesellschaftsbild der ISKCON-Bewegung. Ausgerechnet das für Deutschland zuständige Führungsmitglied im GBC, Harikesa Swami, gab mit seinem Buch "Varnashrama Manifest der sozialen Vernunft" (1981) Anlaß zu Kritik. Der gedankliche Versuch, das Varnashramasystem in eine moderne Gesellschaft zu implantieren, führte in eine unfehlbare Theokratie, in der staatliche Gewalt allein religiös legitimiert ist, gestützt durch ein undurchlässiges Kastensystem, das bereits im Klassenzimmer trennt, zu Pressezensur und Gewaltanwendung zur Durchsetzung religiöser Prinzipien. Dieses Manifest fand innerhalb der ISKCON neben Akzeptanz auch Widerspruch: Inzwischen veröffentlichte die ISKCON eine Erklärung Harikesa Swamis, in der er das Manifest als seine persönliche Meinung qualifiziert, die nicht den offiziellen Standpunkt der ISKCON wiedergebe.

Doch auch bei Swami Prahupada selbst finden sich Aussagen zu Theokratie, Kastensystem und eigenem Führungsanspruch:
"Die Pflicht der Regierung besteht darin, darauf zu achten, daß sie (die Menschen) in die richtige Richtung arbeiten. Die richtige Richtung ist, Gott zu kennen und nach seinen Unterweisungen zu handeln."(11) Auf die Frage nach der Freiheit des einzelnen, einen Beruf zu wählen, antwortet Swami Prabhupada: "Wenn die Regierung nicht vollkommen ist, sollte ihr nicht gestattet sein, den Menschen vorzuschreiben, was sie zu tun haben. Aber wenn die Regierung vollkommen ist, kann sie das tun."(12) Es dürfe nicht jedem freistehen, den Standard von Glück zu erreichen, den er möchte: "Der Standard von Glück sollte den Eigenschaften gemäß vorgeschrieben sein. Die gesamte Gesellschaft muß in vier Gruppen(13) unterteilt werden."(14) Auf die Frage, wie unvollkommene Menschen in der Lage sein sollen, die "vollkommene Regierung" auszuführen, antwortet Swami Prabhupada: "Obwohl ihr unvollkommen sein mögt, werdet ihr vollkommen, wenn ihr meine Anweisungen ausführt. Ihr habt mich als euren Führer angenommen, und ich erkenne Gott als meinen Führer an. Auf diese Weise kann die Gesellschaft in vollkommener Weise regiert werden."(15)

* Stellung der Frau

Intensiv bemühen sich die krishnabewußten Frauen um eine Reform der Stellung der Frau in der Organisation, die sie für eine Verfälschung der Sicht Swami Prabhupadas halten. Seine Aussagen zu Gleichberechtigung sind durchaus widersprüchlich, aber wohl positiver als sie sich schließlich in der Praxis der Organisation manifestierten: "Doch die Bhagavad-gita bestätigt, daß Frauen in der Bewegung für Krishna-Bewußtsein ebenso kompetent sind wie die Männer. (...) Es kommt nicht darauf an, was die Herkunft eines Menschen ist. Auf der materiellen Ebene mögen Frauen vielleicht weniger intelligent sein, doch spirituell gesehen ist jeder eine reine Seele."(16)

Frauen in der Organisation verweisen nicht ohne Stolz auf den von ihnen gegründeten Frauenrat in Deutschland, der sich intensiv darum bemüht habe, die angestrebte Gleichberechtigung aus den Schriften Swami Prabhupadas herzuleiten. So sei in Deutschland - mit Billigung durch Harikesa Swami natürlich - viel erreicht worden: Frauen dürfen jetzt u. a. auch vorsingen und Vorlesungen und Seminare halten. Die strenge nachrangige Sitzordnung im Tempel ist in Berlin von einer Nebenordnung in zwei Blöcken abgelöst worden.

In der Organisation wächst das Bewußtsein, daß die Frage der Stellung der Frau maßgeblich die Attraktivität der Krishna-Bewegung für immerhin 50 % der Bevölkerung und damit auch das Wachstum der Bewegung beeinflußt: "Gender has been a slowly simmering issue, one which many ISKCON leaders have been extremely unwilling to acknowledge. Many women refuse to join an organisation which is fundamentally patriarchal. Although an increasing number of the GBC are sympathetic in regard to gender issues, the majority of members continue to resist change. Even the formation of a Women's Ministry by the North American GBC and temple presidents was criticised by many. How this important issue is handled will undoubtely affect ISKCON`s future development and growth."(17)

Die ISKCON muß in ihrer offensichtlichen Bemühung ernstgenommen werden, pubertäre Selbstausgrenzung aus der Gesellschaft hinter sich zu lassen und schlichte Feindbilder abzulegen. Ein innerer Reformprozeß ist im Gange, dem nicht durch eine undifferenzierte Ausgrenzung der Bewegung durch die Gesellschaft Kraft entzogen werden sollte. Das bedeutet nicht, fehlende Schnittmengen mit einem humanistischen Menschen- und demokratischen Gesellschaftsbild zu verschweigen, erfordert allerdings einen dialogischen Umgang.

Sitz

Ein Einfamilienhaus in Berlin-Schöneweide, in dem derzeit 8 Frauen und 2 Männer monastisch leben, bildet das Berliner Zentrum; man sucht inzwischen nach größerem Raum. Die Krishna-Bewegung zählt nach eigenen Angaben in Berlin ca. 70 Anhänger, davon ca. 40 Eingeweihte; deutschlandweit gibt es 11 Zentren und ca. 25 kleine "Namahatta-Zentren" mit ca. 400 Eingeweihten und einem Umfeld von ca. 5.000 der Bewegung Zugetanen.


Quellenverzeichnis:
1 "Krishna" ("der Allanziehende") und "Rama" ("der Quell der Freude") als Anredeformen und "Hare" als Anrufung der göttlichen Energie
2 Goswami, S. 1982: vol. IV: 103 - 4, in: ISKCON Communication Journal, Volume 5, Number 1, June 1997, S. 16
3 Ursula Zöpel: Aufstieg und Fall des ISKCON-Gurus Kirtanandana, in Materialdienst der EZW 4/92, S. 106
4 Schweizerische Gesellschaft für Krishna-Bewußtsein: Krishna-Bewußtsein, Hare-Krishna-Tempel, Zürich 1993, S. 7
5 "Wenn also leidvolle Umstände durch das Schicksal auf mich zukommen, wird das Gegenteil, das Glück, ebenfalls kommen. Warum soll ich meine Zeit mit dem Versuch verschwenden, auf diese Dinge Einfluß zu nehmen? Ich will lieber meine Energie für Krishna-Bewußtsein verwenden. das ist intelligent. Sie können Ihr Schicksal nicht ändern." in: HIS DIVINE GRACE A. C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada: Die Schönheit des Selbst, The Bhaktivedanta Book Trust, 1979, S. 166
6 ununterbrochene Weihe-Nachfolge
7 Schweizerische Gesellschaft für Krishna-Bewußtsein: Krishna-Bewußtsein, Hare-Krishna-Tempel a. a. O., S. 4 f. und 8 ff.
8 Daya Devi Dasi: ISKCON Deutschland: Rückblick und Ausblick, in: 25 Jahre ISKCON-Deutschland, Konferenz der Akademie für Vaishnava-Kultur am 29.01.94, Wiesbaden, Akademie für Vaishnava-Kultur e. V., S. 57
9 Ursula Zöpel: Aufstieg und Fall des ISKCON-Gurus Kirtanandana, in: Materialdienst der EZW 4/92, S. 109 f.
10 Daya Devi Dasi: a. a. O., S. 60
11 HIS DIVINE GRACE A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada: Die Schönheit des Selbst, Bhaktivedanta Book Trust, 1979, S. 176
12 ebenda S. 172
13 Brahmanas: gelehrte und fromme Lehrer/spirituelle Führer; ksatriyas: Militärs, Administratoren; vaisyas: Bauern, Kaufleute; sudras: Arbeiter
14 HIS DIVINE GRACE, a. a. O. S. 173
15 ebenda S. 177
16 Swami Prabhupada in: Die Frau im Krishna-Bewußtsein in: GOVINDA 1 - 4, 1993, S. 6
17 Tamal Krishna Goswami: The Perils of Succession, in: ISKCON Communication Journal, Volume 5, Number 1, June 1997, S. 39


7.3.2. OSHO-Bewegung (Bhagwan)


Ein Rolls Royce ist für spirituelles Wachstum das Beste.
OSHO(1)

Gründung

Im Jahre 1974 gründete der Inder Rajneesh Chandra Mohan (1931 - 1990) mit dem Ashram in Poona (Indien) die Neo-Sannyas-Bewegung, auch bekannt als Bhagwan- oder Osho-Bewegung.(2)

Nach eigenen Angaben fand er bereits 1953 zur Erleuchtung. Er sammelte Schüler um sich, zog schließlich 1974 nach Poona. Damals bestand ein großer Teil seiner Anhänger aus jungen Intellektuellen aus dem Westen. Auf der Flucht vor Gegnern und indischen Steuerbehörden ging Bhagwan 1981 nach Oregon (USA), um mit seinen Anhängern Rajneeshpuram, die Stadt der neuen Menschen zu errichten, die allerdings zunehmend totalitäre Züge annahm. Die Oregon-Phase war geprägt von immensen Konflikten im Binnenklima: "I gave you a taste of fascism" habe Bhagwan in einem Vortrag beiläufig gesagt.(3) Nach der Ausweisung Bhagwans durch amerikanische Behörden und rechtskräftigen Verurteilungen(4) wurde das für die Bewegung sehr dunkle Kapitel "Oregon" geschlossen: 1985/86 erfolgte die Rückkehr nach Poona.(5)

Das erste deutsche Zentrum wurde 1975 der "Purvodaya Rajneesh-Sannyas Ashram", ein Hof bei München, jedoch später aufgegeben. Weitere Zentren entstanden.

Sowohl die charismatische Persönlichkeit des Führers als auch seine Fähigkeit, unterschiedliche religiöse und philosophische Traditionen und alternative Therapieansätze zu verbinden und in sein System zu integrieren, führten zu einer hohen Anziehungskraft der Bewegung für "Zivilisationsgeschädigte" aus westlichen Ländern, die sich diffus auf der Suche nach alternativem Leben(6) begeben hatten. Die Attraktivität der Bewegung erfuhr durch Veränderungen des gesellschaftlichen Nährbodens und Oshos Tod im Jahre 1990 nur mäßige Einbuße, inhaltlich allerdings eine erneute Atomisierung. Sie verdankt beides ihrer Integrationskraft gegenüber mannigfaltigen zeitgeistigen Strömungen.

Programmatik

Die Osho-Bewegung versteht sich - bis auf die kurze Phase in Oregon, in der man eine Religion begründen wollte - als eine spirituelle Bewegung.

Eine konsistente Programmatik läßt sich inhaltlich kaum beschreiben. Systematisch scheint lediglich das Unsystematische und Widersprüchliche in Bhagwans Äußerungen zu sein. Darin mögen sowohl Spielfreude als auch ein New-Age-Verständnis von der Einheit der Gegensätze in ihrem Bedingungsgefüge zum Ausdruck kommen. Bhagwan hielt über viele Jahre hinweg tägliche Reden, die veröffentlicht wurden; entscheidende Themen waren Liebe, Sexualität, Meditation. Eine Lehre konnte und sollte offensichtlich daraus nicht erwachsen. Daß seine Anhänger überraschende und kapriziöse Kehrtwendungen in seinen Aussagen(7) ohne große Schwierigkeiten mitvollzogen, ist nicht allein Beweis der engen persönlichen Bindung an den Meister, sondern weist auch auf die verstandesabgewandte und erfahrungsbezogene Grundlegung der Bewegung(8) hin.

In Anlehnung an Ideen der Humanistischen Psychologie (beispielsweise W. Reich, A. Janov, Fritz Perls, G.I. Gurdjeff) ging Bhagwan davon aus, daß der westliche Mensch durch eine Überbetonung der ratio von seinem wahren Selbst, seinen Gefühlen und Bedürfnissen entfremdet sei. Zur Lösung(9) kombinierte Bhagwan Therapie mit religiösen Erklärungsmodellen und Praktiken insbesondere des Tantrismus und des Zen-Buddhismus und kreierte neue Meditationsformen, die "östlich" wie "westlich" sozialisierten Menschen gleichermaßen zugänglich sein sollten. Das Ziel eines freien Lebens im "Hier und Jetzt" gilt als Anbindung an kosmische Energie. Voraussetzung für diesen Weg sei u. a. das Ausleben von Sexualität als des Ausgangspunkts von Spiritualität, die durch Hingabe (surrender) und Annahme in Göttliches transzendiert werde. Wichtig sei darüber hinaus das meditative Bemühen um die bewußte Wahrnehmung des gegenwärtigen Augenblicks.(10) "Die Erfahrungen in den therapeutischen Gruppen und die Tanzmeditation sollen nun die blockierten Energien lockern, aufgestaute Aggressionen und Sexualität freisetzen und dadurch Selbsterfahrung und Bewußtheit (awareness) ermöglichen. Der Mensch müsse sich jedoch zuerst so akzeptieren, wie er ist. Schlechtes Gewissen, Sünde und Vergebungsbedürftigkeit seien nur von der Gesellschaft aufgezwungene Vorstellungen, die überwunden werden müßten. Das "Ego" müsse zertrümmert und der Versuch aufgegeben werden, das Leben vom Kopf, von erdachten Vorstellungen ("mind") her zu führen."(11)

Surrender manifestierte sich ganz besonders in liebender Hingabe an den Meister, die gleichermaßen gegen den Widerstand kritischen Denkens durchzuhalten gefordert war.(12) Viele Sannyasin(13) empfanden das als Bereicherung für ihr Leben. Welch ein Mißbrauchspotential nicht allein sexueller Art darüber hinaus damit u. a. auch gegeben war, liegt auf der Hand und ist von Aussteigern aus der Bewegung vielfach beschrieben worden.

Nach Oshos Tod trat ein Kreis von 21 Mitgliedern unter dem Vorsitz von Swami Jayesh und dem Leibarzt Amrito seine Nachfolge an.(14) Die "Osho-Commune" in Poona existiert weiter, wird u. a. auch von Nicht-Sannyasin zu Meditations-Urlaub aufgesucht. Die regionalen Osho- Meditationszentren sind rechtlich und wirtschaftlich eigenständig. Es gibt keine zentrale Kontrollinstanz, die Angebote oder Standards beeinflußt; jedes Zentrum ist für sein Angebot selbst verantwortlich. Unabhängig von den regionalen Zentren gibt es eine Fülle von Unternehmungen selbständiger Sannyas, die vielfältige esoterische, therapeutische u. ä. wie auch geschäftliche Angeboten umfassen. Dabei ist das Sannyasin-Sein des einzelnen oft vielmehr individuelle Lebenshaltung - mehr oder auch weniger erfolgreich "ganz entspannt im Hier und Jetzt" - als allein bestimmender Inhalt des geschäftlichen Angebots.

Mag auch manche Äußerung im Periodikum der Bewegung "OSHO TIMES" in bezug auf Kritiker noch frühkindlich anmuten und weiß mancher Angehörige eines Sannyasin oder beschäftigte Nicht-Sannyasin in einem von Sannyasin geführten Unternehmen auch heute noch Problematisches zu berichten, so kann die Osho-Bewegung als ein Beispiel dafür gelten, wie eine Bewegung im Laufe ihrer Entwicklung reifen und früherer Konfliktträchtigkeit nach und nach weitgehend entwachsen kann.

Sitz

Die Bewegung ist nach wie vor eine weltweite. Zahlen derjenigen, die sich als Sannyasin verstehen oder neu Sannyas nehmen(15), sind nicht bekannt, da sie auch von der Bewegung selbst nicht erfaßt werden.

In Berlin gibt es vielfältige Aktivitäten von Sannyasin. Bekannt sind vor allem die Discothek "Far Out" (seit 1983), das "Dörfchen" (Bezirk Charlottenburg) und das Tarusha Meditationszentrum (Bezirk Kreuzberg) oder das Osho Institut of Tibetan Pulsing (Tegel). Die Angebote stehen dauerhaft auch Nicht-Anhängern offen; ein besonderer Zulauf ist in den letzten Jahren nicht zu verzeichnen.


Quellenverzeichnis:
1 OSHO in: Osho Times, Dezember 1995, S. 5
2 Bhagwan: "Göttlicher"; Umbenennung 1989 in Osho: "Meister"
3 Jörg Andrees Elten: Alles ganz easy in Santa Barbara, Hamburg 1990, S. 24 f., zitiert nach: Frank Nordhausen, Liane von Billerbeck: Psychosekten, Christoph Links Verlag, Berlin 1997, S. 136
4 u. a. Ma Anand Sheela, Leiterin von Rajneeshpuram, zu viereinhalb Jahren verurteilt, aus: Frank Nordhausen, Liane von Billerbeck: Psychosekten, a. a. O., S. 138
5 Gasper/ Müller/ Valentin (Hrsg.): Lexikon der Sekten, Sondergruppen, Weltanschauungen, Herder Verlag, Freiburg, 1994, S. 859
6 "Meditation ist ein Mittel, deine Intelligenz freizusetzen. Je meditativer du wirst, desto intelligenter wirst du. Aber vergiß nicht, mit Intelligenz meine ich nicht Intellektualität. Intellektualität ist eine Spielart der Dummheit." in: Bhagwan Shree Rajneesh: Das Orangene Buch, Rajneesh Foundation, Deutsche Erstausgabe Juni 1982, S. 92
7 Aus diesem Grunde wurde in der vorliegenden Schrift auf Originalzitate weitgehend verzichtet.
8 "Leave your shoes and minds out." C. Moosbach: Bhagwan ade - und Osho gleich hinterher, in: Materialdienst der EZW 7/96, S. 219
"Das Denken ist ein Dorn und alle Meditationstechniken sind Dornen, die diesen ersten Dorn herausholen" in: Bhagwan Shree Rajneesh: Das Orangene Buch, Rajneesh Foundation, Deutsche Erstausgabe Juni 1982, S. 35
9 "Nur Meditation kann deine Prägungen löschen.", "Nur Meditation kann dem Denken beikommen - nichts sonst." in: Bhagwan Shree Rajneesh: Das Orangene Buch, a. a. O. S. 102 und 109
10 "Ich sage nicht, daß das Meditieren Probleme des täglichen Lebens löst. Ich sage nur, daß wenn du meditativ bist, die Probleme verschwinden - sie werden nicht gelöst. Es ist gar nicht notwendig, ein Problem zu lösen, denn ein Problem entsteht nur dadurch, daß du ein Problem lösen willst." in: Bhagwan Shree Rajneesh: Das Orangene Buch, a. a. O. S. 108
11 Reller/Kießig/Tschoerner: Handbuch Religiöse Gemeinschaften, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, 4. Auflage 1993, S. 694
12 "Ich kann euch nicht den Himmel schenken. Deshalb führen alle meine Meditationstechniken zuerst durch die Hölle." in: Bhagwan Shree Rajneesh: Das Orangene Buch, a. a. O. S. 47
13 Bezeichnung für initiierten Anhänger
14 Reller/Kießig/Tschoerner, a. a. O. S. 693
15 Initiation


7.3.3. Ruhani Satsang des Thakar Singh


Haltet vor allem anderen eure Verbindung zum Meister aufrecht!
Seid in erster Linie dem Meister gegenüber pflichtbewußt.

Thakar Singh(1)

Gründung

Die Bewegung des Thakar Sing wandelt auf den Pfaden der vielfach gespaltenen Radhasoami-Tradition um Shiv Dayla Singh (1818 - 1878). Durch schismatische Spaltprozesse, die weniger auf Lehr- denn auf persönliche Auseinandersetzungen folgten, gibt es u. a. mehrere Bewegungen mit "Lebendem Meister", die im Westen aktiv geworden sind und auf Kirpal Singh (1894 - 1974) zurückgehen.

U. a. durch Negativberichte wurde vor allem die Bewegung "Ruhani Satsang" um Thakar Singh (Meister seit 1976) in der deutschen Öffentlichkeit bekannt. Die Interessen dieser Bewegung vertreten insbesondere die "Holosophische Gesellschaft Deutschland e. V." und "Kirpal Ruhani Satsang e. V.".

Programmatik

Die Radhasoami-Tradition hebt zwei Aspekte hervor:

  1. den Surat Sabd Yoga (Yoga des hörbaren Lebensstromes/Tonstromes) als den anderen Yogaformen überlegenen, da auf das oberste Chakra bezogen(2)
  2. die betonte Guruverehrung; dem lebenden Guru kommt Erlösungsfunktion zu: Er ist notwendig, um das "Vorratskarma" des Jüngers (Teil des Gesamtkarmas) zu verbrennen und diesem so die mühsame und ungewisse Aufarbeitung seines Karmas durch mehrere Inkarnationen zu ersparen.

Die Licht- und Tonstrom-Meditation ist eine relativ einfach zu praktizieren, und als solche für breitere Schichten zugänglich.

Dem Sant Mat ("Lebenden Meister") kommt eine unentbehrliche Stellung für den Aufstieg der Seelen in höhere Sphären zu: Er initiiert den Jünger und verbindet ihn mit dem "Hörbaren Lebensstrom". Mit der Initiation nehme die allgegenwärtige Strahlengestalt des Meisters im "Dritten Auge" des Jüngers Platz, und fortan sei er der Seelenführer des Jüngers. Damit werde der Spiritualität in der Welt größeres Gewicht verliehen. Nicht jedoch sei es seine Aufgabe (im Gegensatz beispielsweise zu Maharishi Mahesh), in die Abfolge der Zeitalter einzugreifen; diese werden als Automatismus verstanden.(3) Folgerichtig lehnt die Radhasoami-Satsang-Bewegung politisches und gesellschaftliches Engagement ab, wie übrigens auch das Kastensystem und die Bildverehrung. Andererseits wird dem Guru eine um so höhere Stellung eingeräumt; der jeweilige lebende Meister gilt als Verkörperung des göttlichen Wortes.

* Stellung des Meisters

Innerhalb der Programmatik Thakar Singhs nimmt traditionsgemäß die Meisterverehrung und seine Funktion als "Karmafilter" einen breiten Raum ein:

"Nichts wird euch widerfahren, was Er nicht gebilligt hätte. (...) Die Auswirkungen des Karmas sind zweifellos hart, aber sie können euch erst erreichen, nachdem der Meister damit einverstanden ist. Sie können nicht direkt und ungeprüft zu euch kommen, wie es bei weltlichen Menschen der Fall ist. Sie müssen leiden und werden leiden. (...) Ihr braucht euch um nichts Sorgen zu machen. Ihr braucht nur darauf zu achten, daß ihr mit dem Meister verbunden seid und gemäß seinen Anweisungen weitermacht, d. h. daß ihr mit all den Übungen fortfahrt, in denen er euch unterwiesen hat. Versucht ehrlich zu Ihm zu sein, spürt Seine Hilfe und Kompetenz, glaubt an Ihn und entwickelt eure Nähe zu Ihm! Darin besteht euer Gebet zu Ihm, und es ist für euch ausreichend."(4)

* Spirituelles Tagebuch

Im Interesse eines spirituellen Fortschritts wird Kommunikationseinschränkung nahegelegt: "Sprecht mit niemandem über eure inneren Erfahrungen. Wir schreiben unsere Erfahrungen in unser Tagebuch."(5)

Auf dem Wege zu einem gottgleichen Leben ist der Anhänger gehalten, ein "Spirituelles Tagebuch" zu führen, in dem täglich eventueller Stolz, das Ausmaß selbstlosen körperlichen und finanziellen Dienstes, der Zeitvergeudung, des Zurückziehens vom Körperbewußtsein, innere Meditationserfahrungen und Fehler in Gedanken, Worten, Taten aufgelistet werden sollen. Da auf dem Formblatt die Rubrik "Name, volle Anschrift" ausgezeichnet ist, steht zu vermuten, daß diese Blätter an eine übergeordnete Instanz eingeschickt werden und damit offenzulegen sind. Für den selbstlosen Dienst wird empfohlen: "Über akute Notfälle hinaus ist es am günstigsten, finanzielle und körperliche Dienste im Werk des Meisters zu leisten, weil dadurch keinerlei karmische Auswirkungen zu befürchten sind. Das Werk der Meister der Spiritualität ist am besten geeignet, den Seelen zu dienen. Wir tragen in diese Rubrik Fehler (unterlassene Hilfe) ein, nicht ausgeführte Dienste."(6)

* Meditation

Die Meditation der Gruppe um Thakar Singh ist eine in SEHEN und HÖREN zweigegliederte.

SEHEN: "Sitzt gelöst und hellwach in liebevollem Denken an den Meister, völlig abgeschnitten von den Sorgen der Welt."(7) Diese Meditation, in der erneut die Fixierung auf die Führergestalt offenbar wird, soll zur Wahrnehmung von Licht/Dunkelheit führen.

HÖREN: "Wenn ihr euch zum Hören niedersetzt, verschließt beide Ohren vorsichtig aber dicht mit den Daumen und richtet eure ganze Aufmerksamkeit auf das Hören des Tonstroms."(8)

Der erwachsene Anhänger ist gehalten, täglich 2 - 3 Stunden zu meditieren.

* Kindermeditation

Mehr jedoch verspricht man sich von Kindern, die bereits unmittelbar nach der Geburt der Meditationspraxis ausgesetzt werden und von der Gesellschaft weitgehend isoliert aufwachsen sollen. Thakar Singh gibt in einem Rundschreiben vom 12.04.1989 detaillierte Anweisungen zur Meditation von Kindern, die diese zu "Rettern der Menschheit"(9) machen soll: "Unmittelbar nach der Geburt soll das Kind (durch die initiierten Eltern) oder durch einen Initiationsbeauftragten in HÖREN und SEHEN eingeweiht werden, ...
Trachtet zuerst nach dem Reiche Gottes! Das ist wichtiger als die körperliche Entwicklung. Dies ist versäumt worden. ...
Für den Ton wird ein Ohrstöpsel im rechten Ohr ausreichen. (...) Die Augen des Kindes sollen mit einer Art Augenmaske, wie man sie in Flugzeugen benutzt, bedeckt werden oder mit einer weichen, weißen Baumwollbinde - was eben möglich ist. HÖREN und SEHEN mögen sechs bis acht Stunden durchgeführt werden. Andere Initiierte können dabei helfen. ...
Unsere Kinder sollten vor der Gesellschaft von anderen negativen Kindern bewahrt werden. Sie sollten vorzugsweise mit Kindern von Initiierten zusammen sein. ...
Halten die Eltern die oben erwähnten einfachen Regeln ein, so werden sie die Pflicht ihrem Kind gegenüber erfüllen."(10)

"In anderen Rundschreiben, Vorträgen und Privatgesprächen erklärte der Meister noch genauer im Einzelnen, welche Faktoren für die spirituelle Erziehung hilfreich sind. Diese wurden hier zusammengefaßt: ...
4) Meditation
Täglich regelmäßig, so viel wie möglich; wenigstens zwei bis drei Stunden, sechs bis acht Stunden sind anzustreben. Die Zeiten allmählich steigern. ...
a) Hörmeditation
Für die Hörmeditation kann ein Ohrstöpsel benützt werden (am besten hat sich bis jetzt eine individuell formbare Silikonmasse bewährt, Bezugsadresse s. u.) ...
Den Ohrstöpsel kann das Kind Tag und Nacht im Ohr behalten, auch während der Sehmeditation. ...
Auch Kinder von nicht-initiierten Eltern können von Initiierten die Hilfe zur Hörmeditation erhalten. ...
8) Verschiedene weitere Ratschläge ...
d) in der Nähe des Kindes sollten Bilder des Meisters hängen. Als Bilderbuch kann ein abwaschbares, reißfestes Fotoalbum mit Bildern des Meisters dienen. (Bezugsadresse s. u.). Die Kinder können den Meister auch eine gewisse Zeit im Videosatsang sehen....
f) (...) Müssen beide Eltern einmal außer Haus, sollte man das Kind möglichst Initiierten anvertrauen. Muß man das Kind nach draußen mitnehmen, sollte man es möglichst vor äußeren Eindrücken schützen. ...
Ratschläge aus der Erfahrung von Eltern, die bereits längere Zeit mit ihren Kindern meditiert haben:
1) Je jünger das Kind ist und je mehr man mit ihm meditiert, desto leichter geht es. Je länger das Kind seine Aufmerksamkeit nach außen gerichtet hat, desto schwerer fällt es ihm, sie wieder nach innen zu lenken. Daher: am besten wie der Meister empfiehlt, gleich nach der Geburt beginnen und die erste Zeit intensiv nutzen. ...

Wenn ein Kind phasenweise oder überhaupt nicht so gerne meditiert und protestiert, geduldig weitermachen und nicht den Mut verlieren. Die Zeit der Bemühung, die man einsetzt, bewirkt eine innere Reinigung und oft gibt es irgendwann einen sprunghaften Fortschritt."(11)

Offensichtlich haben sich die Kinder bisweilen auch kräftig gewehrt, denn Thakar Singh schreibt in seinem Dritten Rundschreiben an die werdenden Mütter vom 05.07.1990: "... In Deutschland haben es einige der Lieben versucht, meine Anweisungen zu befolgen und sie bemühen sich erfolgreich darum. Am Anfang mußten sie hart daran arbeiten, weil die Kinder diese Hilfe nicht annehmen wollten, doch nach einiger Zeit freuten sich die Kinder an den wunderschönen inneren Szenarien und Lichtern ..."(12)

Unter dem Rubrum "Ergebnisse" dieser Erziehung teilt das Faltblatt mit, daß die Meisterkraft während der Meditation mit Babies besonders stark spürbar werde und die Kinder meist sehr freudig und liebevoll auf Meisterbilder reagierten. Überdies bräuchten die Kinder weniger Schlaf und könnten teilweise auch nachts meditieren.

In diesem Zusammenhang kam es offensichtlich auch unter deutschen Anhängern im Zentrum Buchendorf bei München zu fragwürdigen Handlungen bis hin zur Kindesmißhandlung, so daß von einer Gefährdung des Kindeswohls durch diese Meditationspraktiken gesprochen werden muß, das nur durch das beherzte Eingreifen einer Hebamme an das Licht der Öffentlichkeit gelangte. Die Geschehnisse führten zu Ermittlungsverfahren und Verurteilungen(13), und die Kinderkommission des Deutschen Bundestages beschäftigte sich mit der Gruppe um Thakar Singh. Allerdings ist zu vermuten, daß diese Praktiken nicht allein im Zentrum in Buchendorf üblich waren, wird doch im mehrfach zitierten Faltblatt "Spirituelle Erziehung der Kleinsten" auf das halbjährlich stattfindende Erfahrungsaustauschtreffen der Eltern im Retreat Oberbrunn hingewiesen. Inzwischen soll man unter deutschen Anhängern von den beschriebenen Praktiken der Kindermeditation Abstand genommen haben.

Sitz

Die Interessen der Bewegung vertreten diverse Vereine: Die Holosophische Gesellschaft Deutschland e. V. mit Sitz in Augsburg, der Naam Verlag in Wachtendorf bei München, der Verein Kirpal Ruhani Satsang e. V. und der Verein zur Förderung der LICHTHEIM -Kindergärten und Schulen in Bayreuth. Ein Retreat der Bewegung befindet sich in Oberbrunn bei München.


Quellenverzeichnis:
1 Thakar Singh: Nachmittags-Satsang am 04.03.1987, in: KRS (Kirpal Ruhani Satsang) (Hrsg.): Sant Mat - der Weg zur Wahrheit, August 1993
2 Im Gegensatz zu anderen Meditationsrichtungen, die bei unteren Chakras (Kundalini/ Freisetzung vitaler Energien) und mittleren Chakras (Bhakti/Freisetzung emotionaler Energien) ansetzen oder alle aktivieren, beginnt die Radhasoami-Tradition erst beim "Dritten Auge" (Raja/Freisetzung von Bewußseinsenergien).
3 Reinhart Hummel: Indische Mission und neue Frömmigkeit im Westen, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1980, S. 176 f.
4 Thakar Singh: Nachmittags-Satsang, 04.03.1987, London, in: Sant Mat August 1993, S. 7
5 Meditation, Hinweise zum spirituellen Fortschritt, NAAM Verlag im KRS e. V., Ausgabe 1992, S. 9
6 ebenda S. 15 f.
7 ebenda S. 4
8 ebenda S. 4
9 Thakar Singh in: Faltblatt "Spirituelle Erziehung der Kleinsten/Etwas Wunderbares", ohne Hrsg. und Jahr (nach 1990), S. 9
10 Thakar Singh in: Faltblatt "Spirituelle Erziehung der Kleinsten/Etwas Wunderbares", ohne Hrsg. und Jahr (nach 1990), S. 2 f.
11 Faltblatt "Spirituelle Erziehung der Kleinsten/Etwas Wunderbares", ohne Hrsg. und Jahr (nach 1990), S. 4 ff.
12 Faltblatt "Spirituelle Erziehung der Kleinsten/Etwas Wunderbares", a. a. O. S. 11
13 Kurt-Helmut Eimuth: Die Sekten-Kinder, Herder Spektrum, Freiburg, 1996, S. 62


7.3.4. Transzendentale Meditation (TM)


Diese Technologie hat die Kraft, das Leben jedes
Menschen und der Gesellschaft zur vollen Würde
zu erheben, wo Probleme und Leiden unbekannt
und vollkommene Gesundheit, Glück, Erfolg und
eine rasche Entwicklung die natürlichen Merkmale des Lebens sind.

Maharishi Mahesh Yogi(1)

Gründung

Wir befinden uns im 23. Jahr des "Zeitalters der Erleuchtung". Dieses wurde 1975 in der Schweiz ausgerufen durch "seine Heiligkeit Maharishi Mahesh Yogi". Der gebürtige Inder Mahesh Prasad Varma gründete bereits 1958 mit der "Wissenschaft der Kreativen Intelligenz" die Transzendentale Meditation (TM), deren Lehre in ihren Grundzügen aus der indisch-hinduistischen Tradition stammt.

Programmatik

In Werbeprospekten stellt sich die TM vor als:

Die GTM-Gesellschaft für Transzendentale Meditation Berlin e. V. verspricht in ihren Werbematerialien "Der Urlaub für zwischendurch" oder "Einsichten schaffen Aussichten", man könne durch die Technik der TM Streß und seelische Belastungen auflösen, die Energie steigern und dem Geist Ruhe schenken. Dabei könne die völlig anstrengungslose Technik von jedem, auch von Kindern, ausgeübt werden.

Das Erlernen der TM-Technik erfolgt nach einem "standardisierten Lehrverfahren", welches einen Einführungs- und Vorbereitungsvortrag, ein persönliches Gespräch (ca. 15 Minuten Dauer) und persönliche Unterweisung sowie die Bestätigung der Richtigkeit der Erfahrungen umfaßt. Das eigentliche Erlernen der Technik innerhalb der persönlichen Unterweisung benötige lediglich 60 Minuten. Im Verlauf dieses Programms werde dem Meditierenden individuell eine Meditationssilbe, ein aus dem Sanskrit(3) stammendes Mantra, übergeben. Mit Hilfe des Mantras soll der Mensch in einen einzigartigen Ruhezustand gelangen und der Geist zunehmend feinere Schichten des Denkens erfahren. Es soll zweimal täglich für etwa 20 Minuten innerlich wiederholt werden.

* Weltregierung des Zeitalters der Erleuchtung

Daß die TM nicht lediglich eine einfache Entspannungsübung ist, wird auch an ihren vielfältigen Organisationen, Aktivitäten und Ansprüchen deutlich.

Seit 1976 besteht Maharishis "Weltregierung des Zeitalters der Erleuchtung". "In großangelegten Zeitungs- und Zeitschriftenanzeigen bietet er allen Regierungen der Welt die Lösung ihrer wirtschaftlichen und politischen Probleme an: "... Regierungen eingeladen, ihre Probleme zu lösen. Die Weltregierung des Zeitalters der Erleuchtung erklärt ihre Bereitschaft, die Probleme jeder Regierung zu lösen, ungeachtet des Ausmaßes und der Natur des Problems...".(4) "Wenn die Kreativität des ganzen Landes durch die gemeinsame Ausübung der Maharishi-Technologie des Vereinheitlichten Feldes vollständig belebt worden ist, wird das gesamte Land uneingeschränkten Wohlstand und Fortschritt genießen. Dieser Ansatz beseitigt die eigentliche Ursache der Probleme in Wirtschaft und Industrie - Streß und Frustration, die aus der Routinearbeit resultieren und das natürliche Wachstum des Lebens begrenzen und behindern. Die Maharishi-Technologie des Vereinheitlichten Feldes vermittelt die tägliche Erfahrung des vereinheitlichten Feldes - unbegrenztes Bewußtsein... alle Probleme verschwinden aus Industrie und Wirtschaft, und der Wohlstand führt die Menschen zur Erfüllung."(5)

* Weltfrieden/Vedisches Friedenskorps

Weiterhin wurde in Maharishis Programm zur Verwirklichung des Weltfriedens "...die kohärente Funktionsweise des menschlichen Gehirns als Voraussetzung für den Weltfrieden"(6) ausgemacht. Das Gehirn soll nach Aussagen der TM dann optimal funktionieren, wenn das TM-Sidhi-Programm (sogenanntes Yogisches Fliegen) ausgeübt wird. Dabei soll der Körper in der Phase, die als "Flugtechnik" bezeichnet wird, vom Boden abheben und zu hüpfen beginnen (als erstes Stadium des "Fliegens"). Es wird behauptet, daß hierbei "Materie und Bewußtsein vollkommen integriert sind" und zwar "... auf der Ebene des vereinheitlichten Feldes des Naturgesetzes ... Der Kohärenzimpuls, der von dieser Ebene ausgeht, stellt augenblicklich die Kohärenz zwischen den widerstreitenden Tendenzen der Natur wieder her ... Eine Gruppe von 7.000 wird einen so starken Einfluß von Kohärenz erzeugen, daß die Kohärenz weltweit ausstrahlt und das gesamte Weltbewußtsein reinigt. Dies zeigt, welche Mechanismen Maharishi benutzt, um den Weltfrieden herbeizuführen, und wie vollkommen Maharishis Ansatz zur Verwirklichung des Weltfriedens ist, der sowohl die Sichtweise der traditionellen vedischen Wissenschaft als auch deren Bestätigung durch die moderne Wissenschaft einschließt. Dies ist die wissenschaftliche Grundlage für Maharishis Programm zur Verwirklichung des Weltfriedens und für die Entscheidung, den Maharishi-Weltfriedensfonds zur Gründung und Erhaltung einer Gruppe von 10.000 Experten der Maharishi-Technologie des Vereinheitlichten Feldes einzurichten."(7) Zur Umsetzung dieses Programms gibt es konkrete Ansätze auch in der Bundesrepublik. Anfang 1997 ist in Bonn ein "Vedisches Friedenskorps für Unbesiegbarkeit und Stabilität in Deutschland" gegründet worden. 500 junge Menschen, insbesondere arbeitsuchende Jugendliche, sollen in jedem Bundesland und in der Hauptstadt eine Vedische Friedensgruppe bilden. Deren Aufgabe wird im gemeinschaftlich ausgeübten Meditieren und Yogischen Fliegen gesehen, wodurch die

Arbeitslose Jugendliche könnten mit dem Beitritt zum Friedenskorps eine Gegenleistung für die Unterstützung erbringen, die sie in ihrer augenblicklichen Lebenssituation von der Gesellschaft erhielten. Gleichzeitig würden sie die eigenen kreativen Fähigkeiten fördern und sich damit neue berufliche Perspektiven und Möglichkeiten erschließen. Zur Bereitstellung der notwendigen finanziellen Mittel für Aufbau und Unterhaltung des Vedischen Friedenskorps werden Wirtschaft und Industrie aufgerufen.

* Naturgesetzpartei

Die Naturgesetzpartei ist der konsequente politische Abkömmling der TM. Deren "praxisorientiertes Programm" für eine neue Politik besteht in der Installation einer Meditationsgruppe von Yogischen Fliegern zur entscheidenden Änderung im Bewußtsein des einzelnen. Zur Bundestagswahl 1994 verkündete der Spitzen- und Kanzlerkandidat der Naturgesetzpartei, daß diese die einzige Partei sei, die wissenschaftlich erprobte Programme anbiete, die nachweislich die gesellschaftlichen Probleme schnell und kostengünstig lösen würden. Es ist offensichtlich, das Parteiprogramm "leidet an der gleichen Krankheit wie die Mutterorganisation, die TM-Bewegung: an der unfreiwilligen Komik ihres Glaubens, man könne alle Probleme der Welt mit Hilfe der TM wegmeditieren und verfüge damit allein über den Schlüssel zu ihrer Lösung ... In Wirklichkeit stellt diese Partei keinen neuen Aufbruch, sondern einen Rückfall in ein magisches Politikverständnis dar".(8)

Im Juli 1996 gab Maharishi seinen Anhängern die Inspiration, in allen Ländern den geografischen Mittelpunkt, den "Brahmasthan" ausfindig zu machen und um diesen ein spirituelles Zentrum zu bauen. Angesichts der drohenden Gefahren, vor allem seitens der Gentechnologie, sei dies von höchster Dringlichkeit. Der Brahmasthan von Deutschland soll in der Nähe von Eisenach gefunden worden sein.

* Maharishi-Effekt / wissenschaftlicher Anspruch

Die TM-Bewegung geht von der Wirksamkeit des "Maharishi-Effektes" aus. Danach soll eine grundsätzliche Verbesserung der Lebensqualität von Städten, (im Sinne der "Verbesserung der Qualität des Stadtbewußtseins"), erfolgen, wenn ein Prozent der Bevölkerung TM ausübe. Der Wert wurde sogar noch nach unten korrigiert, so reiche schon die Wurzel aus einem Prozent der umgebenden Stadtbevölkerung aus, um beispielsweise die Kriminalitätsrate deutlich zu vermindern. Bei diesem und anderen Phänomenen (Wachstum der Intelligenz, verlangsamter Alterungsprozeß bis hin zu seiner Umkehrung, Rückgang von Inflation und Arbeitslosigkeit u. a.) wird durch die TM-Bewegung regelmäßig auf die wissenschaftliche Bestätigung dieser behaupteten Ergebnisse verwiesen. Der Anspruch der Wissenschaftlichkeit wird durch die Schaffung entsprechender Organisationsgebilde unterstrichen, wie Maharishis University of Management, Maharishi Vedic University, Gesellschaft für Maharishis Vedische Wissenschaft, Maharishi Ayur-Ved Gesundheitszentrum - Akademie Schledehausen GmbH u. a.. Vorgelegte Untersuchungen zum Beweis der Richtigkeit behaupteter Wirkungen der TM stammen oft aus eigenen Institutionen, und nach der Einhaltung wissenschaftlicher Gütekriterien ist zu fragen.

* Maharishi-Ayurveda

Ein Schwerpunkt der Werbung für die TM liegt im Gesundheitsbereich. Die klassische Medizin Indiens, Ayurveda (Wissen vom langen Leben), wird von Maharishi vereinnahmt und auch nach ihm benannt. Maharishi-Ayurveda beinhalte die Ayurveda in ursprünglicher Ganzheit neu für das heutige Leben geordnet. "Maharishi Mahesh Yogi hat in Zusammenarbeit mit führenden ayur-vedischen Gelehrten und westlichen Forschern dieses uralte Wissen systematisiert und mit den Erkenntnissen der heutigen Wissenschaft verbunden. In ihrer modernen Fassung heißt diese Ganzheitsmedizin Maharishi Ayur-ved."(9) In Kurhotels wie im Gesundheits- und Seminarzentrum Bad Ems oder Im Parkschlößchen Bad Wilstein in Traben Trarbach gibt es alle Angebote des Maharishi-Ayurveda, bis hin zum Angebot zum Erlernen der TM für den Preis von 1.400,00 DM. Aus ärztlichen Fachkreisen bestehen Bedenken gegen die Verbindung von Maharishi und Ayurveda: "Dieter von Schmädel, Professor für Medizinische Soziologie in Regensburg, hat im »Journal of the European Ayurvedic Society« 3 (1993) einen Artikel »Ayurveda -Quo vadis?« veröffentlicht. Eine einleitende Beschreibung des Maharishi-Ayurveda (= MA) führt zu dem Ergebnis: "Bei der angeblich inhaltlichen Weiterentwicklung von Ayurveda speziell in der therapeutischen Praxis wird aber klar, daß es sich bei MA nicht um eine Weiterentwicklung von Ayurveda handelt, sondern vielmehr darum, Ayurveda für ganz andere Zwecke zu benutzen." Schmädel sieht in der TM einen "Konzern im Esoterik- und Gesundheitsbereich" mit dem Ziel, "die TM-Ausübenden zu einer religiösen Gemeinschaft (zu) formen und gleichzeitig den Durchbruch zur weltweiten Anerkennung der TM und MA-Heilslehre und ihres Führers Maharishi Mahesh Yogi (zu) bringen."(10) Auf zwei Ebenen bestehen Probleme mit Maharishi-Ayurveda: "Überschätzung der Möglichkeiten alternativer Therapie generell und des Ayurveda im besonderen, ferner die Einbindung in die TM, deren Weltanschauung sowie ihrer kommerziellen und propagandistischen Interessen."(11) Zu einer ähnlich lautenden Einschätzung kommt die Stiftung Warentest in ihrem Handbuch "Die andere Medizin": "Meditation ist empfehlenswert, um sich zu entspannen. Die mit dem Maharishi Ayur-Veda verknüpften "Bewußtseinstechnologien" der Transzendentalen Meditation sind abzulehnen."(12)

Für nahezu alle Problemfelder des individuellen sowie gesellschaftlichen Lebens bietet die TM mit Hinweis auf und Dank an den Meister Maharishi eine universell Gültigkeit erhebende Methode an. Damit enthebt er den Menschen seiner individuellen Verantwortung - bis auf seine Entscheidung für die TM.

Das Bundesverwaltungsgericht hielt in seinem Urteil vom 23.05.1989 - 7 C 2/87 im Zusammenhang mit der Darstellung der TM in einem Bericht der Bundesregierung zu sogenannten Sekten fest, daß die von dieser Bewegung vermittelte Meditationstechnik bei labilen Personen zu psychischen Schäden führen könne.

Sitz

Die TM-Informationszentrale für Deutschland ist die SAMHITA GmbH in Bissendorf, das Berliner Zentrum der TM befindet sich im Bezirk Schöneberg.


Quellenverzeichnis:
1 Wissenschaftliche Untersuchungen zur Technik der Transzendentalen Meditation (TM) und zum TM-Sidhi Programm, Deutsche MERU-Gesellschaft Bissendorf, 1997, S. 2
2 Transzendentale Meditation: Kraft durch Stille (Werbeblatt), o. J.
3 alte indische, vor allem Schriftsprache für Gelehrte
4 M. Haupt: Transzendentale Meditation, in: Erste Auskunft "Sekten", Leipzig, Benno-Verlag, 1994, S. 185
5 Institut of World Leadership, 1984: Maharishi International University Fairfield, Iowa (USA) (Pressemitteilung), in: Zwischen Allmacht und Ohnmacht, U. Müller, A. M. Leimkühler, Roderer Verlag, Regensburg 1992, S. 62
6 Selbstdarstellungsmaterial der TM: Maharishis Programm zur Verwirklichung des Weltfriedens, ohne Jahr
7 ebenda
8 Naturgesetz-Partei, Aufbruch zu neuem Bewußtsein, in: EZW-Materialdienst 8/1994, S. 241
9 Werbebroschüre: Maharishi Ayur-VedGanzheitliches Gesundheits- und Stressmanagement, Parkschlösschen Bad Wildstein, o. J.
10 Maharishi-Ayurveda aus ärztlicher Sicht, in: Materialdienst der EZW 6/94, S. 173
11 Maharishi-Ayurveda aus ärztlicher Sicht, in: Materialdienst der EZW 6/94, S. 174
12 Handbuch Die andere Medizin, Stiftung Warentest, Berlin, 1994, S. 179


7.4. Anbieter von Lebenshilfe
kommerziell:
7.4.1. Kontext Seminar GmbH
7.4.2. Landmark Education
7.4.3. Art Reade
7.4.4. Scientology
7.4.5. The Natale Institute (TNI)
nicht kommerziell:
7.4.6. Verein zur Förderung der psychologischen Menschenkenntnis (VPM)
7.4.7. Bruno-Gröning-Freundeskreise


7.4. Anbieter von Lebenshilfe


Der Psycho- und Lebenshilfemarkt ist ein expandierender. Ursachen dafür sind im ersten Teil des vorliegenden Berichts angedeutet.

Einige Merkmale verschiedener Segmente des religiösen und weltanschaulichen Marktes werden hier teilweise erneut angetroffen:

  1. Abkehr von Rationalität, Betonung von Emotionalität und Körper, oder auch Überbetonung von Rationalität (eigene Erfahrung steht über wissenschaftlichen Erkenntnissen),
  2. Nutzung des Begriffs "Ganzheitlichkeit", um fehlende wissenschaftliche Fundierung zu erklären
  3. Adaption mystischer Elemente anderer Kulturkreise (Anklänge an magisches Denken),
  4. Glaube an die grundsätzliche Omnipotenz des Menschen,
  5. Behauptung, das perfekte System zu besitzen, wie diese Omnipotenz zur Entfaltung gelangen kann.

Seriöse von unseriösen Anbietern zu scheiden, fällt fachlich nicht qualifizierten Menschen schwer und umso schwerer, als sie sich oftmals auf der Suche nach Hilfe in einem dringenden Lebensproblem befinden.

Aus diesem Grunde wird auf verschiedenen Ebenen an einer Gesetzesinitiative zu dieser Problematik gearbeitet. Das sogenannte "Gesetz zur Regelung der gewerblichen Lebensbewältigungshilfe" zielt nicht auf eine Angebotseinschränkung im Sinne einer "Approbationsordnung für Wünschelrutengänger und Psychoseminaranbieter". Vielmehr soll dieses Gesetz die Anbieter zu mehr Transparenz ihres Angebots zwingen und dem Verbraucher damit die Möglichkeit eröffnen, sich eingehend über Inhalt, Methode, Kosten und Rahmenbedingungen des Angebots zu informieren. Erst dann verfügt der Verbraucher über eine tragfähige Grundlage zu einer freien Entscheidung für oder gegen ein Angebot. Seriöse Anbieter werden durch dieses Gesetz geschützt, andere möglicherweise zu fachlicher Qualifikation und Abbau von Konfliktträchtigkeit motiviert.

Dennoch kann der einzelne bereits jetzt Vorkehrungen treffen und bestehende Möglichkeiten der Information intensiver nutzen.(1)

Folgende Merkmale sind - im Zusammenspiel - vielfach als potentiell konfliktträchtig erfahren worden:

  1. rigide Gruppenregeln, die ein starkes Gefälle zwischen Leiter und Teilnehmer herstellen, werden als Voraussetzung für den Erfolg des Seminars deklariert

beispielsweise:

  1. Schaffung einer eigenen geschlossenen Welt, die gewohnte Kontrollmechanismen des einzelnen außer Kraft setzt, es erschwert, eine Distanz zur eigenen Situation herzustellen, seine Reflexions- und Kritikfähigkeit absenkt

beispielsweise:

  1. Initiierung von psychischen und physischen Grenzerfahrungen, die den Teilnehmer "entkleiden", dem Leiter und der Gruppe ausliefern, in Verbindung mit fehlender fachlicher Qualifikation des Trainers

beispielsweise:

  1. Agieren nach dem "Minus-Plus-Prinzip"

Einer "Minus-Phase" der Herabwürdigung, des Bloßstellens, des Entzugs gewohnter Sicherheiten und der Erschütterung erworbener Wertmaßstäbe, die eine tiefe Verunsicherung beim Teilnehmer auslösen können, folgt nach dem Offerieren der Alternative neuer Denk- und Verhaltensmodelle und erstem Einüben dieser das setting einer "Plus-Phase" durch Lob für die Bewältigung der vermeintlichen Bewährungsproben des Seminars, Bestätigung einer vermeintlich positiven Zäsur durch das Seminar, Suggestion von Omnipotenz ("mit unserem System kannst du alles schaffen, was du dir vornimmst" - versagen kann nur der einzelne, nicht das System), begleitet von liebevoller Zuwendung durch Leiter und andere Teilnehmer, Musik, opulentem gemeinsamen Essen o. ä. Daß die tatsächlich empfundene Euphorie der Teilnehmer in dieser Abschlußphase vielfach nicht einem wirklichen persönlichen und sozialen Kompetenzzuwachs zu danken, sondern lediglich dem herausgehobensein aus dem Alltag, den erfahrenen Härten, der gezielten Herstellung einer "Minusphase" geschuldet ist, bleibt für den Teilnehmer aufgrund der Authentizität seines Euphoriegefühls schwer durchschaubar.

Markant und für Angehörige überraschend sind die Veränderungen, die auch bereits ein Drei-Tage-Psycho-Seminar bei einem Teilnehmer auszulösen vermag. Irritierend euphorisch (zuweilen depressiv und verunsichert) kann er zurückkehren, spricht eine neue Sprache, propagiert eine neue - "die richtige" - Weltsicht und neue Werte, verhält sich losgelöst von bisheriger Wesensart, beendet Partnerbeziehung und Freundschaften, schließt neue innerhalb seiner neuen Gruppe. Jegliche Veränderung wird vom Teilnehmer grundsätzlich als positive Entwicklung verstanden. Gemeinsam in der Gruppe durchlebte Grenzerfahrungen schaffen eine Nähe unter den Teilnehmern der Gruppe, die in offenen Bezügen außerhalb einer langen Entwicklung bedarf, allerdings dort ganz andere Tragfähigkeit besitzt.

Nach Expertenbeschreibung hält die Wirkung dieser Seminare nur kurzzeitig an; ein Umstand, der die Teilnehmer, spüren sie dieses Abflauen, zu immer neuen Seminarbesuchen veranlassen kann. Auch aus diesem Grunde drohen Abhängigkeiten.


Quellenverzeichnis:
1 Eine Checkliste dazu ist unter Punkt 9.3. des vorliegenden Berichts nachzulesen.


kommerziell:
7.4.1. Kontext Seminar GmbH


Was das Überleben
urzeitlicher Jäger- und Sammlerhorden sicherte,
bestimmt noch heute unser Handeln.(1)

Gründung

Das Unternehmen wurde 1994 als K o n t e x t - Gesellschaft für Persönlichkeitsentwicklung und Managementberatung im Handelsregister des Amtsgerichts Rheine eingetragen. Im Jahre 1996 verlegte die Gesellschaft ihren Sitz nach Berlin. Es erfolgte eine Namensänderung in Kontext-Management-Dienstleistungs-GmbH und schließlich in Kontext Seminar GmbH. Geschäftsführerin ist Frau Reinhild Drögsler, die gemeinsam mit ihrem Ehemann, der inzwischen alleiniger Gesellschafter ist, als Trainerin fungiert.

Programmatik

Gegenstand des Unternehmens war die "Beratung von Firmen und Einzelpersonen in Managementfragen, die Aufstellung von Persönlichkeitsprofilen sowie die Durchführung von Beratungen in Fragen des täglichen Zusammenlebens und im zwischenmenschlichen Bereich insbesondere im Hinblick auf Führungsqualität"(2), später die "Beratung von Firmen, Vereinen und Einzelpersonen in Managementfragen nebst der Erbringung entsprechender Dienstleistungen"(3) und inzwischen "Konzeption, Organisation und Durchführung von Seminaren für den privaten, beruflichen und unternehmerischen Bereich".(4)

Nicht nur im Handelsregister, sondern auch gegenüber Interessierten an ihrem Angebot und gegenüber Seminarteilnehmern gab sich Frau Drögsler als Psychologin aus, obwohl sie lediglich auf einige Semester Psychologiestudium ohne abschließendes Diplom zurückblicken kann. Manche Teilnehmer nahmen aufgrund dieser Bezeichnung ein abgeschlossenes Psychologiestudium an. Das habe Zweifel an der fachlichen Qualität des Angebots zerstreut, auch wenn die Inhalte zuweilen als banal erschienen seien: Ehemalige Seminarteilnehmer berichteten, es sei vorwiegend darum gegangen:

  1. eine (heterosexuelle) Beziehung zu haben,
  2. in dieser Beziehung Entscheidungsfähigkeit zu beweisen, sprich zu heiraten,
  3. Kinder zu zeugen.

Beruflicher Erfolg stelle sich dann von selbst ein.

Dieser Lebensentwurf habe dem der Drögsler-Familie entsprochen, die für viele Teilnehmer, so berichteten ehemalige Anhänger, zum Leitbild wurde.

Umworben wurde folgerichtig eine der größten Zielgruppen unserer modernen Gesellschaft: "Beziehung und Kommunikation: Ein Seminar für alle, die Beziehungsprobleme haben (Trennung, wie bleibe ich in Beziehung oder wie bekomme ich eine Beziehung) Tel. ..."(5) lautet eine Anzeige im Stadtmagazin Zitty.

Betroffene berichteten, daß für viele offensichtlich die Einbindung in den Kontext-Rahmen relativ schnell raumgreifend geworden sei: Es sei eine feste Anhängerschaft entstanden. Anhänger hätten nahezu alle Kontext-Seminare besucht, fünfstellige Summen dafür gezahlt und sich teilweise verschuldet. Anhänger hätten für die Gesellschaft als ehrenamtliche Assistenten gearbeitet und Partner, Freunde etc. für Kontext-Seminare eingeworben. Es seien persönliche Ziele wie: "bis zum Tag XY (genaues Datum) bin ich verheiratet, habe ich mein erstes Kind" etc. "erarbeitet" worden. Der Traumpartner entstehe erst im Laufe der Beziehung und sei keine Voraussetzung für eine Ehe, sei propagiert worden. So sei geheiratet und gezeugt worden, z.T. recht überstürzt, um endlich auch als erfolgreich zu gelten. Denn wer diese Stufen erklommen hatte, sei in der Anerkennung gestiegen, habe "es gebacken gekriegt"; sogenannte "Kontext-Kinder" seien gezählt worden. Bei Konflikten in der Partnerbeziehung, Kindererziehung u. ä. seien Einzel-Coachings bei Frau Drögsler gebucht worden.

Eine Vielzahl von Anfragen zu diesem Seminaranbieter ging in der Senatsverwaltung ein.

Betroffene berichteten von dem zwingenden Gefühl, ohne Kontext nicht mehr entscheidungsfähig und lebenstüchtig zu sein. Angehörige von Anhängern sprachen von psychischer Abhängigkeit und assoziierten eine "Sektenmitgliedschaft".

Nach Berichten von ehemaligen Seminarteilnehmern erinnerten die Seminare inhaltlich und methodisch an Übliches auf dem Psychomarkt, erfuhren allerdings bei Kontext durch verschiedene Rahmenbedingungen eine markante Veränderung in potentielle Konfliktträchtigkeit für einzelne Hilfesuchende.

Jeder Mensch habe in seiner Kindheit ein "Versprechen" abgegeben, das ausschließlich negativ bestimmt sei (z. B. ich bin nichts wert, nicht geliebt etc.). Daraus werde eine Lebenshaltung abgeleitet, die auf die Kompensation dessen ziele und als Interpretations- und Handlungsfolie für den einzelnen diene. Diese Haltung wird als "Schleimspur" bezeichnet, die es abzulegen gelte. Die Seminare zielen auf Veränderung in Denken und Handeln.

In der Gruppe habe jeweils ein einzelner Teilnehmer ein in manchen Fällen intimes Lebensproblem geschildert, das dann bearbeitet worden sei. Kritische Stimmen seien hinausgewiesen worden oder hätten sogenannte "Vorbehalte" vor der Gruppe klären müssen. Zur Disziplinierung sei die Gruppendynamik genutzt worden. Eine Binnensprache sei entstanden, Unworte ("nein", "nicht", "oder") seien definiert worden. Marathonsitzungen hätten Teilnehmer an Grenzen ihrer psychischen und physischen Belastbarkeit geführt. Abwechslung hätten Fall- und Sprungübungen und Übungen bieten sollen: Ehemalige Anhänger berichteten, daß z. B. die Teilnehmer vom Stuhl aufspringen und "ich bin total begeistert" rufen sollten. Die Übung sei so lange wiederholt worden, bis Frau Drögsler zufriedengestellt gewesen sei. Aussteigern sei von Frau Drögsler nachgesagt worden, ohne Kontext ihr Leben nicht zu bewältigten.

Die Kita-Aufsicht der Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport sah sich aufgrund der Aktenlage gezwungen, dem Kontext-Kindergarten e. V. (später Montessori Kinderhäuser e. V.) eine Betriebsgenehmigung zu versagen, weil sie in dieser Einrichtung das Kindeswohl für gefährdet hielt. Den dagegen gestellten Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung wies das Verwaltungsgericht Berlin mit der Begründung ab, daß die von der Senatsverwaltung "gesehene Gefahr der Abschottung (der Kinder) - zumal im Hinblick auf eine geplante Kontextgrundschule - nicht von der Hand zu weisen ist."(6) Das Oberverwaltungsgericht lehnte den Antrag auf Zulassung der Beschwerde des Montessori Kinderhäuser e. V. hiergegen ab und bestätigte den Vortrag der Senatsverwaltung u. a. wie folgt: "Da jedenfalls bislang auch die Eltern der zu betreuenden Kinder zur Kontext GmbH gehören oder dort an sog. lebensschulenden Seminaren teilnehmen, ist eine doppelte Einflußnahme der Kontext GmbH auf die Erziehung der Kinder gegeben, nämlich zum einen unmittelbar in der Kita und zum anderen über die von der Gesellschaft beeinflußten Eltern."(7) In Anbetracht der zwingenden Einbindung von Anhängern und dem besorgniserregenden Binnenklima, die sich in den Zeugnissen von Aussteigern und Angehörigen von Anhängern dartun, erscheint es dringend geboten, den Kindern der Anhänger Gelegenheit zu geben, sich in von "Kontext" unabhängigen Kitas Wirklichkeit in der Vielfalt zu erschließen.

Das Hauptsacheverfahren ist weiterhin anhängig.

Sitz

Im Umfeld der Kontext GmbH wurden diverse Vereine gegründet; der "Kontext Kindergarten e. V." inzwischen "Montessori-Kinderhäuser e. V.", der Verein "Lebensschule e. V.", der Verein "F.A.M.I.L.I.E. e. V." (Förderverein alternativer Möglichkeiten im Leben und in der Erziehung).

Eine Zusammenarbeit mit einem weiteren Seminaranbieter, der Life Coaching GmbH aus Bielefeld, wurde von dieser im Juli 1997 beendet. "Aus guten Gründen" habe man alle Kontakte abgebrochen. Ob diese Gründe fachlicher Art waren wurde bislang nicht deutlich.

Die Kontext GmbH hat ihren Sitz im Bezirk Schöneberg.

Aussteiger und Angehörige derzeitiger Anhänger haben sich im Jahre 1996 zu einer Selbsthilfegruppe zusammengefunden.


Quellenverzeichnis:
1 Kontext Seminar GmbH, Werbeflyer für das Mann-Frau-Tagesseminar
2 Handelsregisterauszug Amtsgericht Rheine HRB 1506 bzw. Amtsgericht Charlottenburg HRB 59 523
3 ebenda
4 ebenda
5 Stadtmagazin Zitty 16/94, S. 248
6 Beschluß des VG Berlin vom 26.06.97 (VG 17 A 193.97)
7 Beschluß des OVG vom 01.09.97 (OVG 6 SN 210.97)


kommerziell:
7.4.2. Landmark Education (LE)


Das Leben ist leer und bedeutungslos,
aber es bedeutet nichts,
daß es nichts bedeutet.

Tafelbild im Forum(1)

Gründung

Ein Interessierter am Angebot von Landmark Education (LE) oder ein Teilnehmer am Einsteigerkurs "Forum" dieses Anbieters mag verwundert gewesen sein: Da besteht das Unternehmen in Deutschland unter diesem Namen erst seit 1991 und dennoch wird auf die mehr als 20jährige Erfahrung des Unternehmens verwiesen. Fast nebenher fällt manchmal auch der Name des Gründers: Werner Erhard.

Werner Erhard, 1935 in den USA als Jack Rosenberg geboren, bot 1971 in San Francisco erstmals seine eigene Seminarkreation an: Das Erhard-Seminar-Training ("est"). Unterschiedliche berufliche Erfahrungen (Verkaufs- und Vertretertätigkeit) verknüpfte er mit psychologischen und spirituellen Techniken (inspiriert von der Humanistischen Psychologie) und Aspekten von Kursen, die er bei Scientology besucht hatte.(2) Mit Scientology, die bekanntlich hochempfindlich auf Aussteiger und mehr noch auf solche reagiert, die dort Erworbenes adaptieren und auf eigene Rechnung verkaufen, gab es in der Folge Auseinandersetzungen. Noch heute ziert das schier endlose scientologische Kursprogramm auch ein "Reparaturkurs für est-Geschädigte".(3)

Geschädigte gab es tatsächlich; und wachsender Kritik insbesondere wegen rigider Methoden.(4)

Das Motto der est-Seminare lautete: "60 Stunden, die Dein Leben verändern".(5)

"Das est-Standard-Training besteht aus zwei langen Wochenend-Sitzungen, die mehr als sechzig Stunden dauern, während derer 250 Leute angeschrien, herumkommandiert, beleidigt, belehrt und in verschiedene 'Prozesse' (Übungen) im Beobachten während veränderter Bewußtseinszustände eingeführt werden. (...) Sein Zweck ist, Menschen innerhalb von zwei Wochenenden zu einer einzigartigen Erfahrung zu bringen, die ihr Leben verwandelt."(6)

Diese "einzigartige" Erfahrung umfaßte, so Teilnehmer, im wesentlichen Erniedrigungen, denen eine kurze Aufbauphase folgte. Diese sollte vermitteln, daß der einzelne nun nicht länger "Idiot" (unwissendes Opfer der ihn umgebenden Lebensumstände), sondern ab jetzt sein eigener "Boß" sei.(7) Das Programm ließ sich erfolgreich und rasch auch über die Grenzen der USA hinaus vermarkten. Es nahm Trends des Zeitgeists auf: Verstehen behindere wahre Entwicklung. "Verstehen und Überzeugungen, das hatte ich eindrucksvoll von beiden, von Zen und est gelernt, sind Hindernisse für die Befreiung. Wissen über est würde sich in vielen Fällen als Hindernis erweisen, das est-Training zu erleben."(8)

Mit demselben logischen Zirkelschluß wirbt heute noch das Nachfolgeunternehmen von "est", "Landmark Education" für sein Angebot: "Das, was du im FORUM lösen kannst, ist genau das, was verhindert, daß du das Seminar buchst."(9)

Die Landmark Education GmbH (mit deutschem Hauptsitz in München als Nachfolgerin der europäischen Organisation "The Centers Network" bzw. "Werner Erhard & Associates") wurde 1991 aus einer bereits bestehenden GmbH umfirmiert. Sie ist eine 100 %ige Tochter des amerikanischen Mutterunternehmens; die Gewinne fließen an dieses zurück. Werner Erhard verkaufte 1991 die Rechte an seinem Programm an einige seiner Mitarbeiter und erhielt dafür von Landmark Education noch fünf Jahre lang Lizenzgebühren.

Programmatik

Nach eigenem Bekunden sind die ursprünglich als "est-Training" bekannten Kurse Mitte der 80er Jahre völlig überarbeitet worden. Mit dem "Forum" sei ein neuer Lehrinhalt entwickelt worden. In Abkehr vom eher durch die New-Age-Bewegung geprägten "est-Training" sei das "Forum" als das Landmark-Einsteigerseminar nun stärker intellektuell und philosophisch orientiert. Das spiegele sich auch im Teilnehmerkreis (vorzugsweise Menschen mit akademischer Bildung) wieder.

Dennoch werden Seminarteilnehmer instruiert, in ihrer Werbung für das Forum möglichst wenig vom Seminar zu erzählen, könne man doch die Inhalte nicht wirklich beschreiben. Das Forum müsse man erleben.

* Rahmenbedingungen

Die Rahmenbedingungen der "Forum"- Seminare den aus "est" bekannten. So heißt es in Informationen zum Programm:

"An jedem Landmark Forum nehmen zwischen 50 und 250 Personen teil. Der Kurs erstreckt sich über drei Tage - von Freitag bis Sonntag, jeweils von 9.00 Uhr bis etwa 24.00 Uhr. Am darauffolgenden Dienstag findet von 19.30 Uhr bis 22.45 Uhr der Abschlußabend statt, der den Kurs abrundet. Über den Tag verteilt werden eine Reihe von kürzeren Pausen sowie eine größere Essenspause von 90 Minuten eingelegt."(10) Tatsächlich beginnt der erste Tag bereits eine Stunde früher, und auch die kurzen Pausen konnten schon einmal länger als drei Stunden auf sich warten lassen. Die erhebliche zeitliche und damit psychische und physische Beanspruchung wird zusätzlich dadurch erhöht, daß in den Nächten zwischen den Seminartagen "Hausaufgaben" zu erledigen sind (z. B. einen Brief schreiben; etwas tun, was man schon immer tun wollte, aber es bislang nicht wagte).

Die Teilnehmer versprechen eine Reihe von Seminarverpflichtungen einzuhalten:

  1. obligatorisch: u. a. Kommunikation nur nach Aufforderung durch die Leiterin, keine Zwischenbemerkungen, keine Kommunikation mit dem Sitznachbarn, Sprechen nur im Stehen und ins Mikro, keine Notizen oder sonstige Aufzeichnungen;
  2. freiwillig: u. a. immer anwesend und absolut pünktlich zu sein; man verwirkt das Recht Ergebnisse zu erzielen, wenn man den Raum verläßt; wachbleiben, gerade sitzen, Augen offen halten; kein Alkohol, Joint etc. für die Dauer des Seminars.

Auch die freiwilligen Regeln wurden, so berichteten Seminarteilnehmer, für alle in einem klärenden Gespräch durchgesetzt.

* Anspruch

Landmark verspricht Verheißungsvolles: "Mit Hilfe des Landmark Forums gewinnen Sie Einblick in die grundlegenden Vorstellungen und Hypothesen, die unser Leben gestalten und steuern, Einblick in die eigentlichen Strukturen, die unser Denken und Handeln, unsere Werte und unser Sein bestimmen."(11) Man beruft sich auf "Ontologie", auf Namen wie Husserl und Heidegger als Grundlegung, zitiert Erich Fried, Ortega y Gasset und Platon.

Die Realität sieht etwas schlichter aus.

Bereits in dem im Vorfeld des Seminars einzusendenden Fragebogen werden Gründe für die Teilnahme eruiert. Viele Teilnehmer schildern bereits an dieser Stelle persönliche Probleme, die sie zur Teilnahme am Seminar motivierten. Wer kein persönliches Problem benennen konnte oder wollte, das er im Seminar "klären" wolle, dem konnte es passieren, daß ihm die Teilnahme (bei weitgehender Geldrückerstattung) verwehrt wurde, bis er ein solches Problem zu nennen bereit war.

* Methodik

Vorherrschende Methode im Seminar ist das sogenannte "coaching", ein Frage-Antwort-Dialog zwischen der Leiterin (nahezu ausschließlich die Fragende) und einem einzelnen Teilnehmer. Seminarinhalte, oft Begriffsdefinitionen mit Erläuterungen, werden in Vorträgen der Leiterin vermittelt, denen in der Regel eine Partnerübung zu zweit folgt. An einem Tag erfolgt eine Angstsuggestionsübung(12) durch die Seminarleiterin mit der gesamten Gruppe. Auch für kurze Pausen werden Übungsaufträge, für die Nächte "Hausaufgaben" erteilt. Ein von Landmark selbst beauftragter Gutachter faßt zusammen: "Im Landmark Forum werden eine Reihe von Techniken angewandt, die psychotherapeutischen Methoden entlehnt sind und die in vielen Seminaren oder Veranstaltungen mit Großgruppencharakter verwendet werden. Dazu gehören die leiterzentrierte Gruppenstruktur, die Art der Fragetechnik, die Mischung von Hinterfragen, Motivieren und Konfrontieren, die Anwendung von Suggestionstechniken und Entspannungsübungen, die Ermunterung, Emotionen zu zeigen und zu empfinden (...)."(13)

* Coaching

Das sogenannte "coaching" durch die Kursleiterin, ein Stunde um Stunde währendes Schildern persönlicher, z. T. sehr intimer Probleme durch die einzelnen Teilnehmer in einem Frage-Antwort-Form nimmt schließlich während des Seminars einen dominierenden Platz ein. Zuweilen wurden dabei zurückliegende traumatische Erlebnisse in einem zehnminütigen coaching "untersucht". Raum für eigene Interpretationen bleibt dem Teilnehmer kaum. Der Gutachter formuliert in diesem Zusammenhang: "Dabei wurde auf jene Antwort hingearbeitet, die von der Leiterin von vornherein antizipiert wurde. Die Teilnehmer erzählten nach jeder Pause ihre Erfahrungen. Mit ihnen wurde weitergearbeitet, um den Ablauf des Seminars voranzubringen. Dabei wurde auf Widerstände hingewiesen; sie wurden von der Seminarleiterin z. T. umgangen, z. T. überrannt. Interpretationen wurden relativ rasch geliefert z. B. 'wenn Du bei Dir darauf achtest was richtig und falsch ist, weißt Du auch, was bei anderen richtig und falsch ist und Du spielst Dich zum Richter auf'. Oft wurde dem Betroffenen (nach Eindruck des Referenten) nicht ermöglicht, selbst herauszufinden, was mit ihm los sein könnte; die Leiterin erzählte es ihnen. Interaktionen wurden gezielt an die Gesamtgruppe zurückgegeben: Die Teilnehmer wurden zum Fingerzeigen aufgefordert, wenn sie ähnlich empfanden; es wurde zum Applaus aufgefordert, wenn sie mit den Aussagen des Einzelteilnehmers mitempfinden konnten. Gespräche unter den Teilnehmern waren nur zu vorgesehenen Zeiten möglich. Der Seminarstil erschien rigide, direktiv, leiterzentriert, z. T. fast autoritär."(14)

Der Gutachter weist auf Gefahren hin: "Problematischer erscheint mir hingegen, daß gelegentlich Widerstände, die von einzelnen Teilnehmern gegen eine Hinterfragung oder gegen eine Offenlegung eines konkreten Problems artikuliert wurden, nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Dies ist auch dann problematisch, wenn sich die Seminarleiterin als "Coach" bezeichnete, dessen Aufgabe es sei, Widerstände zu überwinden. Die Möglichkeit, daß sich hinter dem Widerstand ein bislang nicht bewältigtes Trauma verbirgt, welches zu einer Dekompensation führen könnte, kann bei einem solchen Vorgehen nicht ausgeschlossen werden."(15)

Landmark Education hebt den kommerziellen Charakter seines Angebots hervor. Obwohl mit aus der Psychotherapie entlehnten Methoden gearbeitet wird, betont das Unternehmen, daß es sich bei den Seminaren nicht um ein psychotherapeutisches Angebot handelt. Die beiden deutschsprachigen Seminarleiterinnen verfügen über keine dahingehend einschlägige Ausbildung, und während der Seminare ist auch keine entsprechende Fachkraft anwesend.

* Gruppendynamik

Landmark betont, daß die Schilderung privater Probleme fakultativ sei. Das gilt allerdings nur für das Auftreten vor der Gesamtgruppe von ca. 100 Teilnehmern. Darüber hinaus werden Partnerübungen initiiert, die ähnlich private Äußerungen intendieren und denen sich der einzelne nicht entziehen kann. Die partielle, für manchen Teilnehmer offensichtlich auch selbst unerwartet intensive Preisgabe der Privatsphäre der Teilnehmer wird in manchen coaching-Situationen von heftigen emotionalen Ausbrüchen und vielen Tränen begleitet.

Das Maß an menschlicher Nähe, das für die Mitteilung persönlicher Probleme eigentlich notwendig ist, wird durch die Gruppendynamik 'Wir-machen-das-hier-alle-so' ersetzt. Die Voraussetzung für eine sehr persönliche Mit-Teilung wird zu ihrem Resultat. Eine neue Welt tut sich auf, Kausalitäten scheinen umkehrbar. Diese überraschende Nähe zu einer großen Gruppe wildfremder Menschen fällt manchem schwer einzuordnen, da sie in aller Regel nicht im bisherigen Erfahrungsbereich des Teilnehmers lag. Manch Teilnehmer leitet davon eine besondere Qualität des Seminars und eigene Persönlichkeitsveränderung ab. Mancher ist einfach nur verwirrt oder verunsichert: "Im Verlauf des Forums war eine gewisse emotionale Labilisierung und Haltsuche bei den Teilnehmern festzustellen, die sich auf das Forum bezog."(16)

Die Dynamik der Gruppe wird an vielen Stellen des Seminars genutzt (z. B. zur Werbung für den Folgekurs, zur Werbung neuer Teilnehmer, zur Disziplinierung einzelner Teilnehmer).

* Sprache

Durch eine Mixtur philosophischer und psychologischer Thesen, in Vortragsform durch die Leiterin kundgetan, wird eine Landmark-Binnenbegrifflichkeit (z. B. "Nummer", "Gewinnformel", das "Immer-bereits-Menschsein", das "Immer-bereits-Hören") definiert, die relativ schnell in den Sprachgebrauch der Teilnehmer übergeht und bereits auf diese Weise den Eindruck vermittelt, tatsächlich neue Erkenntnisse gewonnen zu haben. Hat der Teilnehmer bestimmte voraussetzende Begriffsdefinitionen (z. B. "Nummer"(17)) akzeptiert, schließt sich das System: Kritik wird nahezu unmöglich - definierbar als eine neue "Nummer".

* Werbung

Die Werbung für Folgekurse wie auch für neue Teilnehmer ist integraler Bestandteil des Forum-Seminars selbst. Der Gutachter weist auf diesen Zusammenhang hin: "Als problematisch muß jedoch angesehen werden, daß die Werbung für weitere Kurse und auch die Ermunterung zur Anwerbung weiterer Teilnehmer in Zeiten ausgeprägter Emotionalisierungen erfolgte, in denen ein rationales Abwägen der Vor- und Nachteile sicher erschwert war."(18) Landmark Education nutzt fast ausschließlich die effektive und kostenneutrale Werbung ehemaliger Teilnehmer im Freundes-, Verwandten-, Bekannten- und Kollegenkreis. Sogenannte Assistenten von Landmark Education veranstalten bisweilen in Privatwohnungen Werbeabende für das Forum-Seminar. Seminarregeln (z. B. Verbot von Notizen) werden dort oft verschwiegen. Die Rahmenbedingungen und Warnhinweise, die im Anmeldebogen unterschrieben werden, sind vorab nicht bekannt, denn dieser wird erst nach der Anmeldung zugesandt. Erst dieser Bogen weist dann darauf hin, daß jeder Seminarteilnehmer für seine Gesundheit selbst verantwortlich ist und den Veranstalter von jeder Haftung freizeichnet.

* Assistenten

Jeder Teilnehmer kann zum Ende des Forums sein Namensschildchen in ein spezielles Körbchen werfen, um in Zukunft ehrenamtlich als Assistent für das Unternehmen zu arbeiten. Assistenten obliegt weitgehend die Logistik der Veranstaltungen von der Werbung über die Organisation der Werbeabende, Organisation der Anmeldeprozedur bis hin zum "Service" während des Seminars, bei dem schon einmal ca. 25 Assistenten beschäftigt werden können.

* Rechtliche Auseinandersetzung

Im Nachgang zum Bericht der Senatsverwaltung für Jugend und Familie aus dem Jahre 1994, in dem Landmark Education ebenfalls kurz beschrieben wurde, kam es zu prozessualen Auseinandersetzungen. Einen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung nahm die LE GmbH zurück, im Hauptsacheverfahren fiel die Entscheidung im Jahre 1997: Obwohl mit der Klage das Ziel verfolgt worden war, dem Land Berlin zu untersagen, die Firmen Landmark Education GmbH, "die Landmark Education Corporation, das 'est-Training' sowie das 'Landmark Forum' in der Neuauflage der Broschüre 'Informationen über neue religiöse und weltanschauliche Bewegungen und sogenannte Psychogruppen' und/oder vergleichbaren Informationsschriften zu erwähnen", erklärte Landmark die Klage im Hauptsacheverfahren für erledigt, nachdem die Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport nur erklärt hatte, "daß für den Fall einer Neuauflage der Broschüre und einer Aufnahme der Klägerin darin die Klägerin unter einer gesonderten Rubrik "Anbieter von Lebenshilfe" mit entsprechender Einleitung eingeordnet werden, und daß ferner die zu Fußnote 8  gehörige Information gestrichen wird." (Protokoll der öffentlichen Sitzung des VG Berlin vom 14.04.97 - VG 27 A 149.95, S. 17) Diese Erklärung der Senatsverwaltung beruhte auf der bereits vorher beabsichtigten und mit dem vorliegenden Bericht umgesetzten Neustrukturierung und neueren Erkenntnissen.

Sitz

Die deutsche Tochter des amerikanischen Unternehmens unterhält Büros in München und Frankfurt und verfügt über weniger als 10 Angestellte. Seminare finden hauptsächlich in München, Frankfurt und Hamburg statt. In Berlin werden zur Zeit keine Seminare, sondern lediglich Werbeabende in Privatwohnungen von ehrenamtlichen Assistenten veranstaltet.


Quellenverzeichnis:
1 Landmark-Forum in Berlin, 14. - 28. November 1995
2 Oswald Eggenberger: Die Kirchen, Sondergruppen und religiösen Vereinigungen, Zürich: Theologischer Verlag 1990, S. 285
3 Scientology: Die Brücke zur völligen Freiheit, Auditor-Kurs für Est-Reparatur, L. Ron Hubbard Library 1993
4 Gasper/Müller/Valentin: Lexikon der Sekten, Sondergruppen und Weltanschauungen, Freiburg: Herder 1994, S. 261, (Herder Spektrum 4271)
5 Gasper, a. a. O.
6 Luke Rhinehart: Das Buch EST, München: Hugendubel 1983, S. 8
7 (Kü): Psychotraining, Seelenvergiftung durch "EST", in: Materialdienst der EZW, Informationen (1984) 3, S. 3
8 Luke Rhinehart: Das Buch EST, a. a. O. S. 9
9 Aussage von Leiterinnen an div. Werbeabenden des Unternehmens
10 Landmark Education: Das Landmark Forum, Werbebroschüre, ohne Verf., ohne J., erstmals 1996 erschienen
11 ebenda
12 Martin Lell: Das Forum, Protokoll einer Gehirnwäsche, Deutscher Taschenbuch Verlag 1997, S. 112 ff.
13 Prof. Dr. med. Norbert Nedopil: Psychiatrisches Gutachten über das LANDMARK - Forum, 23.03.1995, S. 51
14 ebenda S. 38 f.
15 ebenda S. 58
16 ebenda S. 63
17 "Nummer": "Eine fixierte Art zu sein verbunden mit einer Beschwerde".
18 ebenda S. 55


kommerziell:
7.4.3. Art Reade


Wer Art Reade kennt, weiß, daß seine Erklärungen
erwachsen sind aus der Intelligenz seines Herzens
und aus der Kommunikation mit der Inneren Quelle.

Simone Sommer Privatinstitut(1)

Gründung

Art Reade bietet seit etlichen Jahren aufeinander aufbauende Seminare an. Er stammt aus den USA (Phoenix/Arizona) und bezieht sich auf die amerikanische "Human-Growth"-Bewegung und die Tradition seiner indianischen Vorfahren. Nach eigenen Angaben habe er insbesondere wegen seiner Heileraktivitäten in seiner Heimat Schwierigkeiten bekommen und deshalb begonnen, in Europa Seminare anzubieten.

Programmatik

Art Reade will "sein Wissen um die Selbstheilungskräfte der Menschen und um die Möglichkeiten, mehr mentales, emotionales, körperliches und spirituelles Wohlbefinden zu erreichen ..."(2) in Seminaren und Trainings weitergeben. Die beiden ersten Seminare "Basic" und "Advanced" sind Teilnahmevoraussetzung für weitere Angebote.

In den Gruppen geht es um Themen wie Einstellungen, begrenzende Glaubenssätze, Erschaffen und Besiegen von Krankheiten, Einführung in die Gesetze von Überfluß und Reichtum, um den göttlichen Plan als Grundlage für jede Beziehung, um Kommunikation mit der Inneren Quelle.

Der Seminarteilnehmer füllt unmittelbar vor Seminarbeginn eine Einverständiserklärung aus, von der er jedoch kein Duplikat erhält. Die mit der unterschriebenen Erklärung akzeptierten allgemeinen Geschäftsbedingungen dienen in erster Linie der rechtlichen Absicherung des Anbieters. In diesen wird u. a. darauf hingewiesen, daß aus

Hierzu hat der Teilnehmer jedoch unmittelbar vor Beginn der Veranstaltung und ohne einschätzen zu können, welche Beanspruchungen ihn konkret erwarten, keine Möglichkeit.

Die Veranstaltungen finden in Großgruppen statt, z. T. mit mehr als einhundert Teilnehmern. Neue Teilnehmer werden vor allem durch Menschen, die bereits selber Seminare von Art Reade besucht haben, gewonnen. Von den konkreten Inhalten erfährt der Interessent vor dem Seminar in der Regel kaum etwas, als Vorabinformationen gibt es außer dem allgemein gehaltenen Informationsblatt lediglich den Hinweis auf die Selbstversorgung und die ungefähren Seminarzeiten.

In der ersten, der Basic-Gruppe, geht es in erster Linie - abwechselnd durch Vorträge und Übungen - um das Bewerten der eigenen Lebensstandpunkte, um Heilung, um sogenannte universelle Gesetze. Voraussetzung für den eigentlichen Beginn des Seminars war die als verbindlich geltende, freiwillige Anerkennung von vierzehn Gruppenregeln für die Dauer des Seminars durch alle Teilnehmer, z. B. keinen Alkohol, keine Notizen, keinen Sex, keine Uhr, keine Seitengespräche, die Gruppe bis zum Ende mitzumachen, lebenslange Geheimhaltungspflicht. Die Regeln, deren Sinnhaftigkeit nicht in Frage gestellt wird, sind derart gestaltet, daß sie von den Teilnehmern zwangsläufig übertreten werden müssen. (So stellte die leise Bitte eines Teilnehmers an einen anderen, ihm die Wasserflasche zu reichen, eine Verletzung der Regel "keine Seitengespräche" dar.)

Das Seminar dauert drei Tage, pro Tag durchschnittlich 12 Stunden mit je zwei Pausen. Die Nachtruhe verkürzt sich durch aufgegebene Hausaufgaben.

Unterstützt wird Art Reade während des Seminars durch einige Assistenten, deren Funktion das Organisieren des Seminarablaufes einschließlich Beobachten des richtigen Durchführens der Übungen entsprechend der Vorgaben durch Art Reade ist. Außerdem verteilen sie nach Bedarf Taschentücher, wenn Teilnehmer sehr emotionalisiert reagieren. Die Assistenten arbeiten unentgeltlich und freiwillig.

Art Reade habe aus seiner Menschenkenntnis heraus Richtlinien des Lebens erkannt. Ein Schwerpunkt besteht in der Betrachtung der Entstehungsursachen von Krankheiten, insbesondere von Krebs. Nach der Teilnahme an seinen Seminaren seien auch schwer Krebskranke wieder gesund geworden, ebenso seien Blind- und Taubheit nach der Seminarteilnahme gelindert bzw. geheilt worden. Er habe eine Sammlung von Brillen, die ihm Teilnehmer nach seinem Seminar überreicht hätten, da sie diese nun nicht mehr benötigten. (Jedoch trugen zwei der Assistenten immer noch eine Brille.)

Art Reade vermittelt die Auffassung, jeder hätte "Vereinbarungen". Bricht der Mensch Vereinbarungen, ist er verantwortlich für die Folgen. So seien Eltern verantwortlich für die Probleme, die ihre Kinder hätten, indem sie die Vereinbarung, ihre Kinder gut zu erziehen, gebrochen hätten. Ginge eine Firma pleite, seien die Mitarbeiter dafür verantwortlich, selbst die Reinigungskraft habe diese Verantwortung.

Durch Gott habe Art Reade die Botschaft erhalten, er könne Menschen gesund machen. Die Entstehung von Krankheiten führt Art Reade auf "falsche Glaubenssätze" zurück. Gehe man zu den Ereignissen, die zur Erkrankung geführt hätten, zurück, verzeihe und ändere seine Glaubenssätze, werde man gesund werden.

Art Reade legt während einer Übung Menschen, die das wollen, die Hand auf bzw. berührt sie an verschiedenen Körperstellen, um sie von ihren Beschwerden zu befreien bzw. diese zu lindern.

In einem persönlichen "Clearing" benennt Art Reade aufgrund eines Paßfotos jedem Gruppenteilnehmer dessen Hauptstärke und Grundangst, letztere sei jedoch für die Zukunft ohne Bedeutung, da sie allein durch das Benennen durch Art Reade verschwinden würde, einschließlich der mit ihr verbundenen Nebenängste.

Der Aufbau und Ablauf des Basic-Trainings sind geeignet, bei den Teilnehmern eine veränderte Wahrnehmung zu erzeugen und sie in eine mögliche psychische Abhängigkeit geraten zu lassen.

Art Reade tritt als eine Art "Übervater" auf, der wisse, wie es im Leben lang gehe. Zwar wird den Teilnehmern verbal die Möglichkeit gelassen, das, was Art Reade als Lebenserkenntnisse anbietet, für sich selbst anders bewerten zu können. Tatsächlich wird mit "Abweichlern" jedoch rigide umgegangen bis hin zu der Aussage, daß das Leben auch ohne ihn weiterginge.

Das Beibehalten oder Erlangen einer gesunden Distanz zu den Trainingsinhalten wird erschwert durch das Einhalten des Gebotes, mit niemandem über den Inhalt zu sprechen. Darüber hinaus stellen die Marathonsitzungen und die sich endlos hinziehenden Übungen eine physische und psychische Anspannung dar, die bis an die Grenze der individuellen Belastbarkeit gehen kann.

Als besonders problematisch muß der Umgang mit schwerkranken Teilnehmern angesehen werden, vor allem, wenn die berichteten und als erreichbar dargestellten Genesungen nicht eintreten.

Im Anschluß an das Seminar wird den Teilnehmern angeboten, weitere Seminare bei Art Reade wahrzunehmen. Zudem gibt es regelmäßige Angebote zu sogenannten Sharings (als eine "wundervolle Möglichkeit..., um das was bei Art Reade im Workshop erfahren und gelernt wird, in den "Alltag" zu führen und uns bei den Prozessen liebevoll zu begleiten."(3)), die in Berlin wöchentlich stattfinden.

Auf weitere Angebote des Simone Sommer Privatinstitutes, z. B. Erfolg-Seminar, Intensiv für Paare, die Schule (letztere für 7.800,00 DM plus Nebenkosten für Unterkunft und Verpflegung), werden die Teilnehmer ebenfalls hingewiesen.

Sitz

Alle Art Reade-Seminare werden über das Berliner Simone Sommer Privatinstitut für multidimensionale Lebensentfaltung (vormals Paradise Now Institut) angeboten, weiterhin finden Seminare in Hamburg, Köln und Kopenhagen statt.


Quellenverzeichnis:
1 Art Reade Clearing & Healing in Berlin, Simone Sommer Privatinstitut Werbeblatt, 1996
2 ebenda
3 Flyer: Sharing in Berlin, Juni 1997


kommerziell:
7.4.4. Scientology


Fürchte dich nie davor, einem anderen in
einer gerechten Sache weh zu tun.

Ehrenkodex(1)

Gründung

Scientology wurde von dem Amerikaner Lafayette Ronald Hubbard (1913 - 1986) gegründet. Hubbard war in den 30er Jahren als Science-fiction-Schriftsteller tätig und veröffentlichte 1950 das Buch "Dianetik - Die Wissenschaft von der geistigen Gesundheit". Darin beschrieb er die Grundlagen seiner Ideen, eine Art "Do-it-yourself-Psychologie", aus der später "Scientology" wurde. "Dianetic/Dianetik" bezeichnet "eine Technologie zur Befreiung des geistigen Wesens" mit dem Ziel einer erhöhten Leistungsfähigkeit.(2)

* Struktur

Die Scientology-Organisation (SO) besteht heute aus drei großen Zweigen:

  1. World Institute of Scientology Enterprices (WISE) - der wirtschaftliche Zweig
  2. Scientology-Church (sog. Orgs, Missionen, Celebritiy Centers) - der Zweig, der Kurse, Seminare, das sog. Auditing, Bücher, Videos etc. verkauft
  3. Association for Better Living and Education (ABLE) - der soziale Zweig mit Vereinen wie Narconon, Criminon, Applied Scholastics, Zentrum für individuelles und effektives Lernen (ZIEL) nach der sog. Studiertechnologie nach Hubbard.

Darüber hinaus gibt es eine Fülle weiterer scientologischer Vereinigungen wie beispielsweise die in der Öffentlichkeit häufig genannten "Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen die Menschenrechte" (KVPM). An der Spitze von SO steht eine bezeichnenderweise "Watchdog Committee" genannte Führungscrew.

Von direkten scientologischen Vereinigungen sind Unternehmen zu unterscheiden, die von Scientologen nach scientologischen Prinzipien geführt werden und die rechtlich, sofern nicht eine WISE-Lizenz erworben wurde, mit der SO nicht verbunden sind.

Programmatik

* kommerzieller Charakter

Scientology stellt sich heute selbst als eine Religion, früher eher als eine angewandte Philosophie dar. Als in den USA Schwierigkeiten mit den Steuerbehörden auftauchten, erkannte man die steuerlichen Vorteile für Religionsgemeinschaften. Tatsächlich endete der 25jährige Streit mit den Steuerbehörden in den USA erst 1993 mit einem überraschenden positiven Ausgang für SO. Bis dahin wurde die Organisation wegen ihres kommerziellen Charakters auch in den USA als ein Wirtschaftsunternehmen bewertet. Der Entscheidung der Steuerbehörde IRS war ein immenser Druck der SO vorausgegangen, der sich auch im Einsatz von Privatdetektiven, die Schwachstellen im Privatleben der Mitarbeiter der Steuerbehörde ausforschen sollten, geäußert haben soll.(3) Die IRS-Leitung verneint einen Einfluß der SO-Kampagne auf die Entscheidung der Behörde. Doch Mitarbeiter räumen ein, "that ruling against the church would have prolonged a fight that had consumed extensive government resources and exposed individual officials to personal lawsuits."(4)

Für die Bewertung der SO in Deutschland faßt das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 22.03.1995(5) zusammen: Die Mitgliedschaft und die "religiösen" Dienste in der SO sind kommerzialisiert. Dienen aber die religiösen oder weltanschaulichen Lehren nur als ein Vorwand für die Verfolgung wirtschaftlicher Ziele, kann von einer Religionsgemeinschaft i. S. des Grundgesetzes nicht die Rede sein.

Für die kritische Auseinandersetzung mit Theorie und Praxis der Scientology-Organisation kann die Qualifizierung bestimmter Aspekte von Scientology als religiös oder weltanschaulich letztlich dahinstehen, solange für den einzelnen potentiell die Gefahr von Grundrechtsverletzungen z. B. nach Art. 1, 2 oder 6 GG gesehen wird.

* Menschenbild

Die SO wendet die Darwinsche Lehre vom Kampf um das Dasein in Fortentwicklung von Spencer konsequent auf die Gesellschaft an. Das sozialdarwinistische scientologische Menschenbild focussiert jegliches Sinnen und Trachten des Menschen als auf das "Überleben" gerichtet - und nur dann gilt es als rational und sinnvoll. Eine schädliche und gegen das "Überleben" gerichtete Handlung wird in der SO als sogenannte "Overthandlung" bezeichnet: "Deshalb wäre die Unterlassung, etwas oder jemanden, wodurch viel Schaden angerichtet würde, nicht zu vernichten oder aufzuhalten, ein Overt."(6)

Es zählt nur der Starke: "Belohnt man Nichtproduktion, erhält man Nichtproduktion. Bestraft man Produktion, erhält man Nichtproduktion. Der Wohlfahrtsstaat kann als der Staat definiert werden, der die Nichtproduktion auf Kosten der Produktion belohnt. Seien wir daher nicht überrascht, wenn wir schließlich alle als Sklaven in einer verhungerten Gesellschaft enden ..."(7) Werte wie Solidarität, Mitleid, Mitmenschlichkeit, Achtung vor dem Schwachen finden hier keinen Raum. Ebensowenig kennt SO eine Kindheit: Kinder betrachtet die SO als "Thetane in kleinen Körpern". Berichte über die Scientology-Zentrale Saint Hill in Großbritannien führten aus, daß Kinder innerhalb der scientologischen Hierarchie durchaus auch Vorgesetzte von Erwachsenen sein können, allerdings gleich diesen 12 Stunden und mehr am Tag arbeiten müßten.(8)

Die SO erwartet die totale Unterwerfung des einzelnen Menschen: "Da Scientology jetzt TOTALE Freiheit bringt, muß sie auch die Macht und Autorität haben, totale Disziplin zu fordern, oder sie wird nicht überleben."(9)

* Umgang mit Kritikern

Der scientologische Umgang mit Kritik und Kritikern ist mit wenigen Zitaten zu umreißen. Die SO folgt einem schlichten Schwarz-Weiß-Schema: Sie teilt die Welt in Anhänger und Feinde. Feinde gilt es mit nahezu allen Mitteln zu bekämpfen:

  1. "Finde heraus, wer uns angreift.
  2. Beginne sofort, den Angreifer auf VERBRECHEN oder Schlimmeres zu untersuchen, arbeite dabei mit eigenen Spezialisten und nicht mit Leuten von draußen!
  3. Fahr die Retourkutsche, indem du sagst, wir begrüßen, daß der Angreifer untersucht wird.
  4. Füttere die Presse mit tatsächlichen Beweisen gegen die Angreifer, also mit ihren dunklen, blutigen, sexuellen und verbrecherischen Machenschaften. Unterwerfe dich niemals einer Untersuchung über uns. Mach es den Angreifern schwer. (...) benutze ihr Blut, ihren Sex und ihre Verbrechen, um Schlagzeilen zu machen, nicht aber uns."(10)

Der Feind darf "seines Eigentums beraubt werden, er darf auf jede Weise durch einen Scientologen geschädigt werden, ohne Strafverfahren durch Scientologen. Man darf ihm Streiche spielen, ihn belügen, betrügen und vernichten."(11)

Kritiker an der SO werden als "Suppressive Person" (SP) bezeichnet. Hat ein Scientologe Kontakt mit einer solchen SP, gilt er bereits als "Potential Trouble Source" (PTS).

Kritiker werden vielfach mit Verbrechern gleichgesetzt. So gilt als ein Schwerverbrechen "daß man sich öffentlich von SC abkehrt oder unterdrückerische Handlungen begeht."(12)

Als unterdrückerische Handlungen gelten:

* Gesellschaftsbild

Das Gesellschaftsbild der SO steht in unverkennbarer Spannung zu unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung. Die SO folgt einem unbeirrbaren Absolutheitsanspruch: "Es ist erwiesen, daß die Bemühungen des Menschen, andere Wege zu finden, zu nichts geführt haben. (...) Die Scientology ist das einzige funktionierende System, das der Mensch hat."(15)

Das Ziel heißt "Clear Planet"(16), eine scientologische Gesellschaft auf der gesamten Erde. Teilziele heißen folgerichtig z. B. "Clear Deutschland". "NUR CLEARS UND OTS(17) WERDEN DIESEN PLANETEN ÜBERLEBEN! Und wir sind die einzigen, die welche machen können."(18)

Eine scientologische Gesellschaft kennt keine Unteilbarkeit der Grund- und Menschenrechte: "Vielleicht werden in ferner Zukunft nur dem Nichtaberrierten die Bürgerrechte verliehen - in einem Staat der reinen Vernunft. Vielleicht erreichen wir einmal das Ziel, daß nur der Nichtaberrierte von solcher Staatsbürgerschaft profitieren kann. Dies sind erstrebenswerte Ziele ..."(19)

Nicht vorgesehen sind lt. einem Gutachten(20) für die schleswig-holsteinische Landesregierung in einer scientologischen Gesellschaft u. a. auch Gewaltenteilung und unabhängige Gerichte, Meinungs-, Religions- und Gewissensfreiheit, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das Recht auf die Wahrung der Intimsphäre, Pluralität des Denkens und Handelns.

Der Weg zur scientologischen Gesellschaft führt über eine sukzessive Unterwanderung aller Bereiche der Gesellschaft: "Erobern Sie, egal wie, die Schlüsselpositionen, die Position als Vorsitzende des Frauenverbandes, als Personalchef einer Firma, als Leiter eines guten Orchesters, als Sekretärin des Direktors, als Berater der Gewerkschaft - irgendeine Schlüsselposition. Verdienen Sie sich einen ordentlichen Lebensunterhalt damit, fahren Sie einen guten Wagen, aber bringen Sie Ihre Aufgabe über die Bühne, handhaben und verbessern Sie die Leute, denen Sie begegnen, und schaffen Sie eine bessere Welt."(21)

Unverstellt weist das scientologische Schrifttum auf den Auftrag hin, der in diesen Schlüsselpositionen im Rahmen eines von der SO als "ethisches Verhalten" bezeichneten Agierens zu erfüllen ist: "Der Zweck von Ethik ist: GEGENABSICHTEN AUS DER UMWELT ZU ENTFERNEN. Nachdem das erreicht ist, hat sie zum Zweck, FREMDABSICHTEN AUS DER UMWELT ZU ENTFERNEN. Dadurch ist Fortschritt für alle möglich."(22) In einem ersten Schritt sollen also Kritiker an der SO ausgeschaltet werden, in einem zweiten Schritt schließlich alle Andersdenkenden. Fortschritt für alle schließt demnach Kritiker und Andersdenkende aus. Das bedeutet eine völlige Gleichschaltung der Gesellschaft.

Der Gutachter Prof. Abel faßt zusammen: "SC begreift sein rettendes Konzept nicht als eine Möglichkeit unter mehreren, sondern absolut und will es letztlich auch absolut durchsetzen. Betrachtet man die scientologischen Vorstellungen in einem Gesamtzusammenhang, ist die Umsetzung solcher Vorstellungen gleichbedeutend mit der Errichtung einer totalitären Diktatur. Das scientologische Denken ist nur in sich schlüssig. Zu den Prinzipien staatlicher Ordnung der BR Deutschland und anderer demokratisch verfaßter Staaten ist dieses Denken inkompatibel."(23)

* Wirtschaftliche Aktivitäten

Neben geschäftlichen Aktivitäten einzelner Scientologen in eigenen, von der Öffentlichkeit als "scientologynahe" Unternehmen bezeichnet, gilt es für die Anhänger, die scientologische Unterwanderungsstrategie auch in der Wirtschaft umzusetzen.

In der SC-Führungsanweisung ED 1040 wird diese Unterwanderungsstrategie beschrieben:

  1. "Such Dir ein Geschäft aus, welches bereits sehr gut arbeitet.
  2. Wende Dich an den höchsten Direktor. Biete ihm an, dafür zu sorgen, daß sein Geschäft ihm mehr Geld einbringt.
  3. Lokalisiere SPs(24) in der Organisation und wirf sie hinaus.
  4. Auditiere die leitenden Angestellten und zeige ihnen, um was es sich handelt, das wird dann den Zyklus in Gang setzen: die leitenden Angestellten werden die Jungmanager und das andere Personal dazu drängen, Auditing zu nehmen."(25)

Mag der erfolgreiche Fortschritt der gesellschaftlichen Unterwanderung durch Scientology auch zuweilen übertrieben dargestellt werden, so gibt es Bereiche innerhalb der deutschen Wirtschaft, in der Scientologen und scientologynahe Firmen besonders häufig anzutreffen sind. Als Schwerpunkte nennen Experten insbesondere den Bereich der Managementschulungen, die Immobilienbranche, die Computerbranche und Vertriebsfirmen.(26)

Besondere Aufmerksamkeit sollte man dabei den Managementschulungsfirmen angedeihen lassen. Ohne andere nicht-seriöse, aber nicht-scientologische Schulungsanbieter in ihrem Gefährdungspotential mindern zu wollen, besteht hier die Gefahr, daß über Managementschulungen durch scientologischer Firmen scientologische Gedanken und Verhaltensmodelle unerkannt und direkt in die Wirtschaft einsickern.

In Berlin haben in den letzten drei Jahren, ähnlich wie vorher in Hamburg, die Aktivitäten sogenannter scientologynaher Immobilienfirmen für hohe öffentliche Aufmerksamkeit gesorgt. Diese Firmen betreiben überwiegend das lukrative Umwandlungsgeschäft von Miet- in Eigentumswohnungen in Altbauten. Hier wurde mit einer besonderen Energie und Methodik vorgegangen, die in vieler Hinsicht zu äußerster Kritik Anlaß bot. Betroffene Mieter berichteten u. a. von Belästigungen, Verstößen gegen den Datenschutz und vom Einsatz eines Privatdetektivs. Es gründete sich eine Selbsthilfegruppe betroffener Mieter.(27)

* sogenannte Scientology-Schutzklausel

Häufig wird nach Listen scientologischer Firmen gefragt. Abgesehen von datenschutzrechtlichen Problemen wäre eine solche Liste immer nur eine unzureichende Momentaufnahme. Nicht alle Firmen, die nach der Technologie von L. Ron Hubbard arbeiten, sind bekannt. Eine Liste suggerierte, nicht aufgelistete Firmen hätten damit nichts zu tun. Überdies gibt es auch bei SO eine Mitgliederfluktuation.

Es wird empfohlen, im Falle der Vermutung einer SO-Mitgliedschaft des potentiellen Geschäftspartners die sogenannte Scientology-Schutzklausel zu verwenden. Folgende Erklärungen sind gemeinhin in Gebrauch:


Erklärung

Ich, der/die Unterzeichnende erkläre,

  1. daß ich bzw. mein Unternehmen ...................................................................... nicht nach der Technologie von L. Ron Hubbard arbeite(t)/unterrichte(t)/oder Leistungen anbiete(t),
  2. daß weder ich noch meine Mitarbeiter nach der Technologie von L. Ron Hubbard geschult wurden/werden bzw. keine Kurse und/oder Seminare nach der Technologie von L. Ron Hubbard besucht haben/besuchen und
  3. daß ich die Technologie von L. Ron Hubbard zur Führung meines Unternehmens/zur Durchführung meiner Kurse und/oder Seminare ablehne.
  4. Eine künftige Veränderung in dieser Hinsicht werde ich umgehend und unaufgefordert mitteilen.

......................................................................................................................................

Datum/Unterschrift (Geschäftsführer/Leiter des Unternehmens)


Erklärung

  1. der Auftragnehmer versichert,
  1. Der Auftragnehmer verpflichtet sich, solche Mitarbeiter oder sonst zur Erfüllung des Vertrages eingesetzte Personen von der weiteren Durchführung des Vertrags unverzüglich auszuschließen, die während der Vertragsdauer die "Technologie von L. Ron Hubbard" anwenden, lehren, in sonstiger Weise verbreiten oder Kurse/Seminare nach dieser "Technologie" besuchen.
  2. Die Unwahrheit der Erklärung oder eines Teils des Erklärung in Ziffer 1 sowie der Verstoß gegen die Verpflichtung in Ziffer 2 berechtigt den Auftraggeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Frist. Weitergehende Rechte bleiben unberührt.

......................................................................................................................................

Datum/Unterschrift (Geschäftsführer/Leiter des Unternehmens)


* Werbung

Scientology nutzt wie wohl keine andere Organisation alle Möglichkeiten der Werbung: vom Ansprechen des Kollegen für einen Kommunikationskurs über Postwurfsendungen des Persönlichkeitstests mit dem Einstein-Porträt bis hin zu professionellen Internet-Seiten. Mancher, der sich einmal für SO interessierte und unbedacht seine Adresse gab, wird jahrelang mit Postbergen und telefonischen Nachfragen eingedeckt; ein Strom, den keine noch so ablehnende Haltung zum Versiegen zu bringen vermag. Öffentliche Stellen und Politiker ertrinken geradezu in einer Flut von Hochglanz-Broschüren.

Sitz

Die europäische Zentrale der SO befindet sich in Kopenhagen; die deutsche Zentrale in Hamburg.

Der Berliner Verein "Scientology Kirche Berlin e. V." betreibt sein Gewerbe in seinem bescheidenen Sitz in Friedenau. Die Bedeutung des Berliner Vereins mit seinen ca. 200 aktiven Mitgliedern ist für Deutschland vergleichsweise gering einzuschätzen. Allerdings wird der Hauptstadtaspekt gewiß motivierend sein, Präsenz und Bedeutung zu erhöhen. Ob das in Anbetracht der hohen Sensibilisierung der Öffentlichkeit Erfolg haben kann, ist erheblich in Zweifel zu ziehen. Zeigte doch bereits die im Oktober 1997 mit ungeheurem Aufwand veranstaltete sog. "Scientology-Demonstration", daß die SO trotz weltweit und laut gerührter Werbetrommel lediglich ca. 3.000 Demonstranten zu rekrutieren vermochte. Deutsch war überdies für die meisten Demonstranten eine Fremdsprache. Die SO gibt die Zahl der aktiven Mitglieder für Deutschland mit ca. 10.000(28) an. Man wird auch da Abstriche machen können.

Für das Gefährdungspotential allerdings ist die Anzahl der Mitglieder in Anbetracht der Unterwanderungsstrategie der SO nur bedingt aussagefähig. Auch wenige Mitglieder können, erfolgreich in Schlüsselpositionen plaziert, Schaden anrichten.

Seit Juli 1997 wird die SO in nahezu allen Bundesländern(29) von den Landesämtern für Verfassungsschutz beobachtet.


Quellenverzeichnis:
1 Was ist Scientology? New Era Publikations International ApS, Kopenhagen 1992, S. 583
2 Frei, Das Magazin der Scientology Kirche Berlin e. V.: Warum sich schuldig fühlen? Ausgabe 98, S. 7
3 International Herald Tribune, 10. März 1997, S. 7
4 ebenda
5 NJW 1996, S. 146 f.
6 Fachwortsammlung für Dianetics und Scientology, Kopenhagen o. J., S. 68, zitiert nach: Prof. Dr. jur. Ralf B. Abel: Ist das Menschen- und Gesellschaftsbild der SO vereinbar mit der Werte- und Rechtsordnung des Grundgesetzes?, S. 30
Ministerpräsidentin des Landes Schleswig-Holstein, April 1996
7 Ulrich Müller und Anne-Marie Leimkühler: Zwischen Allmacht und Ohnmacht, Regensburg: Roderer 1992, S. 43 f.
8 Bericht "Tanya": Veranstaltung zur SO im "Haus der Kirche" Berlin am 26.10.1997
9 Policy Letter v. 5 January 1968, Conditions Orders Executive Ethics; zitiert nach: Der Senator für Schulwesen, Jugend und Sport: "Jugendsekten" und Psychokulte, Berlin 1983, S. 13
10 HCO Policy Letter of 15 February 1966, zitiert nach: Haack, Friedrich-Wilhelm und Thomas Gandow: Scientology, Dianetik und andere Hubbardismen, 3. Auflage, München: Ev. Presseverband 1993 (Münchener Reihe), S. 36
11 HCO Policy Letter vom 18. Oktober 1966, zitiert nach: Friederike Valentin, Horand Knaup: Scientology - der Griff nach Macht und Geld, Freiburg 1992, S. 71
12 Abel: Menschenbild, a. a. O., S. 28
13 Scientology
14 ebenda S. 28 f.
15 HCO Policy Letter vom 14.02.1965, erneut herausgegeben 30.08.1980, zitiert nach Hans-Gerd Jaschke: Auswirkungen der Anwendung der scientologischen Gedankenguts auf eine pluralistische Gesellschaft oder Teile von ihr in einem freiheitlich demokratisch verfaßten Rechtsstaat, Innenministerium des Landes NRW, Dezember 1995, S. 29
16 "Clear" ist eine bereits fortgeschrittene Stufe auf der scientologischen Stufenleiter.
17 Operating Thetan-Stufe im scientologischen Schulungssystem
18 Müller/Leimkühler: Allmacht, a. a. O., S. 63
19 L. Ron Hubbard: Dianetik, New Era Publications ApS, Kopenhagen, 5. Auflage 1983, S. 455 Aberrierte = Nicht-Scientologen
20 Prof. Dr. jur. Ralf B. Abel: Ist das Menschen- und Gesellschaftsbild der SO vereinbar mit der Werte- und Rechtsordnung des Grundgesetzes?"
21 Müller, Leimkühler: Allmacht, a. a. O. S. 51
22 Hubbard, L. Ron: Das Handbuch für den Ehrenamtlichen Geistlichen, Kopenhagen 1980; zitiert nach: Haack/Gandow a. a. O., S. 53
23 Abel: Menschen- und Gesellschaftsbild, a. a. O., S. 40
24 Suppressive Person = Unterdrückerische Person
25 Haack/Gandow: Scientology, a. a. O., S. 48
26 Norbert Potthoff: Scientology, Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung am 20.11.97, Schloß Schwerin
27 Kontakttelefon siehe unter 10.1.
28 Sabine Weber für SO-Deutschland in einem Interview des SFB (Berlin Life) am 21.10.1997
29 außer im Land Schleswig Holstein


kommerziell:
7.4.5. The Natale Institute (TNI)


Der beste Lehrer ist die Natur, nicht Leute wie ich.
das wäre vielleicht die zweite Wahl.

Frank Natale(1)

Gründung

Nach eigenen Angaben wurde "The Natale Institute" im Jahre 1979 in Houston (USA) von Frank Natale(2) gegründet. Frank Natale ist Autodidakt - insbesondere beeinflußt von der Humanistischen Psychologie - und in der Psychoszene bekannt als Heiler, Schamane und Lehrer.

Ende der 80er Jahre wurde "TNI Deutschland" gegründet, das bis vor kurzem unter diesem Namen auch in Berlin zahlreiche Angebote unterbreitete. Protagonist und Motor seit Gründungszeiten war in Berlin bis zum Sommer 1997 neben Frank Natale insbesondere Markus Klepper, der TNI in Berlin maßgeblich mit aufbaute.

Programmatik

Die Zielsetzungen sind so verschwommen wie umfassend und geeignet, denjenigen, der sie wirklich erreichen möchte, dauerhaft an die Angebote von TNI zu binden.

Denn TNI wendet sich an "Menschen, die ihre Probleme als selbstgeschaffene Grenzen sehen, die sie bereit sind zu überschreiten"(3). Probleme sind "hausgemacht", keinerlei Einschränkung, Omnipotenz pur, frühkindliches Alles-ist-Möglich für Menschen, denen es an Reife mangelt, bestimmte Grenzen des Daseins in die eigene Persönlichkeit zu integrieren und konstruktiv damit umzugehen?

Frank Natale beruft sich auf uralte, wissenschaftlich nicht anerkannte(4) Wurzeln, eine sogenannte "Kultur der Großen Göttin"(5), die es vor 35 000 Jahren im europäischen Mittelmeerraum gegeben haben soll. Diese Menschen hätten ohne Waffen und ohne jede Gewalt gelebt, "sie glaubten daran, was sie mit ihrem Herzen dachten. Sie sagten, das Gehirn sei eine Antenne, und sie nannten es den Platz der Seele: die Gedanken kommen durch die Antenne, und mit dem Herzen wird gedacht"(6).

Bei so viel "verlorengegangenem" Ideal entsteht Raum für Feindbilder: "Bis die Christen kamen und alles zerstörten, um ihre einzigartige Religion vom Heidentum abzugrenzen. Es war wie eine großangelegte Werbekampagne - nur daß sie aus Mord und Kannibalismus bestand. (...) Es gab eine Verschwörung - und sie dauert immer noch an! Alle Informationen sind uns regelrecht gestohlen worden, zurückgehalten von männlich dominierten Religionen wie dem Christentum."(7) Abgesehen vom Christentum ist der "Übeltäter" bei Herrn Natale vor allem männlich: Ehe, Beziehung und Familie seien die Erfindungen von Männern; Frauen seien in die Falle gegangen, weil sie an einen der zahlreichen männlichen Mythen glaubten - die romantische Liebe.(8)

Der Weg heraus - aus allem Unbill - sei der Weg zurück: Diffus wird "Natur" idealisiert.

Zuweilen werden die Aussagen des 56jährigen Herrn Natale jedoch ganz konkret und geben deutlich Aufschluß beispielsweise über Vorstellungen von männlicher und weiblicher Rolle. "Viele alte Kulturen erlaubten den Männern die Heirat nicht, bevor sie vierzig waren. Und meistens heirateten sie Frauen, die viel jünger waren. Denn die älteren Frauen hielten den Laden am Laufen! Sie hatten keine Babies mehr zu versorgen oder hinter irgendwelchen Typen herzuräumen. Sie erfanden die Zukunft! (...) Und dieses Wissen wurde uns gestohlen, verborgen hinter den Mauern des Vatikans."(9)

Ein weiteres TNI-Zauberwort neben "Natur" heißt "Energie" und liegt im Trend der Esoterikszene, die sich seit Jahren neuen "Energiegöttern" verschrieben hat. Energie bildet ein Signalwort in den TNI-Werbeschriften und Seminaren: Gleichgewicht männlicher und weiblicher Energie, In-Kontakt-Kommen mit der Energie, grenzenlose Energie in dir, die Energie des eigenen Krafttieres nutzen lernen etc. Beim Erschließen dieser unbegrenzten Potentiale helfen sogenannte "Energizer" - Personen oder Dinge, die die eigene verlorengegangene oder bislang unerschlossene Energie hervorzulocken vermögen sollen.

Öffentlich umstritten war Frank Natale mit TNI u. a. wegen des Einsatzes von Halluzinogenen.(10) Natale: "Sie sind tatsächlich der schnellere Weg für Leute, die mutig genug sind: für Abenteurer der spirituellen Evolution."(11) Teilnehmer solcher "teacher-plants"-Seminare teilten bisweilen Herrn Natales Wertschätzung dieser Halluzinogene nicht, insbesondere wenn sie nicht darauf vorbereitet waren, was sie erwartete. Das beschreibt Herr Natale deutlich: "Wenn du den Trank einmal genommen hast, gibt es keine Wahl mehr - dein Ego wird dir direkt ins Gesicht geknallt".(12) Offensichtlich wegen massiver Intervention von Betroffenen und polizeilichen Aktivitäten werden in Deutschland inzwischen keine solchen Seminare mehr angeboten.

Das Seminarangebot gliedert sich in drei Teile:

Einmal wöchentlich wird "Trance Tanz" angeboten (Eintritt 20,00 DM); monatlich finden das Vollmondritual und ein Heilritual statt. Teil des Vollmondrituals ist das sogenannte "Soul Hunting", bei dem durch schmerzliche Erlebnisse verlorengegangene Seelenanteile wieder "erjagt" werden sollen, indem man diese Geschehnisse - begleitet von schamanischer Trommel und mit verbundenen Augen am Boden liegend - erneut durchlebt. Psychische Grenzsituationen, heftiges Weinen, Krampfen, Schreien von Teilnehmern kommen vor; von einer fachlich fundierten Befähigung der Team-Mitarbeiter, solche Grenzsituationen aufzufangen, kann an vielen Abenden nicht ausgegangen werden.

Im Sommer trennte sich der Psychologe Markus Klepper von TNI, ein bedeutender Einschnitt in der Geschichte des Projekts. In einem Interview, daß er dem Esoterik-Magazin "Sein" gab, werden zwischen den Zeilen Gründe für die Trennung offenbar, die die bekannten Schwachstellen und Fehlentwicklungen von TNI bestätigen: "Wir(13) haben in wesentlichen Bereichen sehr unterschiedliche Vorstellungen unserer Arbeit. Das gilt sowohl für die inhaltliche Ausrichtung und konzeptionelle Umsetzung wie auch für unser Selbstverständnis als Lehrer. (...) Was mich angeht, so habe ich in den fast 20 Jahren meiner Arbeit mit Menschen gelernt, daß sie eine in erster Linie dienende und heilende sein muß. (...) Die Nähe und Wärme zwischen Leitung und Teilnehmern, meine Bereitschaft, mich auch als Führungspersönlichkeit zu hinterfragen und hinterfragen zu lassen, stehen für mich im Vordergrund."(14) Nicht allein Markus Klepper mag diese Haltung bei Frank Natale vermißt haben. Seminarteilnehmer sprechen bisweilen eine deutlichere Sprache, und die für einen Nicht-Anhänger offensichtliche intensive und weitgehende Guruverehrung insbesondere durch Anhängerinnen bei seinen Auftritten in Berlin ließ auch bereits zugewandte Anhänger den Kopf schütteln.

So beschreibt Frank Natale sein Selbstverständnis offensichtlich recht treffend: "Du mußt ein Abenteurer sein, um diese Arbeit zu machen. Das ist der Spaß daran, das ist der männliche Part, den ich daran wirklich mag."(15)

Sitz

TNI International hat seinen Sitz in Amsterdam; eine weitere Niederlassung (teilweise noch im Bau) befindet sich auf Ibiza.

Frank Natale und TNI ziehen sich aus Berlin zurück - sein zweites "letztes The One Experience" fand im Herbst 1997 statt. Zwei seiner Schüler unterbreiten nun unter dem Namen "Projekt Terra Libra" ein modifiziertes eigenes Programm im Bezirk Prenzlauer Berg. Von ihrem Lehrer Frank Natale und seinen Methoden distanzieren sie sich. Viele der TNI-Veranstaltungen fanden in einem Zentrum im Bezirk Schöneberg statt, das vielen Gruppen und Einzelanbietern der Psycho- und Esoterikszene Raum bietet.


Quellenverzeichnis:
1 Susann Pásztor: Ein Wanderer zwischen den Welten, Interview mit Frank Natale: in Connection 6/96, S. 62
2 ebenda S. 61
3 ebenda
4 ebenda S. 62: "Marija Gimbutas hat 25 Jahre geforscht, gegen alle Widerstände. Und immer noch lehren sie die alte Entwicklungsgeschichte in den Universitäten! Trotz all der Beweise - ich sage doch, es ist eine Verschwörung."
5 Werbematerial der Organisation ist an vielen Stellen mit einer Abbildung der "Venus von Middendorf" bedacht
6 Susann Pásztor: Ein Wanderer, a. a. O.
7 ebenda
8 ebenda
9 ebenda S. 62
10 "Ayahuasca" -Tee; getrocknete Pilze mit halluzinogener Wirkung
11 Frank Natale in: Susann Pásztor: Ein Wanderer, a. a. O., S. 64
12 Susann M. Pásztor: "... dein Ego wird dir direkt ins Gesicht geknallt", in: Connection 7/8'94, S. 28
13 Herr Klepper und Herr Natale
14 Markus Klepper: One - eine Initiation, in: Sein, Oktober 1997, S. 15
15 Franz Natale in: Susann Pásztor: Ein Wanderer, a. a. O. S. 62


nicht kommerziell:
7.4.6. Verein zur Förderung der psychologischen Menschenkenntnis (VPM)


Gründung

Der VPM sieht sich in der Tradition der psychologischen Praxis und der Ethik des 1982 verstorbenen Psychologen Friedrich Liebling. Friedrich Liebling war Autodidakt und kein wissenschaftlich ausgebildeter Psychologe. Nach eigenen Angaben war er Schüler des Individualpsychologen Alfred Adler.

Liebling betonte die pädagogischen Elemente im therapeutischen Prozeß ("therapeutische Beziehung") und entwickelte eine utopistische Vision vom "neuen Menschen" durch "psychologische Menschenkenntnis". Dieser Ansatz wurde von den Anhängern als "Zürcher Schule" bezeichnet. Die 1974 gegründete "Stiftung Psychologische Lehr- und Beratungsstelle" wurde durch die in Fachkreisen umstrittene "Großgruppentherapie" bekannt.

Nach dem Tode Friedrich Lieblings im Jahr 1982 wurde die "Psychologische Lehr- und Beratungsstelle" in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Die langjährige Mitarbeiterin Lieblings, Frau Dr. Buchholz-Kaiser, übernahm die Leitung der Gruppe. Frau Dr. Buchholz-Kaiser besitzt keine klinisch-therapeutische Qualifikation(1), konnte sich aber intern auf eine zwanzigjährige Ausbildung bei Friedrich Liebling berufen. Die Mehrheit der Anhänger stellte sich hinter Frau Dr. Buchholz-Kaiser und damit hinter Auffassungen, die eher das utopische Konzept Lieblings vom "neuen Menschen" zum Inhalt hatten und nicht die fachlich-wissenschaftliche Weiterentwicklung, die zwangsläufig eine Öffnung des Vereins zur Folge gehabt hätte.

1986 wurde der VPM offiziell als Verein in Zürich gegründet. Ferner entstanden Gruppen in Berlin, Köln und Hannover, die insbesondere im Schul- und Hochschulbereich aktiv wurden.

Unter der Leitung von Frau Buchholz-Kaiser entwickelten sich Methodik und Programmatik des VPM.

Programmatik

* Zürcher Schule

Friedrich Liebling wird von seinen Anhängern und Schülern als charismatische Persönlichkeit mit Sendungsbewußtsein beschrieben. "... Die seelische Not ist riesengroß. In allen Lebensbereichen sind wir überfordert. Was wir über die Welt und den Menschen erfahren haben, ist geprägt von Unwissenheit und Unaufgeklärtheit. Unsere Eltern waren trotz grösster Bemühungen nicht in der Lage, uns eine realistische Einführung ins Leben zu geben. (...) Nachdem wir diese Erziehung durchlaufen haben, sind wir Karikaturen dessen, was wir sein könnten. (...) Es ist Friedrich Lieblings grosses Verdienst, daß es hier Jugendliche gibt, die sich ihrer Verantwortung als Wegweiser einer humaneren Zukunft bewusst sind. Die unermessliche psychische Not des Menschen hat Friedrich Liebling bewogen, eine Beratungsstelle einzurichten, an der Jugendlichen geholfen wird. (...) Er hat neue Wege beschritten: Er hat uns die Psychologie gelehrt."(2)

Friedrich Liebling sammelte in den frühen sechziger Jahren, gemeinsam mit seinem später nach Berlin verzogenen Pflegesohn Josef Rattner, einen Kreis um sich, der sich mit psychotherapeutischen Fragen und gesellschaftspolitischen Ideen befaßte. Inhaltlich stützte er sich auf die Ansätze von Alfred Adler. Die Vision Alfred Adlers bestand darin, daß durch tiefenpsychologisches Wissen und Menschenbildung eine 'heile Gemeinschaft' unter den Menschen möglich werden könnte; eine Vision, die die Zürcher Schule aufnahm. "In der Zürcher Schule wurde die Vision von der idealen Gemeinschaft, die durch eine psychologische Heilung des Gemeinschaftsgefühls der Einzelnen entstehen soll, zur kollektiven Ideologie erhoben: "Die Evolution weist in diesem Sinn auf eine 'vollkommene Form' der Gemeinschaft hin, analog zu dem allen Lebendigen immanenten Streben nach immer besserer Entfaltung der in der eigenen Art liegenden Möglichkeiten".(3) Die Utopie wurde von ihren Anhängern aber nicht autonom verfolgt, sie wurde durch Friedrich Liebling garantiert, der das psychologische Heilswissen und das therapeutische Können gleichermaßen besaß, seine Anhänger anzuleiten."(4)

Bereits zu Zeiten Friedrich Lieblings habe es nach Angaben ehemaliger Anhänger eine Diskrepanz zwischen innerer und äußerer Sicht und Darstellung gegeben. Intern sei starke Kritik an Religion, Kapitalismus, Sexismus, Rassismus und Nationalismus geübt worden. Die Außendarstellung, insbesondere in Bezug auf "progressiv-anarchistische" Theorien sei moderater gewesen. Diese frühe "Zweiteilung" begünstigte möglicherweise die durch den VPM später vollzogene inhaltlich-ideologische Wende.

* Programmatische Wende

Der Inhalt der Utopie veränderte sich nach dem Tode Friedrich Lieblings deutlich. Die ehemalige Religionskritik wurde (oberflächlich betrachtet) fallengelassen; eine konservative politische Auffassung ersetzte die vormals eher links-anarchistische Vision. Mögliche Auslöser und Gründe für diesen Kurswechsel sind in weiterführender Literatur ausführlich beschrieben. (siehe Abschnitt 10.3.2.) Der VPM-kundige Kritiker Hansjörg Hemminger sieht in dieser Wende eine Schwächung: "Inhaltlich hat der VPM durch seinen Kurswechsel an Substanz verloren. Das neue, konservative Wertesystem wurde nie so konsistent begründet und vertreten wie die alten Ideale. Dadurch rückten Feindbilder in den Vordergrund. Der VPM ist viel mehr gegen als für etwas, vergleicht man ihn mit der Zürcher Schule. Die Gruppe richtet ihre Aufmerksamkeit viel stärker auf die Feinde der Menschlichkeit außen, als auf die eigene, humane Botschaft."(5)

* Anspruch

Der VPM will durch die Vermittlung von "psychologischer Menschenkenntnis" seelisches Leid verhindern: "... Der nächsten Generation soll möglichst viel an seelischem Leid erspart bleiben, das bisher durch mangelhafte Schulung und Aufklärung von Eltern und Erziehern unbewusst entstanden ist. Die meisten Eltern legen ihre volle Fürsorglichkeit und ihr Gewissen in die Erziehung der nächsten Generation. Wenn sich ohne ihr Wissen und Wollen trotzdem Fehlentwicklungen ergeben, trifft weder ihre noch die Generation ihrer Kinder eine Schuld: sie alle brauchen Hilfe und Unterstützung."(6)

Der "Unwissenheit auf dem Gebiet der Erziehung" entspricht danach "die seelische Not des heutigen Menschen". Folgerichtig bietet der VPM bzw. die GFPM(7) eine Vielzahl von Gemeinschaftsaktivitäten, Schulungen, Ferienprogramme, Sommer- und Wintergespräche, Seminare, Tagungen, Fortbildungen, Supervision etc. an. Der VPM will durch fortwährende Schulungen der Eltern, Erzieher, Lehrer, Psychologen das unterstellte "Nichtwissen" korrigieren. Die Gemeinschaft VPM kann dadurch zum alleinigen Maßstab und alltäglichen Orientierungspunkt werden.

Die VPM-Sicht psychologischer Befunde wird mit Naturgesetzen verglichen und gibt damit vor, es sei nur eine einzige Antwort als richtig möglich: "Die Richtigkeit psychologischer Befunde läßt ebensowenig Vieldeutigkeiten zu wie die Richtigkeit des Fallgesetzes. Es gibt keine 'Toleranz' zu sagen, der Stein könne unter den gegebenen Naturbedingungen auch einmal nach oben fallen. Das empirische Erfassen und Beschreiben der Realität, beispielsweise der Natur der Menschen, ist eine sachliche Feststellung und liegt somit auf einer anderen Ebene als die Frage der Toleranz. Dagegen muß Toleranz gelten gegenüber der Meinung eines andern Menschen, gegenüber seiner Weltanschauung."(8)

* Starke Gewichtung des Gemeinschaftsgefühls

Individuelle Belange und Auffassungen des einzelnen treten in den Hintergrund. Die "richtige Haltung" und das Gemeinschaftsgefühl werden entscheidende Kriterien: "Das Wohl der Gemeinschaft ist das Auswahlkriterium, nach dem die kulturellen Schöpfungen in erhaltens- und vergessenswerte ausgeschieden werden. Auf diesen Zusammenhang weist Adler hin, wenn er vom Wohl der Allgemeinheit als einer 'absoluten Wahrheit' spricht, auf welche die menschliche Evolution hinzielt. Die Situation des Menschen war somit von jeher eine Gemeinschaftssituation."(9)

* Bewertung durch ehemalige Anhänger

Ehemalige Mitglieder der Vereine berichten, daß Abweichungen von der "richtigen Haltung" nicht zugelassen würden, eine autoritäre Struktur herrsche und ein Freund-Feind-Denken das Verhalten bestimme; abweichende Meinungen seien nicht möglich.

Aus dem Kreis der ehemaligen Liebling-Anhänger wird der VPM wie folgt kritisiert:

* Bewertung durch anerkannte psychologische Fachverbände

Die theoretischen Grundlagen und die in Anspruch genommene Wissenschaftlichkeit des VPM wurden - entgegen dem vielfältigen Bemühen des Vereins um eine andere Außendarstellung - gerade von Fachverbänden wie dem Berufsverband deutscher Psychologen kritisch bewertet:

"Der BDP hält an seiner Einschätzung fest, daß es sich beim VPM um einen Psychokult handelt, der durch seinen Namen bei Behörden, in Fachkreisen und der allgemeinen Öffentlichkeit den Eindruck einer psychologisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaft zu erwecken sucht und sich zudem nach außen den Anschein einer caritativen Organisation gibt, die Menschen in persönlichen Schwierigkeiten oder bei persönlichen Nöten mit psychologischem Rat und mit psychotherapeutischer Behandlung Hilfe leistet. Diese sogenannte psychotherapeutische Betätigung des VPM entbehrt jedoch nach Auffassung des BDP jedweder fachlichen Grundlage."(11)

Die "Deutsche Gesellschaft für Individualpsychologie e. V. (DGIP)", die sich wissenschaftlich anerkannt auf das Werk von Adler stützt, bezog zur Berufung des VPM auf Alfred Adler kritisch Stellung: "Der Bundesvorstand der DGIP distanziert sich von den Aktivitäten und psychologischen Auffassungen des VPM. Dieser beruft sich zwar in seiner Theoriebildung ebenso wie die DGIP auf die Individualpsychologie Alfred Adlers. Der sektenhafte Anspruch des VPM und seiner Organisationen auf eine Art Definitionsmonopol steht aber im krassen Widerspruch zur wissenschaftlichen Orientierung der Individualpsychologie."(12)

* Umgang mit Kritik und Kritikern

Insbesondere der Umgang mit Andersdenkenden des VPM hat immer wieder zu Kritik geführt.

So bezeichnet der VPM Kritik an seinen Inhalten und Methoden häufig als politisch motiviert (z. B. Aktion von Linksextremisten und Drogenbefürwortern). Kritiker werden auch mit Mitteln des "Psychoterrors"(13) angegriffen und diffamiert. Eine Vielzahl von Gerichtsverfahren gegen Kritiker (ehemalige Mitglieder, Studenten, Pressevertreter, kirchliche und staatliche Vertreter und Institutionen) wurde angestrengt. Das Verwaltungsgericht Berlin führte dazu aus: "Die Erforderlichkeit vertraulich bleibender Beratungsgespräche aus Fürsorgegesichtspunkten folgt aus dem - auch im vorliegenden Verfahren durch die Vielzahl eingereichter Entscheidungen bestätigten - Verhalten der Antragsteller, durch extensive Führung von Ehrenschutzprozessen Kritik an ihren Methoden und Aktivitäten zu verfolgen; dies läßt die Besorgnis des Antragsgegners berechtigt erscheinen, daß bei Offenlegung seiner Informationspersonen diese mit Rechtsstreitigkeiten überzogen werden. Der Kammer erscheint der Schluß nicht abwegig, daß die 'VPM'-Gruppen mit ihrer Bereitschaft, ihnen kritische Äußerungen einzuklagen, letztlich bestrebt sind, Kritiker und Abweichler aus den eigenen Reihen 'mundtot' zu machen."(14)

* Bündnispartner

Der Suche des VPM nach Bündnispartnern im struktur- und wertkonservativen Umfeld blieb vermutlich nicht zuletzt auch aus diesen Gründen eher geringer Erfolg beschieden. Die katholische Deutsche Bischofskonferenz äußerte sich ebenso kritisch zu den VPM-Praktiken wie evangelische Sekten- und Weltanschauungsbeauftragte und andere kirchliche Institutionen, staatliche Stellen und Fachverbände. Mittlerweile gibt es eine Reihe von Publikationen, die sich mit dem VPM differenziert und kritisch auseinandersetzen und tiefreichende Einblicke auch in das Binnenklima des VPM gewähren.(15)

* rechtliche Auseinandersetzung mit der Bundesregierung

Bereits gegen den Entwurf einer Informationsbroschüre der Bundesregierung begehrte der VPM den Erlaß einer einstweiligen Anordnung. Das OVG Münster wies den Antrag des VPM u. a. wie folgt ab: "Vor dem Hintergrund der gesamten vorstehenden Ausführungen erweist sich auch die zusammenfassende Einschätzung in der geplanten Broschüre ..., "für den einzelnen besteh(e) die Gefahr, daß eine tiefe Abhängigkeit zu der Gruppe entsteht, der individuelle Lebenslauf den Gruppennormen und dem 'Gemeinschaftsgefühl' angepaßt wird und so eine zunehmende Entfremdung zum bisherigen sozialen und persönlichen Umfeld entsteht", bei summarischer Prüfung als sachliches Werturteil, das auf einem vertretbar gewürdigten Tatsachenkern beruht. Das oben näher beschriebene Konzept des VPM einer Steigerung des Gemeinschaftsgefühls, der Absolutheits- und Heilsanspruch sowie die subtilen Macht- und Kontrollmechanismen lassen die Warnung der Antragsgegnerin (Bundesregierung, Anm. d. Verf.), es bestehe die "Gefahr" der Gruppenanpassung und Abhängigkeit sowie der Entfremdung, als nicht unsachlich erscheinen.
Eine solche Gefährdung kommt nicht nur für Mitglieder des VPM, sondern für alle in Betracht, die an den Aktivitäten des VPM und seiner Mitglieder teilnehmen. Hierzu zählen nicht nur (junge) Erwachsene, sondern auch Kinder und Jugendliche, die ebenfalls eine Zielgruppe des VPM sind
."(16)

Sitz

Der Sitz des VPM befindet sich in Zürich.

Der Berliner Verein GFPM hat seinen Sitz im Bezirk Schöneberg.


Quellenverzeichnis:
1 "Annemarie Buchholz-Kaiser studierte in Zürich Geschichte, mit den Nebenfächern Philosophie und Psychologie." in: Hansjörg Hemminger: VPM, Ev. Presseverband München 1994, S. 29
2 Psychologische Lehr- und Beratungsstelle Friedrich Liebling Zürich (Hrsg.): Friedrich Liebling 1893 - 1982 zum Gedenken. 1982, S. 113 ff., zitiert nach: Hemminger, Hansjörg: VPM, Ev. Presseverband München 1994, S. 24 f.
3 Annemarie Buchholz-Kaiser: Individualpsychologische Bildungsarbeit - Aspekte der analytischen Bearbeitung von Persönlichkeitsproblemen in Gruppen. Vortrag am 16. Kongreß der Internationalen Vereinigung für Individualpsychologie, VPM (Hrsg.) 1985, S. 31
4 Hemminger: VPM a. a. O., S. 21
5 ebenda S. 33
6 Buchholz-Kaiser, Annemarie, in: VPM Jahresbericht 1988, S. 14 ff.
7 Gesellschaft zur Förderung Psychologischer Menschenkenntnis e. V. (Berlin)
8 VPM: Zur Theorie und Tätigkeit des VPM, Zürich: Verlag Menschenkenntnis 1990, S. 6
9 Buchholz-Kaiser, Annemarie, in: VPM: Theoretische Grundlagen zur psychologischen Tätigkeit im VPM, Zürich: Verl. Menschenkenntnis 1991, S. 51
10 Merki, Kurt-Emil: VPM - Entschieden für den rechten Weg, in: Das Paradies kann warten, Hrsg. Pestalozzianum, Zürich: Werd Verlag 1992, S. 165
11 Report Psychologie 19 (8/94)
12 Erklärung der Deutschen Gesellschaft für Individualpsychologie e. V., in: Psychologie Heute, Mai 1994
13 Beschluß des OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Münster, vom 15.05.96 (AZ 5 B 168/94), S. 18
14 Verwaltungsgericht Berlin, Az VG 27 A 10.93, S. 13
15 siehe Literaturliste im Anhang
16 OVG Münster, a. a. O. S. 18 f.


nicht kommerziell:
7.4.7. Bruno Gröning-Freundeskreise


Aber ich besitze die Kraft, das, was Menschen verbogen
haben, wieder geradezubiegen.

Bruno Gröning(1)

Gründung

Bruno Gröning (1906 - 1959) rückte in den Blickpunkt der Öffentlichkeit, nachdem er im Jahr 1949 einen an Muskelschwund leidenden Jungen angeblich geheilt hatte. (Dieser Junge starb 1955 an seiner Krankheit. Inzwischen betont auch ein Repräsentant der Freundeskreise, dass es sich nicht um eine "völlige Heilung" gehandelt habe.) Infolge der publik gemachten "Heilung" entstand sein Ruf als Wunderheiler, öffentliche Auftritte und Vorträge vor großen Menschenansammlungen folgten. Nachdem Grönings Heilertätigkeit 1949 in Nordrhein-Westfalen verboten worden war, erhielt er 1954 in allen Ländern der Bundesrepublik Auftrittsverbot sowie eine erste Anklage wegen Verstoßes gegen das Heilpraktikergesetz.(2) Wegen des gleichen Vergehens erhielt er 1958 die zweite Anklage und wurde zu einer Geldstrafe sowie Haft auf Bewährung verurteilt. Vor Abschluss einer zweiten Instanz starb Bruno Gröning.

Als Kind einfacher Leute in Danzig geboren, besuchte Bruno Gröning die Volksschule nur bis zur fünften Klasse. Eine begonnene Zimmermannslehre schloß er nicht ab, erwarb auch keinerlei akademisches Wissen. Bruno Gröning starb 1959 an einer Krebserkrankung in Paris.

Der Bruno Gröning-Freundeskreis wurde 1979 durch Grete Häusler, die angibt, selbst mehrfach durch Bruno Gröning geheilt worden zu sein, ins Leben gerufen. Als Trägerverein dient der "Kreis für geistige Lebenshilfe e. V." Hennef/Sieg. Vorsitzende des Vereins ist Grete Häusler, gleichzeitig auch Geschäftsführerin der Grete Häusler GmbH mit den Zweigen "Verlag" und "Film".

Es besteht daneben auch ein "Verein zur Förderung seelisch-geistiger und natürlicher Lebensgrundlagen in Deutschland e. V.", gegründet durch Bruno Gröning am 4.5.1958, mit Gemeinschaften in mehr als 20 Städten. Die nachfolgenden Ausführungen nehmen aber nur Bezug auf die Grete-Häusler-Gemeinschaften.

Programmatik

"Ich bin nichts, der Herrgott ist alles. Ich will weder Geld noch Gold, was ich will und kann allen Menschen helfen und heilen. Wer den Herrgott verleumdet ist es nicht wert geholfen zu werden."(3) Das schrieb Bruno Gröning 1949 über sich selbst. Er sah sich als Vermittler göttlicher Botschaften, der durch sie auch heilen könne. Danach würde der Mensch, solange er die göttlichen Gesetze befolge, nur Gutes wie Gesundheit, Zufriedenheit, Freude und Glück erfahren. Außerhalb der göttlichen Ordnung lebend würden jedoch Krankheit, Unfrieden, Unglück u.ä. über den Menschen kommen. Dank Gröning könne der kranke Mensch gesund werden, wenn er sich richtig "einstelle" und den göttlichen Heilstrom empfange, als dessen Vermittler sich Gröning sah. Zum richtigen "Einstellen" seien eine offene Körperhaltung und gute Gedanken oder Gebete notwendig. Die auftretenden Empfindungen, z. B. Kribbeln oder Wärmegefühle, seien das Zeichen der durchströmenden göttlichen Kraft. Diese Empfindungen werden als Zeichen des Gesundwerdens gedeutet und "Regelungen" genannt. (Aus medizinischer Sicht sind die Einstellübungen einschließlich der hervorgerufenen Empfindungen mit einer einfachen Form des autogenen Trainings vergleichbar.)

Einer eigenen Begrifflichkeit folgend werden Krankheiten nicht als solche benannt, sondern als "Belastungen" bezeichnet.

* Heilung

"Hilfe und Heilung auf geistigem Wege durch die Lehre Bruno Grönings" lautet der Titel einer Kurzinformation. Der Leser erfährt, daß die Medizin bei vielen Krankheiten ohnmächtig zusehen müsse und daher der Geistheilung zunehmend Beachtung geschenkt würde. Zu Bruno Gröning seien in den fünfziger Jahren täglich bis zu 30 000 Hilfesuchende geströmt. "Nach seinem Tod hinterließ er das Wissen um die Aufnahme geistiger Heilkräfte aus dem Kosmos....Da die Aufnahme des göttlichen Heilstromes, weil geistiger Natur, nicht an Bruno Grönings materiellen Körper gebunden ist, kann man also auch heute noch, nach seinem Tode im Jahre 1959, Hilfe und Heilung erfahren. 'Sterben müssen alle Menschen, ich auch, aber ich werde nicht tot sein. Und wenn man mich dann ruft, komme ich und helfe weiter, so Gott will!', sagte er schon zu seinen Lebzeiten voraus, und dieses zeigt sich in den Tausenden Erfolgsberichten aus unserer heutigen Zeit."(4) Den Heilstrom könne jeder Mensch empfangen, wenn er sich richtig "einstelle". "Oder vergleichen Sie das Radiogerät mit einem Menschen. Der Mensch empfängt hier die Heilwelle wie das Radiogerät die Radiowelle. Und dieser kleine Fachmann, der die Verbindung wieder zum Herrgott herstellen kann, will ich nicht nur sein, sondern ich kann schon ganz offen sagen, der bin ich!"(5)

Für die Erstellung der Erfolgsberichte als "Beweis" für die Gültigkeit der Lehre gibt es detaillierte Anweisungen, festgehalten im "Leitfaden für die Leiter der Erfolgsberichtsgruppen des Bruno Gröning-Freundeskreises".

* Bedeutung der Lehre

Gröning selbst schätzte seine Lehre, die nur auf wenigem Schriftmaterial und überwiegend auf Tonbandmitschnitten seiner Reden und Vorträge basiert, für die gesamte Wissenschaft von unschätzbarer Bedeutung ein. "Wer sich näher mit seiner Lehre beschäftigt, wird eine große Vielfalt an Themen vorfinden, zu denen er sich äußerte, die weit über den Aspekt der Heilung hinausgehen. Sie sind mit praktischen Beispielen versehen und in ihrer Einfachheit und Klarheit, in ihrer Weite und Tiefe nicht die Worte eines verstörten, nicht zurechnungsfähigen, primitiven Mannes, sondern die unmißverständlichen Worte eines Gotterfüllten, völlig Verkannten, die jeder verstehen und beherzigen kann."(6)

Der Leser mache sich selbst ein Bild:

"Mein Leben ist Dein Leben. Es ist Euer Leben. Ich lebe für Sie, und ich habe all das nur getan, was, woran Menschen nicht mehr gedacht, wo Menschen schon für sich selbst keine Zeit mehr hatten und wo Menschen sich selbst in Vergessenheit gebracht, und daher sage ich mit Recht: Ich bin nicht menschenhörig. Ich bin weiter nichts als nur gotthörig. Ich tue nicht erst was, sondern ich tue nur das, was der Mensch nötig hat. Was der Mensch schon lange abgelegt, was er verloren hat, was ihm wirklich verloren gegangen ist, und er heute nicht mehr hier in der Göttlichen Ordnung lebt! ... So Gott uns diesen Körper verliehen, wie Er ihn bestimmt, selbst geschaffen, und hier wachsen und vermehren sich die Körper, wie in einem großen Werk, und einer gleicht dem Anderen. Nichts ist im Körper vergessen, es gibt schon mal, daß er nicht ganz einwandfrei ist, daß nicht Fehler drin sind, sondern daß er nicht voll und ganz geschaltet ist. Aber dann liegt es nicht an Gott, sondern da liegt es an dem Menschen, wo er sich selbst an seinem Nächsten schon versündigt hat, und dann hat er hernach einen Krüppel, und da hat er hernach ein Kind, wie er sagen würde, das nicht normal ist, das nicht in Ordnung ist ..."(7)

* Organisation/Öffentlichkeitsarbeit

Insbesondere in den letzten Jahren haben sich die Bruno Gröning-Freundeskreise um Grete Häusler eine straff organisierte (Geschäfts) Struktur geschaffen. Im Organisationsleitfaden vom 11.04.1996 heißt es: "Die Gesamtleitung einschließlich der Besetzung aller Leitungsaufgaben obliegt Frau Grete Häusler und steht somit unter der geistigen Führung unseres Freundes Bruno Gröning." Zuständigkeiten gibt es z. B. für die Bereiche Bedarfsplanung, Sondergemeinschaften, Kassenbereich einschließlich Reisekosten- und Kassenprüfung, Bruno Gröning-Bilder, Datenschutz, Rechtsgruppe, Öffentlichkeitsarbeit, Medientechnik, Adressenverwaltung, Formularerstellung, Fotodienst, Übersetzungen, Tagungen. Umfängliche Öffentlichkeitsarbeit trägt nicht unwesentlich zum Wachstum der Bewegung bei. So wurde berichtet, daß der Grete Häusler Verlag an ca. 90 Esoterik-Messen, sowie an den Buchmessen in Genf und Frankfurt teilgenommen hat, es bestehen 2 Druckereien und ein eigenes Tonstudio, 35 Offene Kanäle sendeten Bruno Gröning-Filme. Der Film "Der Wunderapostel", Filmproduzentin ist Grete Häusler, wurde auch in öffentlichen Kinos gezeigt.(8)

Es wird umfängliches Schulungsmaterial produziert, u. a. jährlich 4 Leitfäden für die Erwachsenen- und Kindergruppen, es gibt diverse Formulare und Vorschriften zur Abrechnung von Aktivitäten und Erfolgsberichten (untergliedert in Erfolgsbericht, Teilerfolgsbericht, Hilfen und Schutz - u. a. durch das Bild Bruno Grönings -, Tierheilungen, Pflanzenheilungen), Musik- und Videokassetten sowie Bücher werden hergestellt.

Der Ablauf von Gemeinschaftsstunden der Freundeskreise erfolgt der Organisationsstruktur entsprechend nach vorgegebenem Plan: Bruno Gröning-Lied singen, Gedicht, Kassettenmusik, Gruppenleiter-Ansprache, Vermittlung der Bruno Gröning-Lehre, Besprechen des Lebens von Gröning, Erfolgsberichte vorlesen, eigene Erfolgsberichte der Freunde abfragen, "Einstellen", Abfragen der Ergebnisse der Anwesenden, Gedicht, Kassettenmusik. Freunde aus den Bruno Gröning-Freundeskreisen sollen umfassend durch den Gruppenleiter betreut werden, die Betreuung soll das soziale Umfeld des Freundes einbeziehen, insbesondere dessen Familienangehörige sollen ebenfalls zum Glauben an die Gröning-Lehre finden. Es gibt Kinder- und Jugendgemeinschaften sowie Sondergruppen wie Hilfsbedürftigste, Hörbedürftige, die Medizinisch-Wissenschaftliche Fachgruppe (MWF). Letztgenannte Fachgruppe dient vor allem dazu, die "Heilungsberichte" wissenschaftlich zu legitimieren. Etwa 400 Ärzte gehören der Bewegung bereits an, 35 Fachärzte arbeiten an der Begutachtung der Erfolgsberichte mit.(9) Die Kriterien, nach denen ein Erfolg bemessen wird, sind (im einzelnen) nicht bekannt.

* Kinder- und Jugendgruppen

Die Kinder- und Jugendgemeinschaften arbeiten nach einem den Erwachsenengruppen ähnlichen Programm. Im "Leitfaden für die Kindergemeinschaftsleiter" wird ausgeführt: "Durch Medien, im Umgang mit anderen Kindern, etc. werden die Kinder bereits mit viel Bösem konfrontiert und gespeist. Die Kindergemeinschaft stellt hier einen Gegenpol dar. Hier erleben wir, wie begeisterungsfähig die Kinder auch für das Gute sind. Das Kind selbst lernt, das Gute vom Bösen zu unterscheiden und erkennt mit der Zeit, warum es überhaupt sinnvoll ist, zum Guten zu streben. Es erfährt zudem, wie es die Kraft aufnehmen kann, die es stärkt im Kampf gegen das Böse."(10) Eine direkte Verbindung zu Gott sollen die Kinder durch das Aufnehmen des Heilstromes erhalten. Erfolgsberichte sind schriftlich an die "Medizinisch-Wissenschaftliche Fachgruppe" abzusenden, nach Möglichkeit auch auf Kassetten aufzunehmen. Jedem Kind wird bei der Einführung die Kindereinführungskassette "... kostenlos, mit der Bitte um eine Spende geschenkt."(11) Auch in den Kindergruppen sollen sich die Leiter nicht scheuen, Spendenkörbchen aufzustellen. Wenn man den Kindern erkläre, wofür das Geld gebraucht würde, seien sie bereit, etwas von ihrem Taschengeld zu spenden.

Über jede Kindergemeinschaftsstunde muß, wie in den Erwachsenengemeinschaften, ein Gemeinschaftsstundenbericht (Formular in dreifacher Ausführung) an Frau Häusler geschickt werden. Zu bearbeitende Themenstellungen sind z. B.:

Krankheiten werden den Kindern wie den Erwachsenen als "Regelungen" erklärt, die an Bruno "abgegeben" werden sollen, Angst und Schmerzen würden durch das "Einstellen" verschwinden.

In Publikationen für Kinder wird Bruno Gröning als der (einzige) ideale Freund dargestellt. Die Sozialkompetenz des Kindes erfährt hier eine gravierende Einschränkung, da es sich nicht mit "unwahren" Freunden auseinandersetzen muß. "Bruno Gröning hat sehr viele Freunde, die auch so wie ich beschenkt werden. Alle diese Freunde haben ihn so lieb wie keinen anderen Menschen auf Erden ... Willst Du ihn auch als Freund haben? Willst Du von ihm auch so geliebt werden? Wenn ja, dann lies dieses Büchlein, und nimm jedes Wort in Dein Herz auf, und Du wirst das große göttliche Geschenk erleben können."(12) Dem Kind wird sein Platz als zwischen Gott (gut) und Satan (böse) stehend aufgezeigt. Freiwillig Gott zu folgen, nur noch Gutes zu denken und zu tun ermögliche Gott erst die Annahme des Kindes. Allein schon durch "böse Gedanken" würde "Satan" die Menschen zum Bösen führen. Diese konsequent auf die Dualität zwischen Gut und Böse reduzierte Vermittlung der Realität hindert das Kind beispielsweise an einer differenzierten Wahrnehmung und kann Auslöser verschiedenster Ängste sein. Selbst Streit wird als satanisch verursacht angesehen, ebenso Krankheit. "Bruno Gröning wußte genau, woher die Krankheit kommt und was sie ist: Die Krankheit ist das Böse und kommt vom Bösen."(13)

Typisch für Bruno-Gröning-Gruppen sind die eigenen Sprachmuster, gemeinsame Heilserwartungen und die Absolutsetzung der Lehre und der Person Bruno Grönings sowie die vielfältigen Aktivitäten um die Gruppen herum.

Sitz

In den letzen Jahren verzeichnet die Bewegung offensichtlich großen Zulauf. So gab es Ende des Jahres 1996 weltweit 444 Gemeinschaften mit 24 555 Freunden, allein in Deutschland waren es 193 Gemeinschaften mit mehr als 11.000 Freunden. Außerdem wurden 16 Jugendgemeinschaften und 29 Kindergruppen gezählt.(14) In Berlin ist der Bruno Gröning-Freundeskreis ebenfalls aktiv.


Quellenverzeichnis:
1 Schulungsbrief der Bruno Gröning-Freunde, Frühjahr 1995, S. 63
2 Neue Kultbewegungen und Weltanschauungsszene Bd. 2, Hrsg.: Bischöfliches Generalvikariat Aachen, Mönchengladbach: Kühlen, 1990, S. 128
3 Der Weg, Mitteilungsblatt, Hrsg.: Verein zur Förderung seelisch-geistiger und natürlicher Lebensgrundlagen in Deutschland e. V., Jahrgang 31. Nr. 4, 1994, S. 1
4 Kurzinformation, Hilfe und Heilung auf geistigem Wege durch die Lehre Bruno Grönings, Grete Häusler-Verlag Mönchengladbach, o. J., S. 2 und 5
5 Die Lehre Bruno Grönings, Hrsg.: Thomas Busse, Grete Häusler-Verlag, Mönchengladbach 1995, S. 73
6 Die Lehre Bruno Grönings, Hrsg.: Thomas Busse, Grete Häusler Verlag, Mönchengladbach 1995, S. 17
7 Bruno Gröning: Das Gleichnis von der Ameise, Hrsg.: Walter-Wilhelm Busam, Edition Busam, Berlin 1995, S. 50 und 52
8 Protokoll der Gruppenleiter-Tagung (der Bruno Gröning-Freundeskreise, Anm. d. Verf.) in Stuttgart am 20. Und 21.04.1996
9 ebenda, Pkt. 4.1.
10 Leitfaden für die Kindergemeinschaftsleiter im Bruno-Gröning-Freundeskreis, o. O., o. J., S. 1
11 ebenda, S. 4
12 Bruno Gröning führt uns zum lieben Gott, Eine Schrift für Kinder von Christina Eich, Grete Häusler-Verlag, Mönchengladbach, 3. Auflage 1995, S. 12
13 ebenda, S. 23
14 Protokoll der Gruppenleiter-Tagung, a. a. O.


7.5. Okkultismus/Satanismus


Der Teufel steckt im Detail

Unter der Bezeichnung "Okkultismus" werden vielfältige Phänomenbereiche gefaßt, die im weitesten Sinne geheim, mit gängigem Wissenschaftsverständnis nicht (oder noch nicht) Greif- oder belegbar sind. Im umgangssprachlichen Gebrauch findet sich auch die synonyme Verwendung der Begriffe Esoterik oder New Age für Okkultes. Sowohl Esoterik als auch New Age haben einen weltanschaulichen und spirituellen Anspruch (das Streben nach Vergeistigung und Innerlichkeit; die Suche nach einem neuen Weltbild, das der Ganzheit des Menschen und der Welt angemessen ist(1)), die Überschneidung mit Okkultem bezieht sich jedoch vor allem auf den praktisch ausgerichteten Anteil. Okkulte Vorstellungen und Praktiken sind z. B. Pendeln, Gläserrücken, Kartenlegen, Tischerücken, Astrologie, Hellsehen oder Telepathie (Fernwahrnehmung), Mediumismus (Glaube an eine Beziehung mit einer angenommenen Geisterwelt), Geistheilung, Ufologie(2) - um nur die gängigsten zu nennen.

Auch beim "Satanismus" geht es um Verborgenes, Geheimes, verbunden mit besonderen Ritualen, insbesondere den "schwarzen Messen".

Der Glaube an Okkultes, insbesondere der Glaube an existente Dämonen, läßt sich auch in einigen christlich-fundamentalistisch orientierten Gemeinden finden. Um diesen Bereich soll es im folgenden jedoch nicht gehen.

Okkultismus

Das Interesse am "Okkulten" ist nicht ausschließlich ein jugendspezifisches Thema. Das Interesse als auch das konkrete Befassen mit okkulten Praktiken geht durch die ganze Gesellschaft und findet seine Entsprechung in einem breiten Angebot magisch orientierter Taschenbücher und Fernsehprogramme, in gut besuchten Esoterik-Messen. Dennoch ist gerade der jugendliche Sinnsucher besonders prädestiniert, sich von der magischen Anziehungskraft scheinbar unerklärlicher Phänomene - im wahrsten Sinne des Wortes - bezaubern zu lassen.

Soziologischen Studien zufolge nimmt die Verbreitung okkulter Vorstellungen in der Bevölkerung insgesamt zu(3). "So alt wie die religionssoziologische Forschung ist das Erstaunen darüber, daß etwa ein Drittel der Bevölkerung weder von der naturwissenschaftlichen, noch von der religiösen Aufklärung durch die Kirchen erreicht wird ... Astrologie, Animismus (es wird von einer Beseeltheit der Tiere, Pflanzen und Gegenstände ausgegangen, Anm. d. V.), Okkultismus, Seelenwanderungstheorien, Magie und Hexenglauben sind Gegenthemen zu einem aufgeklärten naturwissenschaftlichen Weltbild. In den alternativen Erklärungsangeboten wird nicht nur das Geheimnis der Existenz verständlich gemacht, sondern es geschieht eine massive Ursachenzuordnung. Die Ursache für die als miserabel empfundenen Aspekte der eigenen Existenz wird der Konstellation der Sterne zugeschrieben, dem Status in einem Wiedergeburtszyklus, der Magie und Hexerei oder einer seelischen Mitgift, für die man nichts kann ... Das Gemeinsame dieser Erklärungen ist, daß die Verantwortung für die eigene Situation nach außen geschoben wird. Das ist entlastend, aber der Einschlag des Wahnhaften verstellt den Blick auf die soziale Realität, führt zur Unterschätzung der persönlichen, der eigenen Ressourcen und so mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Fehleinschätzungen, die wiederum die Situation verschlechtern und auf gleiche Weise erklärungsbedürftig machen."(4)

* Quantitative Erhebungen

In vier quantitativen Erhebungen zur tatsächlichen Verbreitung okkulter Praktiken unter Schülern und Erwachsenen (in Berlin zwischen 1989 und 1991 erhoben) stellten Professor Hartmut Zinser (FU Berlin) und Wolfgang Hahn (Berliner Institut für Lehrerfort- und weiterbildung) fest, "daß über 3/4 der befragten Schüler im groben über 'okkulte' Praktiken informiert sind, ca. die Hälfte der Schüler ein Interesse an Information über 'Okkultismus' äußern, daß für ca. 1/4 'okkulte' Praktiken passiv oder aktiv zum Alltag gehören und daß knapp 5 % der Schüler aktiv oder passiv an extremen okkulten Praktiken bereits teilgenommen haben."(5) Von den befragten Erwachsenen, Schüler des Zweiten Bildungsweges und Fachhochschulstudenten, hat bereits die Hälfte zumindest eine okkulte Praktik einmal ausgeübt, zum Befragungszeitpunkt war auch etwa 1/4 noch aktiv. Die am häufigsten ausgeübten Praktiken waren "Pendeln", "Kartenlegen" und "Gläserrücken".

Gerhard Schmidtchen kam zu ähnlichen Ergebnissen: "Unter den 1986 und 1994 befragten Jugendlichen im Westen glaubt jeder fünfte an die schicksalsbestimmende Macht der Sterne und ihrer Konstellationen... Jugendliche im Osten glauben indessen nur zu elf Prozent an die astrologisch behaupteten Zusammenhänge, und die Ablehnung dieser Lehre fällt dezidierter aus als im Westen."(6) Weitere Fragestellungen bezogen sich auf den Glauben an Wiedergeburt, Geistheilung u. ä. Bei der Zusammenfassung aller Testantworten, "in denen sich die Sicherheit eines rationalen Weltbildes spiegelt bzw. die Hinwendung zu einem magisch-animistischen, ... zeigt sich, daß 37 Prozent der Jugendlichen im Westen sehr ausgeprägt zu einem magisch-animistischen Weltbild tendieren, aber nur 22 Prozent im Osten... Bildung ist keine Garantie für die Entstehung einer naturwissenschaftlich-ontologischen Weltsicht, weder im Osten noch im Westen... Man darf annehmen, daß das Perpetuum mobile weiter herumspukt trotz des Zweiten Satzes der Wärmelehre."(7)

Als Motive für die Beschäftigung und das Interesse an Okkultem wurde in der Zinser-Untersuchung an erster Stelle "Neugier" genannt, dann "Interesse am Außergewöhnlichen" sowie "Unterhaltung". Der Grund "Orientierungs- und Entscheidungshilfe" folgte erst mit einigem Abstand. Der letztgenannte Grund wurde jedoch von bis zu 36 % derjenigen, die aktiv eine okkulte Praxis ausüben und sich nicht nur passiv damit beschäftigen, genannt. Zudem wurde er von den Erwachsenen fast doppelt so häufig angeführt wie von den Jugendlichen. Professor Zinser stellte dazu fest, daß die genannten Gründe auf das verweisen, was die Jugendlichen und Erwachsenen durch die okkulten Praktiken zu finden hoffen. Die Faszination des Unerklärlichen, Mystischen ist eine mögliche Gegenreaktion auf die "Entzauberung der Welt".

Den in den Untersuchungen konstatierten Informationsbedarf finden wir bestätigt. Dieser ist sowohl bei Jugendlichen als auch bei Erwachsenen insbesondere in ihrer Rolle als Eltern oder Pädagogen zu finden.

* Problematik

Eine grundsätzliche Problematik ist bei der Beschäftigung mit Okkultem dann gegeben, wenn Entscheidungsfindungen tatsächlich z. B. an den Ausschlag des Pendels oder die Antwort der Karten delegiert werden, und der Glaube an eine Geisterwelt Ängste auslöst. Neben einem Entlastungseffekt (Entscheidungen müssen nicht mehr eigenverantwortlich getroffen werden, sondern werden an eine "höhere" Macht delegiert) können insbesondere bei labilen Menschen massive Ängste auftreten, wenn sie die mit Hilfe okkulter Praktiken gefundenen "Lösungen" als unumstößliche Wahrheiten ansehen und sich "Geisterkräften" (hilflos) ausgeliefert fühlen. Auch das Phänomen der "sich selbst erfüllenden Prophezeiung" kann den Glauben an okkulte Erklärungen verstärken. Hierbei ändert sich das konkrete Verhalten durch den starken Glauben an ein vorgegebenes Deutungsmuster so sehr, daß es dem Muster entspricht. Werden okkulte Praktiken gemeinsam in einer Gruppe ausgeübt, werden die Effekte oft gegenseitig verstärkt; gruppendynamische Prozesse und Hierarchien hindern den Einzelnen an einer distanzierten Betrachtung oder Haltung gegenüber den selbst erfahrenen "unerklärlichen Phänomenen". Vorschub wird dem Okkultglauben und damit verbundenen Ängsten auch dann geleistet, wenn Eltern oder Pädagogen okkulten Praktiken und Erklärungen selbst zugeneigt sind oder aus Unwissenheit unsicher oder gar nicht reagieren.

* Warum ein Pendel schwingt

Erkenntnisse aus Physik, Biologie und Psychologie können jedoch erklären, warum ein Pendel ohne Geisterunterstützung schwingt oder ein Glas auf dem Tisch von Buchstabe zu Buchstabe rückt, ohne Geister beschwören zu müssen.

Am Beispiel des Pendelns sollen die Wirkmechanismen kurz erläutert werden:

Ein Pendel, das an einem Stativ aufgehängt in Bewegung versetzt wird, folgt allein physikalischen Gesetzen: nach einer gewissen Zeit hört die Bewegung auf.

Beim Auspendeln wird jedoch eine Schnur mit einem Anhänger oder Pendel zwischen Fingern gehalten oder über einen Finger gelegt, es gerät nach einer gewissen Zeit in kreisförmige oder hin und her schwingende Bewegung. Es gibt keinen absoluten "Ruhezustand" der Muskeln, einzelne Muskeln befinden sich (durch meßbare Erregungsimpulse nachweisbar) in ständiger Anspannung. Das Halten eines Pendels ist ein aktiver Vorgang, nach einiger Zeit der Muskeltätigkeit ermüdet dieser mit der Folge eines Muskelzitterns. Der hierdurch erreichte Bewegungsimpuls des Pendels wird durch Resonanz verstärkt, indem der gleiche Schwingungsanstoß in immer gleichem Rhythmus die Pendelbewegung deutlich sichtbar werden läßt. (Dieses Prinzip wirkt in gleicher Weise bei den von - früheren - Jahrmärkten bekannten Schiffsschaukeln.) Ebenfalls bewegungsverstärkend wirken Kapillarpulswellen und Atmung. Der Arm wirkt hierbei als Hebel, ein geringer Impuls am Drehpunkt wird am anderen Hebelende stark vergrößert. Die Konfiguration der Schwingungsbewegung wird durch den sogenannten Carpenter-Effekt verursacht, der darin besteht, daß jede Bewegungsvorstellung einen Antrieb zum Vollzug dieser Bewegung einschließt. So lassen sich bei Bewegungsvorstellungen Aktionsströme in der entsprechenden Muskulatur nachweisen, intensive Sinneseindrücke greifen ohne Beteiligung des Bewußtseins auf motorische Zentren über.(8) Deutlich wird dieser Effekt z. B. im Auto beim automatischen Mitbremsen des Beifahrers in kritischen Situationen.

Beim Gläserrücken wirken diese Prinzipien ebenfalls, hinzu kommt der gruppendynamische Effekt, indem geringfügige Kräfte der einzelnen auf das Glas gelegten Finger sich zu einer Kraft, die das Glas scheinbar willenlos rutschen läßt, summieren. In der Regel liegen Buchstabenkärtchen um das Glas herum, sinnvolle "Antworten" ergeben sich schon dann nicht mehr, wenn die Buchstabenkärtchen gemischt mit der Buchstabenseite nach unten liegen oder die Oberfläche des Tisches nicht glatt genug ist. Typische Rechtschreibfehler von Teilnehmern ließen sich zudem in den "Geisterantworten" wiederfinden.

Sicher gibt es auch Phänomene, die mit unserem heutigen Wissen nicht erklärbar sind. Im alltäglichen Leben sind wir von vielen technischen Geräten umgeben, deren Funktionsweise uns im einzelnen nicht bekannt ist - deshalb deuten wir das Funktionieren von Fax, Telefon, Kühlschrank etc. noch lange nicht als okkulte Phänomene.

Lediglich die Deutungen sind okkult, konstatierte Professor Zinser, nicht die Phänomene selbst.

Satanismus

Von einer manchmal vermuteten weit verbreiteten Gefährdung Jugendlicher durch Satanismus kann keine Rede sein. In der schon zitierten Untersuchung (Zinser/ Hahn) gaben weniger als 2 Prozent der Befragten an, an "Schwarzen Messen" beteiligt gewesen zu sein. "Als 'Schwarze Messen' werden verschiedene Veranstaltungen bezeichnet, bei denen unter Umkehrung christlicher Symbole, z. B. des Kreuzes, Luzifer oder das Böse angerufen und verehrt wird. Diese sollen auf einem Friedhof oder an anderen unheimlichen Orten durchgeführt werden. Dabei werden alle 'heiligen' Symbole entweiht, auch wird gelegentlich von perversen und gewalttätigen sexuellen Handlungen berichtet."(9)

Gerade der letzte Aspekt kann sowohl Ausdruck von Satanismus als auch Vorwand für die Handlungen sein.

Solche Rituale finden in aller Regel wirklich im Verborgenen statt, zumeist in informellen Gruppen, sie sollen der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht werden.

An die Öffentlichkeit gelangende Zerstörungen und das Beschmieren von Kircheneinrichtungen oder auf Friedhöfen müssen nicht zwangsläufig mit einem "Satanskult" in Verbindung stehen, sondern können auch Ausdruck von Vandalismus ohne den Hintergrund einer "Antireligion" sein. Auch einzelne spektakuläre Ereignisse mit einem "satanischen Hintergrund", die von der Presse gern begierig aufgegriffen und mit entsprechenden Schlagzeilen belegt werden, erweisen sich bei differenzierter Betrachtung als komplexe Probleme, die nicht einfach in eine Schublade "verursacht durch Glauben und Anbetung Satans" eingeordnet werden können. Deutlich wurde das Problem z. B. insbesondere in der Medienberichterstattung über den Mordfall von Sandro B. 1993 in Sondershausen. Bei vordergründiger Betrachtung wurde das Motiv für die Tötung des 15jährigen durch Mitschüler in deren "satanischen Glauben" gesehen. Tatsächlich war jedoch ein Ursachenbündel, angefangen von den familiären Bedingungen der Täter bis hin zu deren Beschäftigung mit Horrorvideos und -literatur in der Clique, tatentscheidend.(10)

"... Aleister CROWLEY (1875 - 1947) (kann) als einflußreichster 'Ideenlieferant' im Hinblick auf die Entwicklung von 'satanischen' Praktiken gelten. Von CROWLEY stammt auch der Satz: 'Tue, was du willst, soll sein das ganze Gesetz'."(11)

Das Absolutsetzen des eigenen Willens ohne Rücksicht auf Ethik und Moral kann Ausdruck anarchistischer Opposition gegen alles und jedes, ungezügeltes Ausleben von Machtgefühlen oder auch aggressiver und masochistischer Phantasien sein. In erster Linie kann man jedoch den "Jugendsatanismus" als ein Protestphänomen gegen gesellschaftliche Normen verstehen. "Eine Fixierung auf 'die schwarze Gegenwelt' wird erst dann gefährlich, wenn der Satanismus nicht bloß die symptomatische Erscheinung einer pubertären Durchgangsphase, einer depressiven Verstimmung oder einer Provokation gegenüber der Erwachsenenwelt ist, sondern zu einem beständig sich selbst bestätigendem 'Teufelskreis' wird."(12)

Hier, wie auch bei der sensiblen Wahrnehmung anderer Ausdrucksmöglichkeiten von Hilflosigkeit, Überforderung, Ängsten gilt es, nicht "blind" oder gar nicht zu reagieren, sondern den Jugendlichen deutlich zu zeigen, daß die Erwachsenen verläßliche Bezugspersonen und Partner bei der Suche nach Lösungen für ihre Probleme sind.


Quellenverzeichnis:
1 Gasper/Müller/Valentin: Lexikon der Sekten, Sondergruppen und Weltanschauungen, Freiburg, Herder 1994, S. 254 und 753
2 H. Zinser: Moderner Okkultismus als kulturelles Phänomen unter Schülern und Erwachsenen, in: Beilage zur Wochenzeiteitung Das Parlament vom 08.10.1993, S. 16
3 Umfragen des Allensbacher Institutes in den alten Bundesländern 1976 und 1990, Allensbacher Berichte von 1990; Gerhard Schmidtchen: Protestanten und Katholiken. Soziologische Analyse konfessioneller Kultur. Francke Verlag, Bern und München 1973, 19979, S. 253 und 301 ff.
4 Gerhard Schmidtchen: Wie weit ist der Weg nach Deutschland, Leske + Budrich, Opladen 1997, S. 173 und 183
5 Hartmut Zinser: Jugendokkultismus in Ost und West, Arbeitsgemeinschaft für Religions- und Weltanschauungsfragen, München 1993, S. 7 f.
6 Gerhard Schmidtchen, a. a. O., S. 173
7 ebenda, S. 175 f.
8 W. Hund in: Warum bewegt sich ein Pendel?, Zeitschrift Psychologie Heute, August 1989, S. 23
9 Hartmut Zinser: Moderner Okkultismus als kulturelles Phänomen. a. a. O., S. 16
10 Liane v. Billerbeck, Frank Nordhausen: Satanskinder, Der Mordfall Sandro B., Ch. Links Verlag Berlin, 1994
11 Jürgen Hilse: Von allen guten Geistern verlassen? Jugendliche und Okkultismus, Landesarbeitsstelle Aktion Jugendschutz Nordrhein-Westfalen, o. J., S. 19
12 Gerhard Hellmeister: Jugendsatanismus, in: Okkultpraktiken & Satanismus bei Jugendlichen, Ministerium für Kultur, Jugend, Familie und Frauen Rheinland-Pfalz, Mainz 1997, S. 29


7.6. Sogenannte Strukturvertriebe


Eine Fülle von Anfragen erreichen die Informations- und Dokumentationsstelle zu sogenannten Strukturvertrieben. Zumeist wird ein Zusammenhang mit Scientology vermutet.

Die Anfragen konzentrieren sich auf ca. ein Dutzend Strukturvertriebe(1). Da es eine wohl weit größere Zahl dieser Unternehmen auf dem deutschen Markt gibt, entwickelten bislang offensichtlich nur einige Strukturvertriebe eine für einzelne Mitarbeiter potentiell konfliktträchtige Struktur.

Die folgende Darstellung sollte also nicht als für Strukturvertriebe allgemeingültig gelesen werden.

Eine potentielle Konfliktträchtigkeit erwirbt ein Strukturvertrieb erst durch eine extreme Ausformung bestimmter Merkmale und deren Zusammenspiel. Angehörige von Mitarbeitern und ehemalige Mitarbeiter, die sich selbst als "ausgestiegen" bezeichnen, assoziieren dann in ihren Anfragen und Berichten den Begriff "Sekte".

* Struktur

Das System "Strukturvertrieb" kommt aus den USA und ist ein reines Vertriebssystem. Nach dem Prinzip des "Multi-Level-Marketing" (MLM) werden u. a. Kosmetika, Wasserfilter, Staubsauger, Schlankheitsmittel, Finanzdienstleistungen vertrieben. MLM ist ein Synonym für das bekannte Schneeballprinzip. Es gibt keine Angestellten; jeder Mitarbeiter ist selbständiger Handelsvertreter. Als solcher baut er an seinem "Unternehmen im Unternehmen", sprich an seiner Pyramide innerhalb der großen Firmenpyramide. Parallel zur Kundenwerbung betreibt er Mitarbeiterwerbung: Jeder Mensch soll möglichst Kunde und Mitarbeiter werden. Der neue Mitarbeiter wird dem Werber zugeordnet, wirbt selbst neue Mitarbeiter, die neue Mitarbeiter werben. Jeder Werber erhält dann neben der Provision für seinen direkten Umsatz zusätzliche, anteilige Provision am Umsatz seiner Mitarbeiter, die mit dem eigenen Aufstieg in der internen Provisionstufenleiter auch ihren Werber und dessen Werber gen Pyramidenspitze und damit in die Richtung der erstrebenswerten Einkommenssphären schieben, welche - mathematisch gesetzmäßig - nur wenige erreichen können.

Programmatik

* Werbung

Zunächst wird die Stelle gesucht, bei der der Hebel angesetzt werden kann:
So ist es der Traum vom "Irgendwann-nicht-mehr-arbeiten-müssen" oder der vom "Großen Geld", der viele Menschen in diese Unternehmen führt. Inzwischen steht zusätzlich ein Heer von Arbeitslosen vor den Toren der Strukturvertriebe, die in der "Selbständigkeit" einen rettenden Ausweg aus dem sozialen Abstieg vermuten. Die miserable Ausbildungsplatz- und Berufseinstiegssituation für junge Menschen tut ein übriges.

Im Strukturvertrieb braucht es kaum Voraussetzungen, bedarf es keines Abschlusses, auch wenn natürlich dem Neuling kundgetan wird, man habe ihn aus einer großen Zahl von Bewerbern aufgrund seiner besonderen Qualitäten ausgewählt. Ein Strukturvertrieb braucht jeden, denn jeder bringt als sein "Kapital" seine "Kontakte" ein: Verwandte, Freunde, Nachbarn, Bekannte, Kollegen, Vereinskameraden, Bäcker, Metzger, Blumenfrau - Menschen, denen ein Produkt verkauft werden kann.

Geworben wird in Zeitungsanzeigen, an Laternenpfählen, im Bekanntenkreis. Nach einem Vorstellungsgespräch, in dem der potentielle Mitarbeiter von seiner zukünftigen Tätigkeit noch nahezu nichts erfährt, aber oft unter der Wirkung eines ausgeklügelten settings freundlicher Annahme und Bestätigung und sanften Drucks bereits einen Vertrag unterschreibt, folgt die sogenannte "Unternehmensvorstellung", die zu bestreiten Profis vorbehalten bleibt.

* Geld = Erfolg

In der Regel in Hotelsälen wird vor den Neulingen die Welt der Reichen und Schönen als für jeden erreichbar ausgebreitet. Bereits hier erfährt der Neuling überrascht von seinem Beitritt zu einer Elite: Willkommen im Club der winner. Ab heute sei der Erfolg nicht mehr aufzuhalten. Die erstaunten Neulinge werden mit der üblichen Geschichte beglückt: von Straßenfeger und Putzfrau, die dieses Unternehmen kennenlernten, ihre Chance sahen, das Leben in der Welt der looser hinter sich zu lassen, und nun eben parkt der schwarze Jaguar vor der Tür, wird eigene das Haus gebaut. Erfolg drücke sich im Kontostand aus, das bisherige Leben wird pauschal als erfolglos deklassiert.

* Psychische Beeinflussung

Die Welt wird geteilt in weiß und schwarz, tatsächlich und vermeintlich Intelligente, in winner und looser: Jeweils letztere sitzen außerhalb dieses Saales und trachten nur danach, die frischgebackenen winner in die alte Erfolglosigkeit zurückzuzerren, weil sie neidisch sind auf das, was sie selbst nicht wagen. Und so funktioniert bereits an dieser Stelle die Immunisierung gegen künftige Einwände aus dem bisherigen sozialen Umfeld. Auch gegen innere Zweifel wird geimpft: Dem einzelnen sei alles möglich, wenn er nur wolle und sich mit dem perfekten System verbinde. Versagen könne nur der einzelne, das System stimmt immer.

Die Neulinge verlassen den Saal häufig mit einem Siegel-Satz des Animateurs, wie etwa: "Eine Ausrede habt ihr ab heute nicht mehr: Ihr könnt nicht mehr sagen, ihr hättet keine Chance gehabt."

Es folgt eine oft eine "Ausbildung", die i. d. R. vom Mitarbeiter finanziert werden muß und weniger auf den Erwerb von Fachwissen als auf mentale Konditionierung zielt. Mit Hilfe von Psychotechniken soll eine der Unternehmensideologie kompatible Identität installiert werden. Neben der totalen Ausrichtung auf Geld und Erfolg sickern firmeninterne Phraseologie und Satzintonation, uniforme Kleidung und kuriose Zeichen der Verbundenheit ein. Sogenannte "incentives" als Gratifikation für besondere Leistungen sollen dem Mitarbeiter einen Vorgeschmack auf künftigen Luxus bieten. In manch Vertrieb werden einzelne Führungspersonen oder die Führungsspitze mit fast kultischer Verehrung bedacht. Banalste Weisheiten von der Bühne werden mit standing ovations der Massen beantwortet. Rituale bilden sich heraus. Motivationsveranstaltungen werden nach allen Regeln der Kunst fast religiös zelebriert.

Weniger kultiviert geht es bisweilen bei Veranstaltungen einher, die das Wir-Gefühl stärken sollen. Hier wird die Gruppendynamik genutzt, um Niveauunterschiede der Mitarbeiter im Rahmen gemeinsamer Grenzerfahrungen auszugleichen: Alle lassen nach dem Essen "die Sau raus" und werfen mit Kartoffeln, alle steigen auf den Stuhl, schwingen die Kinderrassel und rufen "Wir sind erfolgreich". Eine gewisse Infantilisierung ist dabei unübersehbar und für den Außenstehenden ebenso verblüffend wie die Tatsache, daß die angewandten Beeinflussungstechniken oft recht leicht durchschaubar sind, sofern man nicht von einer durch das Wir-Gefühl ausgelösten, mehr oder weniger ausgeprägten Kritiklosigkeit geblendet ist.

* Finanzielle Schwierigkeiten

Neben dem Besuch kostenintensiver Seminare und Schulungen (z. T. in teuren Spitzenhotels) werden Statussymbole erworben, bevor der Status erreicht ist, finanziert im New-Age-Glauben, daß man sich seine Wirklichkeit selbst erschaffe. In manchen Strukturvertrieben müssen Produkte vom Mitarbeiter in großen Mengen vorab gekauft werden. Nicht selten verwandeln sich private Keller in große Lager mit Waren, die keinen Ansatz finden.

Manche Strukturvertriebe bieten gegen Zahlung von mehreren Tausend Mark den Einstieg auf einer höheren Stufe an; der Mitarbeiter kauft sich so wertlose Phantasietitel wie "Bezirksleiter" oder "Regionalmanager" und erhofft schnelleren Aufstieg. Verschuldungen nehmen ihren Lauf.

Die Wirkung potentiell konfliktträchtiger Strukturvertriebe auf Mitarbeiter entspricht in vielen Fällen der bereits beschriebener Gruppen des religiösen und Psychomarkts: Mit der Firmensprache, der darin aufbereiteteten Lebensvision und entsprechenden Rahmenbedingungen verändern sich Werte, Denken und Handeln oft radikal. Es entsteht eine eigene Welt, und der Kontakt mit der Realität außerhalb erweist sich zunehmend als schwierig. Das Unternehmen wird zu Familienersatz und letztem Hort wahren Verständnisses. Partnerbeziehungen scheitern. Man trennt sich von bisherigen sozialen Bezügen, sofern diese nicht als Kunden oder Mitarbeiter infrage kommen. Es entstehen psychische Abhängigkeiten von Personen und Animationsveranstaltungen, in denen neu aufgetankt werden muß.

Strukturvertriebe sind oft relativ labile Systeme mit einer hohen Mitarbeiterfluktuation.

Ein Ausstieg ist insofern bisweilen besonders schwierig als zusätzlich zu der notwendigen Verarbeitung der Erfahrung und umfassenden Neuorientierung das soziale Umfeld zu sanieren ist, das sich viele "Strukkis" durch ihr penetrantes Verkaufs- und Werbegebaren zerstörten.

Ausblick

Man wird sich darauf einstellen müssen, daß konfliktträchtige Merkmale und Strukturen, Psycho- und Manipulationstechniken mit der Tendenz zur Vereinnahmung des einzelnen Menschen zunehmend in Bereiche unserer Gesellschaft vordringen, die jenseits einer "klassischen" religiösen oder weltanschaulichen "Sekte" liegen, und die dennoch eine durchaus vergleichbare schädliche Wirkung entfalten.


Quellenverzeichnis:
1 Bei der Informations- und Dokumentationsstelle ist keine Liste dieser Unternehmen erhältlich. Listen bilden immer nur Momentaufnahmen ab und vermögen der ausgeprägten Dynamik dieses Marktes nicht gerecht zu werden. Eine Prüfung des Einzelfalls u. a. anhand der beschriebenen Phänomene ist unumgänglich.


8. Erfahrungsberichte Betroffener


Der folgende Abschnitt gibt ausgewählte Erfahrungsberichte von Menschen wieder, die die jeweilige Gruppe wieder verlassen haben und als sogenannte "Aussteiger" negativ bilanzieren. Ausgewählt wurden solche Berichte, in denen das Mühen der Betroffenen um einen sachlichen Blick auf das Erlebte von Erfolg gekrönt war.

Bei aller verbleibenden und in dieser Form unvermeidlichen Subjektivität der persönlichen Sicht tritt in diesen Berichten das Konfliktpotential dieses Marktes sehr plastisch zutage. Bewußt ist auf die Nennung der jeweiligen Gruppe verzichtet worden, um den Leser in dem Anliegen zu unterstützen, allgemeine konfliktträchtige Merkmale und Strukturen und deren mögliche Auswirkungen zu erkennen.

Nicht unterstellt werden soll damit, daß solche Erfahrungen zwangsläufig seien, noch, daß nicht auch andere, in der Selbstwahrnehmung positive Bilanzen, möglich seien.


Bericht Herr A


Ich habe 1995 die "Gemeinde" in einer Zeit eines persönlichen Umbruchs kennengelernt. Nach Abbruch meines Studiums (ich war damals 33 Jahre alt) hatte ich gerade eine Arbeitsstelle in Aussicht - alles in allem keine Lebenskrise. Trotzdem kamen mir die netten Studenten der Gruppierung, die ich bei einer von diesem Verein veranstalteten Semesterfete kennenlernte, irgendwie recht: Ich konnte noch Bezugspunkte in das studentische Umfeld behalten und freute mich über die Aussicht, einen neuen Freundeskreis gewonnen zu haben. Gerade deshalb, weil sich diese Menschen sehr für mich interessiert haben. Ein junger russischer Chemiestudent schlug vor, mit mir mal ins Theater zu gehen (ich erzählte ihm von meiner großen Leidenschaft fürs Theater).... Doch bevor wir das gemeinsam taten, lud mich dieser Student zu einem Gottesdienst seiner "Gemeinde" ein. Mir wurde vermittelt, es handele sich um eine "christliche Freikirche" - mehr durfte ich zu diesem Zeitpunkt offensichtlich noch nicht erfahren. Ich nahm dann die Einladung zu einem sonntäglichen Gottesdienst der Gruppe tatsächlich an. Schon kurz nach meinem Eintreffen (der Student holte mich an der U-Bahn ab, um sicherzustellen, daß ich auch hinfinde) wurde ich von verschiedenen Mitgliedern umringt und freundlich, aber bestimmt ausgefragt. Die Veranstaltung lief spürbar mit amerikanischem Einschlag ab. Kurz danach wurde ich dann eingeladen, die Bibel kennenzulernen, zusammen mit den Leuten, die ich dort getroffen und kurz kennengelernt hatte.

Für mich zunächst nicht bemerkbar, wurde ein Plan geschmiedet und fast generalstabsmäßig umgesetzt: ich sollte in einer sog. "Studie" die Bibel, das Wort Gottes, kennenlernen. Die Bibelstunden fanden 2 bis 3 mal in der Woche und auch verstärkt an den Wochenenden statt. Ziel war es, mich zur Taufe in der Gruppe zu "führen". Aus mir sollte ein "Jünger Jesu" gemacht werden. Denn nur wer "Jesus nachfolgt und ein Leben nach der Bibel führt, dem werden alle Sünden vergeben, der wird das Reich Gottes auf Erden und im Himmel gewinnen" - so stellt sich im Rückblick die Grundlage der "Ideologie" dieser Bewegung dar. Um dieses Ziel auch erreichen zu können, mußte ein enges Vertrauensverhältnis aufgebaut werden. Hier legte sich ein 12 Jahre jüngerer Student (nicht zufällig!) mächtig ins Zeug - wir wurden sehr gute Freunde (seine Rolle war die des sog. "Jüngerschaftspartners/Disciplers" und ich war ein "Babychrist").

In den 6 Wochen bis zu meiner Taufe lernte ich dann die Bibel kennen, aber in der von dieser Bewegung vorgegebenen Interpretation/Auslegung. Daß hier auch eine spezielle Ideologie (Lehre) des geistigen Führers dahintersteckte, wurde mir lange nicht bewußt (gemacht). Ich hatte mich ja noch nie ernsthaft mit der Bibel befaßt. So wurde ich nach und nach durch eine subtile Verhaltens- und Bewußtseinskontrolle von dieser "Gemeinschaft" abhängig; auch von meiner Bezugsperson. Wir trafen uns fast täglich in und mit der "Gemeinde", mein neuer Freund rief mich täglich an und fragte nach, ob und was ich in der Bibel gelesen habe, wie mein Leben außerhalb der "Gemeinde" aussieht usw. Schon vor meiner Taufe wurde ich unter "Missionsdruck" gesetzt. Es wurde mir eingetrichtert, daß man als "Jünger Jesu" wie ein Arbeiter für Gott unablässig andere Menschen missionieren (bekehren/anwerben) sollte. Die Taufe wurde als unbedingte Voraussetzung für die Rettung aus der von Satan beherrschten Welt hingestellt.

Ich wurde auf eine sehr unfaire Weise stark bedrängt (zum Schluß auch vom Gemeindeleiter), meine Taufentscheidung zu treffen. Im März 1995 traf ich diese Entscheidung nach einer "Mammutsitzung" in der Wohnung des Gemeindeleiters. Ich wurde schließlich am 12.03.1995 im ehemaligen Gewerkschaftshaus in Berlin-Mitte zum zweiten Mal getauft (das erste Mal wurde ich 1962 als Kind in der Katholischen Kirche getauft) und fühlte mich dann tatsächlich als vollwertiges und gerettetes Mitglied dieser "Gemeinde". Erst jetzt konnte (und mußte) ich am Gemeindeleben täglich teilnehmen. Konnte ich mal nicht an einem Bibelkreis oder einer anderen Veranstaltung teilnehmen, wurde mir sofort ein schlechtes Gewissen eingeredet: "Du schadest der Gemeinschaft". Es blieb also keine Zeit mehr, sich mit alten Freunden zu treffen (oder auch einfach nur neue zu finden) oder Hobbies nachzugehen. Selbstsüchtig sei ich, wenn ich z. B. ins Theater gehe und nicht die Gemeinschaft mit meinen "Brüdern und Schwestern" suche. An meiner Arbeitsstelle bekam ich Probleme, denn auch dort sollte ich Mitglieder werben, angeblich Menschen retten, so der eigentümliche Sprachgebrauch der Gruppierung. Ich distanzierte mich deutlich von meiner bisherigen Umwelt und war hin- und hergerissen zwischen dem vermeintlichen "Reich Gottes" der Bewegung und der "Welt", in der ich schließlich mein Geld verdienen mußte. Später dann war auch das für meine "Brüder" von großem Interesse, nämlich zu wissen, wieviel ich verdiene und ob ich durch eine leitende Position "Einfluß" auf andere Menschen habe...

Ich verlor zunehmend die Kontrolle über mein Leben außerhalb der "Gemeinde". Manchmal war ich nicht in der Lage meinen Kolleginnen und Kollegen vernünftig zu begegnen. Ich fühlte mich nicht mehr wohl in dieser Umgebung. Schließlich hatte ich es mit Menschen zu tun, die sich im "Machtbereich" von "Satan" befinden, weil sie eben nicht dieser Bewegung nachfolgten. Über andere Glaubensgemeinschaften zu reden, war sinnlos, weil sich diese Bewegung für die einzig wahren Christen hält. Andersglaubende, Anderslebende und Andersdenkende werden verurteilt und möglichst gemieden. Ich habe es in meinem damaligen Bibelkreis nicht erlebt, daß die eigene Familie mit der Mitgliedschaft ihrer Angehörigen in dieser Gruppe uneingeschränkt einverstanden war. Es gab hier viele Probleme.

Zwischenmenschliche Kontakte durfte es nur innerhalb der "Gemeinde" geben. Es gehört auch zu den Zielen dieser Bewegung aus den eigenen Reihen heraus "Ehen" zu stiften. Dieses Procedere läßt sich aber besser mit "Kuppelei" beschreiben: im Laufe der Zeit (nach der Taufe) wurden immer wieder "Brüder" und "Schwestern" an Samstagen zu Freizeitunternehmungen zusammengeführt, um sich dabei näher und besser kennenlernen zu können (sog. Dating). Bei diesen Treffen waren stets mindestens 2 Paare zusammen (und selbstverständlich die Bibel) - es konnte also nicht viel passieren. Nach solchen Dates hat mich mein Jüngerschaftspartner immer gefragt, wie mir das Date mit der betreffenden "Schwester" gefallen hat. Sexualität vor der Ehe wird tabuisiert, Sex in der Ehe ist wohl auch Thema in Gesprächen mit z. B. der Gemeindeleitung. Jedenfalls ist für mich kein gesundes Verhältnis in dieser Hinsicht erkennbar.

Daß ich in der Gruppierung auf der "richtigen Seite" war, konnte ich bald nicht mehr glauben - ich begann zu zweifeln. Schließlich kam es nach Pfingsten 1995 zu einem Zusammenbruch, der mich sehr mitgenommen und erschreckt hat, denn ich hatte zum ersten Mal Lebensangst und auch Selbstmordgedanken: Ich hatte versagt, weil ich nicht in der Lage war als "Jünger Jesu" zwischen zwei Welten zu leben. Ich war es nicht wert in dieser "Gemeinschaft" zu leben, ich genügte nicht den hohen Ansprüchen... Daß ich es hier mit einer Sekte zu tun hatte, war mir in diesem Moment nicht bewußt und ist mir erst viel später klar geworden (nachdem ich mich ausführlich über diese Bewegung informiert hatte). Eine richtige Lebenskrise war fast perfekt, doch hatte ich glücklicherweise noch Freunde, die mich aufgefangen haben. Die Auswirkungen dieser gefährlichen Abhängigkeiten in einer solchen religiösen Extremgruppe können ein Leben aus der Bahn werfen und im schlimmsten Fall sogar zerstören.

Am Ende dieser auch sehr leidvollen Erfahrungen in dieser Sekte stand neben großer Traurigkeit auch Enttäuschung und Wut über die "Machenschaften" meiner zweifelhaften Freunde. Aus dieser Wut heraus habe ich mich ein Jahr nach meinem Ausstieg einer Betroffeneninitiative angeschlossen. Hier kann ich meine Erfahrungen in der Beratung von anderen Aussteigern und Betroffenen (Eltern) weitergeben. Daneben versuche ich zur Information und Warnung vor der Ideologie und den Praktiken dieser Sekte beizutragen.


Bericht Herr B, Frau C u. a.


Wir sind eine Gruppe ehemaliger Mitglieder eines christlichen Vereins, die dort leidvolle Erfahrungen gemacht haben. Wir haben uns eine Meinung darüber erarbeitet, die wir hier kurz zusammenfassen. Die meisten von uns waren langjährige Mitglieder.

Jeden von uns hatte Verheißungsvolles an diesem Verein angezogen: "urchristliches" Christentum, Tuchfühlung mit einem lebendigen Gott, freiere Gottesdienste, Heilung seelischer und körperlicher Krankheiten, konkrete Segnungen Gottes und Wunder im Alltag. Keine Rede von Kontrolle oder Abhängigkeit.

Dennoch stand bereits im Eintrittsformular die Forderung nach unbedingter Loyalität gegenüber der Gemeinde und der Gemeindeleitung. Keinen von uns hatte das in der anfänglichen Begeisterung stutzig werden lassen. Doch die Unterordnung wurde bald konkret abgefordert, so hieß es radikal Beziehungen zu beenden, Hobbies aufzugeben, einen anderen Kleidungsstil anzunehmen: Alles bis ins Privateste mußte nach und nach dem Willen der Gemeindeleitung gemäß geändert werden. Ehen durften nur im Einverständnis mit den jeweiligen Leitern geschlossen werden. Diese legten jemandem auch schon einmal nahe, die Ehe zu beenden, wenn der eigene Ehepartner nicht nach dem Willen der Gemeindeleitung lebte. So wurde einer Mutter mehrerer Kinder nahegelegt, ihren Mann zu verlassen, weil dieser sich kritisch über die Gemeindeleitung geäußert hatte. Der Umgang mit Freunden außerhalb der Gemeinde war klar geregelt: Entweder sie bekehren sich oder sie kehren dir den Rücken zu.

Bald hatte man so sein gesamtes bisheriges soziales Umfeld zerstört. Ab jetzt gab es nur noch die Gemeinde. Abhängigkeiten waren entstanden. Das betraf auch die Verpflichtung, sein Privatleben und die Finanzen offenzulegen. Freiwillig natürlich - denn als Referenz wurde immer die Bibel ins Feld geführt; allerdings in der eigenen Auslegung durch den Leiter der Gemeinde. (Nur mußte man das erst einmal zu trennen lernen.) Dessen Lehren sind das Zentrum: Er gibt vor wie geglaubt, gebetet und gegenseitige Kontrolle ausgeübt wird.

Er stellte seine Gemeinde gern als eine warme, innige, vielleicht etwas exzentrisch-romantische Glaubensgemeinschaft dar. In Wirklichkeit lebten wir alle nach und nach in einem von Angst, Vermeidung und Anpassung geprägten System. Fehlverhalten wurde bewertet und bestraft: subtil durch "Geschnittenwerden" oder offen, indem der gesamten Gemeinde der Kontakt zu dem "Danebenseienden" untersagt wurde. Es gab Rufmord und Verleumdung.

Der Leiter sagte, daß alle Krankheiten geheilt werden können. Wer krank sei, erlaube dem Teufel durch noch nicht erkannte Verhaltensweisen, ihn krank zu machen. Dann hatte man als Gemeindemitglied tiefer zu suchen und sich gewissenhafter unterzuordnen. War man dann immer noch nicht geheilt, wurde einem Unglaube oder mangelnde Unterordnung (als Rebellion bezeichnet) vorgeworfen, denn "wer rebellisch ist, wird nicht geheilt". Einmal verweigerte der Leiter der Gemeinde einem Betroffenen das weitere Gebet und sagte, er bete jetzt zu Gott, daß der Teufel denjenigen töte, damit wenigstens dessen Seele gerettet werde.

Tod, Teufel, Dämonen waren ohnehin seine zentralen Themen. Gesellschaft, Schulen, die Menschen der Welt seien hoffnungslos vom Teufel besessen, fremdgesteuert und mit dem Bösen verbündet. Dieses Bild bekamen wir immer wieder vor Augen gestellt. Deswegen war man auch nur noch in dieser Gemeinde sicher. Doch auch dort verlangten die Dämonen angeblich Eintritt und Herrschaft über unser Denken, Wollen und Fühlen. So sollten wir "Gedankenhygiene" betreiben, unsere Gedanken durch die Lehren des Leiters ersetzen. Andere Gedanken und Gefühle sollten wir "besiegen".

So geschah es, daß Menschen, die weinten, gesagt wurde, das sei ein Zeichen von Rebellion, und sie sollten aufhören. Noch feiner und verletzender: Menschen, die z. B. aus Trauer weinten, wurden ignoriert. Man lernte nicht nur die eigenen Gefühle zu ignorieren, sondern auch die der anderen. Beziehungs- und Sprachlosigkeit war die Folge. Wer Probleme äußerte, wurde selbst zum Problem. Da wurde man dann des "Geistes der Kritik", der Rebellion, bezichtigt, man sei voll Bitterkeit.

Menschen, die die Autorität des Leiters in Frage stellten, drängte er ins Abseits: Sich seinen Lehren unterzuordnen galt als gleichbedeutend mit unter dem Willen Gottes zu stehen, ihm den Rücken zuzukehren hieß, nicht mehr unter Gottes Schutz zu stehen. Deshalb war für jeden von uns der Ausstieg mit großer Angst und schlimmer Erwartung verbunden.

Kam dann, was er in seinen Büchern facettenreich beschreibt: neben allen denkbaren körperlichen Krankheiten, die Verwirrung des Denkens, die Zersetzung des Willens, die Fremdsteuerung durch dämonische Mächte bis hin zur Psychose, die er gern als Beschreibung des Zustandes etwaiger Kritiker benutzte? Menschen, die die Gemeinde verließen, hatte er als geisteskrank und psychotisch bezeichnet.

In der Gemeinde gab es viele Kranke, die von den Heilungsversprechen angezogen worden waren. Doch dort gibt es u. E. kein wirkliches Mitleid für Krebskranke, keine Gnade für psychisch Kranke, sondern für Heilung-Suchende nur einen unheiligen Personenkult um den Leiter.

Es gab sechs Leiterstufen, denen man sich nacheinander unterzuordnen hatte (ohne Stellvertreter). An der Spitze stand und steht der Gemeindeleiter, jenseits jeder kritischen Anfrage. Alle Stufen sorgten für die Umsetzung und Einhaltung seiner Anweisungen.

Wir haben in dieser Gemeinde ganz sicher nicht die Freiheit erlebt, für die Jesus am Kreuz gestorben ist. Das erkennen zu müssen war ein langer und für die meisten von uns ein ungeheuer schmerzlicher Prozeß, der sich einer Beschreibung entzieht.


Bericht Frau D


Als Au-Pair-Mädchen war ich im September dieses Jahres nach Kalifornien/USA gekommen, voller Verlangen, unabhängig von meiner alten Umwelt neue Erfahrungen und Erkenntnisse zu sammeln und neue Menschen kennen zu lernen. Nachdem ich bei zwei Familien keinen Erfolg hatte, kam ich Anfang November mit dieser Einstellung, in völliger Unabhängigkeit als Durchreisende, Arbeits- und Wohnungssuchende nach San Diego - gefundenes Fressen für die Jugendorganisation einer Sekte:

In Downtown sprachen mich zwei sympathische Mädchen, Mary (19) und Heather (23) an, unter dem Vorwand, eine Umfrage zu machen und mir Fragen stellen zu wollen, Fragen wie "Wie stellst du dir Gott vor?", "Wie glaubst du, ein glückliches Leben führen zu können und kannst du es alleine erreichen?", "Glaubst du an Leben nach dem Tod?", "Glaubst du an eine ideale Welt?"

Da ich wirklich Zeit hatte und mir die persönliche Art dieser jungen Leute gefiel, ging ich nicht nur auf ihr Angebot ein, mir einen Vortrag über die Prinzipien dieser "religiös, philosophisch denkenden Studentenorganisation" anzuhören, sondern auch auf eine Einladung zum internationalen Abendessen und weiteren Vorträgen in ihrem Gruppenhaus, wo ich auch übernachten durfte. Die Gruppenmitglieder kamen aus Ungarn, Tschechien, Jugoslawien, der Schweiz und allen möglichen Staaten der USA, lebten in dem riesigen Einfamilienhaus ein friedliches Leben in Gemeinschaft vor und schwärmten von den unzähligen Möglichkeiten, als Mitglied der Organisation durch`s Land zu reisen, in organisationseigenen Firmen und Verlagen zu arbeiten und unterschiedliche Menschen kennenlernen zu können. In der Freizeit, zwischen den Vorträgen, wurden gemeinsame Unternehmungen, wie Sport, Ausflüge oder Videoabende organisiert. Norbert (27), der ungarische Anhänger der Gruppe, hielt die Vorträge für zwei oder drei Neulinge oder sogar nur für mich, persönlich, überzeugend und mit ständigem Augenkontakt:

"Jeder Mensch sucht ja gewöhnlich nach 'happyness, aber wie kann er diese erreichen? Jeder hat Fehler, die ihn oder auch andere stören und für Unfrieden sorgen, z. B. Rauchen, Trinken, Fluchen, unüberlegte sexuelle Verhältnisse; doch jeder hat auch die gute Seite, die aber meistens nicht stark genug ist, dem Schlechten Stand zu halten, mit der Entschuldigung Andere machen das ja auch'. Niemand kann sich mehr eine Welt ohne all das Schlechte vorstellen - die Jugendorganisation der Bewegung schon (vgl. mit dem Song 'Imagine' von John Lennon).

Als Beispiel dient die Geschichte von zwei Adlern, die über ein tiefes Tal fliegen, abstürzen und nicht mehr fliegen können, wie anschließend auch ihre Nachkommen, die dies aber für normal halten. Eines Tages kommt ein fliegender Adler vorbei und zeigt ihnen, wie sie ihre Flügel gebrauchen sollen. Sie aber lachen ihn aus.

Genauso lief es bei den Menschen ab. Die zwei ersten Adler stellen Adam und Eva da, die nach dem Sündenfall im Paradies vergessen haben, ohne Sünden zu leben. Da sie nach dem Essen des verbotenen Apfels nicht den Apfel sondern ihre Geschlechtsteile versteckt haben, kann man daraus schließen, daß sie ein sexuelles Verhältnis miteinander hatten, bevor die Zeit dafür reif war. Als viele Generationen später der sündlose Jesus zu den Menschen kam, lachten diese über ihn und kreuzigten ihn, bevor er die Menschen retten konnte. Ein 'Himmlisches Königreich auf Erden' kann aber nur mit Hilfe von engagierten Menschen entstehen, die den Messias nicht wieder verkennen, die nicht engstirnig nur an Beständigem festhalten, die gegen den Strom schwimmen, positiv denken und andere von der Rückkehr eines neuen Messias überzeugen. Um eine Ideale Welt zu erschaffen, müssen Menschen bereit sein, allen Menschen, ihren Brüdern und Schwestern, 'wahre Liebe' zu geben.

Diese Hoffnung besteht JETZT, denn gerade unser heutiges Zeitalter ist von Veränderungen bestimmt, wie z. B. allgemeiner Verwirrung, Freiheitsstreben, Spiritualität, Umweltbewußtsein und Missionartätigkeiten. Außerdem zeigen sich bei genauerer Analyse Parallelen in der Geschichte von Abraham bis Jesus und jener von Jesus bis zu unserem Jahrhundert. Genau wie zur Zeit Jesu gibt es auch heute wieder einen wirtschaftlichen Aufschwung (Römisches Reich, Industrielle Revolution). Die Zeit für einen neuen Messias ist also gekommen; bei genauer Berechnung müßte er um 1920, nach der Bibel zu urteilen in K. geboren sein und ähnlich wie Jesus von der ganzen Welt angegriffen werden. Dieser kann nur einer sein: Der Führer dieser Bewegung."

Erst in diesem Moment wurde ich mißtrauisch und beschloß, mir diese Religion nicht länger einflößen zu lassen, sondern meinem eigenen Glauben standzuhalten. Zu Hause in Deutschland liefen derzeit schon alle möglichen 'Rettungsmaßnahmen': Informationslektüre wurde gekauft, Sektenerfahrene um Rat gefragt, meine Eltern riefen Konsulate in L.A. und San Diego an und natürlich auch mich. Erst als sie mir vortäuschten, der Konsul in San Diego sei ein Architekt, bei dem ich arbeiten könne und mein Vater liege im Krankenhaus, wurde mein Entschluß zu gehen steinhart. Doch akzeptiert wurde er erst, als ich Norbert und Mary nach fünfstündiger Diskussion mit ihren eigenen Waffen schlug, nachdem ich auf Norberts Bitte hin scheinbar zu Gott gebetet hatte und behauptete, mein Fortgehen sei Gottes Wille.

Ich möchte mit meinem Erlebnis, welches zum Glück gerade noch gut ausgegangen ist, reiselustige junge Leute warnen und Eltern und Lehrer auffordern, Jugendliche über Sekten zu informieren.


Bericht Frau E(1)


Ich bin aus einer Krise heraus zu dieser Gruppe gekommen. Mein Mann hat mir den Vorschlag gemacht, mich mit geistigen Dingen zu beschäftigen. Ich bin vorher völlig atheistisch erzogen worden und hatte mit hinduistischen Guru-Bewegungen noch nie Kontakt gehabt. Ich war zu sicher, mir würde das nie passieren!

An der Universität in Leipzig habe ich dann ein Plakat gelesen: "Einführung in die Meditation". Ich dachte, das sei sehr seriös. Ich bin hingegangen. Ich habe mir einen dreistündigen Vortag angehört (...) und hab mich dann eigentlich aus Neugier zum Schluß in diese Meditation einführen lassen. (...) Die ganze Situation paßte überhaupt nicht in mein Sektenbild. Es gab weder Bedingungen noch Verbote, auch wurde ich nicht bedrängt. Im Gegenteil, die Leute waren mir angenehm (...) Mir fehlte zu dieser Zeit jegliche Hoffnung, und die Vorstellung, auf so einfache Art in mir selbst die Wahrheit zu finden, war ein schöner Gedanke. Es war mir überhaupt nicht klar, daß ich in eine Sekte geraten bin, und ich hatte auch immer das Gefühl, ich kann jederzeit wieder gehen.

Mein Mann hatte mir, bevor er nach Indien gefahren ist, gesagt: "Wenn ich zurückkomme, sind wir endlich eine Familie", und das wollte ich vor allem für unseren Sohn (...) Wir hatten endlich eine Gemeinsamkeit: einen Meister. (...) Ich rutschte jedoch, ohne es zu merken, immer tiefer in die Sekte, ersetzte zunehmend meine inneren Wertmaßstäbe mit den Guru-Gedanken. Meine Gefühle paßten nicht in dieses Bild und entsprachen voll dem "Negativen". Auch machte ich kaum "innere Erfahrungen", was mich noch mehr verunsicherte. Um mich aufzuwerten, wollte ich schnell alle "Hilfen" annehmen, die die Gruppe anbot.

Zudem kam mein Mann völlig verwandelt aus Indien zurück. (...) Das einzige, was wir unserem Kind geben können, ist, ihn zu Gott zu führen, und diese einzige Möglichkeit sei Meditation. (...) Es wurde immer extremer. Ich kannte meinen Partner, als immer ehrlich und liebevoll, und nun war er völlig verwandelt. Er wollte unseren Sohn um jeden Preis zur Meditation zwingen. (...)

Schließlich gibt es in der Sekte reges Interesse an Kindermeditation, und ich erfuhr, daß viele Mütter (darunter einige Pädagoginnen) bereits mit praktischen Tips regen Erfahrungsaustausch zu diesem Thema führten. Kindermeditation wäre das Wunderbarste der Welt, und Augenbinde und Silikonstöpsel wären nur Hilfsmittel, um den Kindern negative Eindrücke von außen zu ersparen.

Es hat sich dann ganz schnell herausgestellt, nach einigen wenigen Tagen in B. (Zentrum der Bewegung), daß da ein ganz krasser Tagesablauf herrschte. Das ging so weit, daß wir völlig unter Druck standen. (...) der Knackpunkt war: Ich hatte mich selbst schon völlig aufgegeben, versuchte mir nur noch Orientierungspunkte zu suchen, um mich endlich für oder gegen diesen Weg entscheiden zu können. Daß sich diese in mir selbst, in meiner Verzweiflung doch längst zeigten, darauf habe ich nicht mehr vertraut. (...) So ganz langsam kriegt man Hinweise, wie man diese Meditation eigentlich optimieren kann. Zum Beispiel indem man alle Leute, die nicht initiiert sind, fallenläßt. Sich auch innerlich in eine Isolation begibt, anderen Leuten nicht mehr in die Augen schaut, sich wirklich völlig abkapselt. (...)

Es war dann im Dezember, daß unser Sohn morgens um 4.30 Uhr aufgestanden ist, seinen ganzen Tagesablauf im Meditationsraum verbrachte, von 4.30 Uhr bis etwa um sieben Uhr zur Meditation gezwungen wurde. Danach wurde ein Vortag gehalten vom Meister, also es war immer das gleiche, ein Satsang im Fernsehen, danach war Frühstück, recht kurz gehalten, danach wieder Meditation bis zum Mittag. Im Dezember allerdings hat unser Sohn schon gar kein Mittagessen mehr bekommen. Das ging dann bis abends mit Meditation, Abendbrot. danach wieder Vortrag, Meditation und in der Nacht noch einmal, um 1.30 Uhr ein lauter Simran(2). (...)

Die Kinder haben in dieser Gruppe einen ganz großen Stellenwert, weil sie im Prinzip die Zukunft verkörpern. Sie haben diese Reinheit, die wir als schon belastete Seelen nicht mehr haben. Damit wird den Kindern unheimlich viel Druck aufgebürdet. Die Kinder dürfen keinesfalls etwas aus der negativen Welt aufnehmen, damit sie sich Gott erhalten. (...)

Unser Sohn wehrte sich natürlich gegen die Meditation. Als er bei der sogenannten Meditation geschrien hat, kam von Frau X der Vorschlag, das Fenster zu isolieren, den Raum überhaupt zu isolieren, damit es keiner hört. Denn es hätten ja auch die Nachbarn aufmerksam werden können. (...) Interpretiert wurde dieses Schreien so: Nicht das Kind schreit, nicht seine Seele schreit, sondern sein Gemüt, und das muß raus. (...)

Kinder wurden auch, wenn sie geweint haben, einfach konsequent festgehalten. Sie wurden hingesetzt, und dahinter saß jemand und hielt sie fest. Es wurde über Stunden völlig ignoriert, daß das Kind ein Bedürfnis hat. Irgendwann merkt das Kind, daß es keine Chance hat, und dann ist Ruhe. Das interpretieren die natürlich als "die Seele hat gesiegt". (...)

In dieser Zeit habe ich mich als völlig abgestumpft erlebt. Zwar nicht als gefühllos, aber als von meinen Gefühlen völlig abgeschnitten. Ich litt und konnte doch nichts machen. Es kamen Argumente, die ich einfach nicht mehr einordnen konnte. Das eine war, wenn du darunter leidest, dann sind das deine Emotionen, die du dem Kind überträgst und das Kind leidet nur, weil du leidest. Eine total verquere Gedankenbrücke, die mich völlig verwirrte. Durch diese viele Meditation und dieses völlige Isoliertsein von der normalen Welt war ich überhaupt nicht mehr fähig, eine Entscheidung zu treffen. (...)

Ich weiß heute, daß die Hebamme, Frau G., den einzig richtigen Schritt gemacht hat: Sie hat mich mit Gewalt herausgeholt. Sie hat das Jugendamt informiert, hat das Gericht informiert. Die haben mich herausgeholt, und das war für mich wirklich die einzige Chance.


Bericht Frau F


Eine akute Krisensituation, die ich durchlebte, machte mich empfänglich für ein Seminar, das Lösungen für Lebensprobleme anbot. Für das Einführungsgespräch nahm sich die Leiterin sehr viel Zeit, zeigte sich zuversichtlich in bezug auf meine Lebenssituation und empfahl mir die Buchung eines ihrer Seminare.

Die Gruppendynamik im Seminar war enorm. Die Leute teilten ihre persönlichen Probleme mit. Die Seminarleiterin vermochte immer für alles einfache Erklärungen zu bringen (mit der richtigen Kommunikationstechnik würden wir selbstbestimmt, glücklich und frei) - klar wollte jeder von uns glücklich leben, und wir hilfesuchenden Seminarteilnehmer nahmen diese Phrasen hoffnungsvoll an. Sie verlangte von mir, mich 100 %ig einzulassen, nur so sei mir zu helfen. Manchmal hatte ich den Eindruck, daß es, oberflächlich gesehen, aufwärts ging. Andererseits tat ich auf ihren Rat hin Dinge, die ich gar nicht tun wollte und fühlte mich dann nicht - wie von ihr versprochen - erleichtert, sondern meine Ängste verstärkten sich eher. Angst wurde von ihr als Hirngespinst definiert, als eine Ausrede für diejenigen, die nicht vorwärts wollten. Nach solchen Äußerungen fühlte ich mich schwach und entwickelte Schuldgefühle. Auf ihren Rat, ich bräuchte Zeit das Gelernte zu festigen, um nicht wieder abzurutschen, buchte ich das Folgeseminar. Von anderen, die das nicht getan hätten, erzählte sie oft, daß diese "abgerutscht" und "abgedreht" seien, aber diese hätten es eben nicht anders gewollt. Ich bedauerte die Leute damals und blieb, denn deren Schicksal wollte ich natürlich für mich nicht. (Auch mir ist übrigens nach meinem Ausstieg Ähnliches und zu Unrecht nachgesagt worden).

Inzwischen kann ich es kaum nachvollziehen, daß ich damals wirklich annahm, ohne diese Gruppe nicht mehr lebenstüchtig sein zu können. Ich hatte zwischendurch Zweifel, mal mehr, mal weniger, aber diese verdrängte ich immer wieder. Allerdings war ich auch lange begeistert: Die Leiterin bot immer einfache Lösungen, die sich auch erstmal plausibel anhörten. Ich wollte es auch endlich mal einfach haben und nicht mehr so schwer und konfliktreich.

In der Gruppe hatten wir auch viel Spaß, verbrachten Freizeit miteinander, und es schlich sich eine gemeinsame Sprache ein, vorwiegend Schlagwörter der Leiterin - man verstand sich intern sofort. Da man keine Inhalte nach draußen verlauten lassen durfte, brauchte man auch gar nicht über irgendwelche Formulierungen nachzudenken. Wenn ich mal jemandem außerhalb das Prinzip erklären wollte, gelang mir das nicht, umso mehr fühlte ich mich verstanden und geborgen innerhalb des Seminars. Wer einen Partner außerhalb des Seminars hatte, sollte diesen unbedingt für das Seminar "gewinnen", sonst wurde von der Leiterin sogar das baldige Ende dieser Beziehung prophezeiht. Vor Freunden, die der Gruppe kritisch gegenüberstanden, sollten wir uns in acht nehmen: Es seien nur vermeintliche Freunde, die uns aus Neid an unserer Entwicklung behindern wollten. Auch ich wurde aufgefordert, mich von einer Freundin außerhalb der Gruppe zu trennen (sie war aus der Gruppe ausgestiegen).

Zunehmend wurden die Regeln härter. Die Leiterin beanspruchte die Wahrheit für sich, und langsam glaubte ich es. Wer es anzweifelte, mußte z. T. stundenlang im Kreis vor der Gruppe seine "Vorbehalte klären", sonst könne sie mit ihm nicht arbeiten. Man mußte so lange stehen, bis man eingestand, daß man Unrecht getan habe, man nur neidisch sei und um Entschuldigung bat. Ich wurde in dieser Situation angebrüllt, beschimpft und beleidigt und schließlich nach der "Reue", wie üblich, von allen umarmt. Nach stundenlanger Prozedur zweifelte ich schließlich wirklich an meinen Gedanken, Haltungen und Gefühlen, und wie ferngesteuert plapperte auch ich aus, was gewünscht war.

Außenstehende können es sicher nicht verstehen, daß man sich so etwas freiwillig gefallen läßt und auch noch sein letztes Geld dorthin trägt. Auch mir ist das heute noch unbegreiflich und manchmal sogar peinlich, aber ich suchte Hilfe und wollte etwas für mich tun. Und das wurde ausgenutzt.

Immer mehr Seminare wurden angeboten und deutlich wurde gesagt, man solle ständig "Anschluß" an die Gruppe pflegen, sonst falle man in seine alten Denk- und Verhaltensweisen zurück. Es gab Regressionsübungen, wo wir z. B. alle am Boden kriechen und wie Kleinstkinder krabbeln und weinen sollten, deren Sinn ich bezweifelte und nach denen ich mich mit meinen Gefühlen alleingelassen fühlte. Äußerte ich Fragen und Zweifel, bekam ich die Antwort: "Laß dich ein, hab Vertrauen."

Trotz solcher und anderer psychotherapeutischer Übungen stand im Vertrag, daß es sich nicht um eine Psychotherapie handelt. Jeder sei für sich selbst verantwortlich und unterschrieb das. Sind die Leiter damit rechtlich unanfechtbar? Was ist mit Personen, die in diesen Seminaren psychisch schwerst verletzt wurden?

Mein Ausstieg schließlich hing mit dem Eifersuchtsproblem der Leiterin zusammen, die immer wieder betonte, ihre Beziehung sei unangreifbar. Regelmäßig wurde in den Seminaren thematisiert, daß nahezu alle Seminarteilnehmerinnen in ihren Mann, inzwischen auch Seminarleiter, verliebt seien. Sie mußten dann "bekennen" und taten das. Ich wollte das nicht; er interessierte mich als Mann überhaupt nicht. So mußte ich in den Kreis und wurde von der Gruppe gepeinigt, warum ich lüge etc. Ich hielt fünf Stunden Psychoterror durch die Gruppe aus und durfte gehen ohne "bekannt" zu haben. Die Leiterin betitelte mich als "Lügnerin", ich sei unaufrichtig. Ich war wie benebelt, hatte Kopfschmerzen, in meinem Kopf rauschte es.

Später stellte sich heraus, daß ich einen streßbedingten Hörsturz hatte. Ich berichtete sonst niemandem von den Geräuschen, da ich sie als Anzeichen wertete, daß ich jetzt, wie prophezeiht, am "Abdrehen" sei. Wegen der Geräusche, die ich nicht einordnen konnte, wandte ich mich wieder an die Leiterin, die die Geräusche als Zeichen von "Unintegrität" wertete und mir eine zweite Chance am nächsten Seminarabend einräumte. Das Klingeln und die Sirenen im Kopf bewirkten, daß ich den Appetit und 10 Kilo Gewicht verlor und verstört wirkte. Am nächsten Seminarabend hielt ich nur vier Stunden in der Mitte des Kreise aus - ohne mich hinsetzen oder zur Toilette zu dürfen. Die Leute brüllten mich an, schließlich gab die Leiterin Dinge in die Gruppe, die ich ihr im Einzelgespräch anvertraut hatte, und drohte, mich hinaustragen zu lassen. Alles drehte sich in mir, ich konnte kaum noch stehen. Voller Haß "bekannte" ich das Gewünschte.

Als ich nach Hause ging, war ich psychisch so zerschmettert, erschöpft war ich allemal, körperliche Folgen wie das Rauschen im Kopf, Kopfschmerzen und Gewichtsverlust usw. schwächten mich zusätzlich, aber irgendwie hatte ich jetzt einen Rest Kraft, der mir sagte: Ich muß dort weg.

Ich vertraute mich meiner Schwester an, ging zum HNO-Arzt. Die Behandlung kam zu spät: Hörverluste und Dauergeräusche sind irreversibel, damit muß ich leben. Doch den Ausstieg habe ich in einer intensiven Auseinandersetzung und Aufarbeitung mit dem Erlebten erfolgreich bewältigt, und das ist das Wichtigste.


Bericht Herr G


Ein Freund von mir, der an diesem Seminar teilgenommen und vom Ergebnis begeistert war, hatte lange Zeit gebraucht, mich zu überreden, dieses Seminar auch zu besuchen. Einen konkreten Anlaß gab es für mich nicht; Probleme hatte ich nicht. Obwohl ich sehr skeptisch war, entschloß ich mich nach einem sog. Einführungsabend, mich anzumelden. Obwohl ich versucht hatte, etwas Konkretes über den Ablauf und das Konzept zu erfahren, und zwar sowohl von den "Assistenten" als auch von meinem Freund, hatte ich praktisch keine Ahnung, was mich in den dreieinhalb Tagen erwarten würde. Es wurde lediglich mitgeteilt, man könne es nicht erklären, man müsse selbst teilgenommen haben. Vielfach wurden Beispiele genannt, was sich durch die Teilnahme am Seminar im Leben der Teilnehmer geändert hatte.

Eine Aussage, daß es sich bei diesem Seminar um ein Mix verschiedener psychotherapeutischer Ansätze innerhalb einer durch Assoziation und Gruppendruck geprägten, über drei Tage (9.00 - ca. 24.00 Uhr) stark angespannten Atmosphäre handelte, erhielt ich nicht.

Auch die konkrete Anmeldung, die durch eine Unterschrift unter einen recht umfangreichen Fragebogen erfolgte, ließ nur indirekt Aufschlüsse über Inhalt und Verlauf des Seminars zu. Für jemanden, der bisher mit Psychotherapie nichts zu tun hatte, wie es bei mir der Fall war, konnten klare Erkenntnisse dazu eigentlich nicht gefunden werden. Der Veranstalter wollte offensichtlich bestätigt bekommen, daß die Teilnehmer gesund sind, Streß und Anstrengung über drei Tage aushalten und keine Psychotherapie absolviert haben oder derzeit absolvieren. All das konnte ich bestätigen. Jeder Teilnehmer bestätigte überdies mit seiner Unterschrift, daß er allein die Verantwortung für sein gesundheitliches Befinden während des Seminars und danach trage.

Das Seminar begann damit, die im wesentlichen in den Fragebögen enthaltenen Items noch einmal coram publico zu bestätigen, wobei wieder besonderer Wert darauf gelegt wurde, aktuell nicht in psychotherapeutischer Behandlung zu sein. Die in mir zu diesem Zeitpunkt aufkommenden leichten Bedenken, daß das Seminar vielleicht auch nichts für Leute sein könnte, die zwar keine Therapie gemacht hätten, vielleicht aber eine brauchten, was ja eigentlich vor einer Therapie kaum ein "normaler" Mensch wissen könne, wurden durch die Antwort auf eine Frage eines Teilnehmers zerstreut: Er fragte, ob nach dem letzten Seminar ein Teilnehmer in die Psychiatrie eingeliefert worden sei. Diese Frage wurde verneint. Die zweifelsfrei erkennbare Intention der Frage, ob es möglich sei, daß jemand nach dem Seminar extrem psychiatrische Hilfe benötigen könnte bzw. ob dies schon vorgekommen sei, wurde damit sicher nicht den Bedürfnissen des Fragers gerecht beantwortet.

Dann wurden Regeln - obligatorische und fakultative - (z. B. keine Kommunikation ohne Aufforderung durch die Leiterin, keine Notizen, Pünktlichkeit, Anwesenheit bis zum Schluß, kein Alkohol) aufgestellt und die Möglichkeit angeboten, jetzt noch unter Rückzahlung der Gebühren (außer DM 100,00 Bearbeitungsgebühr) zu gehen. Aber eigentlich wußte man zu diesem Zeitpunkt noch nichts über Inhalt und Methode, also: wofür oder wogegen man sich eigentlich entscheiden solle. Niemand ging.

Dabei wurde bereits deutlich, daß auf die Einhaltung der Regeln sehr stark geachtet werden würde. Dies wurde auch durch das Verhalten der zahlreichen (15 bis 30) unbezahlten Assistenten deutlich, die auf Augenzwinkern einer in der Hierarchie über ihnen stehenden Assistentin bzw. Leiterin perfekt reagierten. Die Hierarchie ist - wie ich es von meinem Freund erfuhr - überaus differenziert und von großer Bedeutung, da erwartet wird, daß alle Aufgaben, die ein Übergeordneter einem Untergeordneten gibt, widerspruchslos und engagiert erfüllt werden. Das zeigte sich z. B. daran, daß diejenigen Assistenten, die den Teilnehmern die Mikrophone reichten, dies nicht nur präzis und sinnvoll, sondern meinem Eindruck nach nahezu devot am Boden kauernd, kriechend ausführten. Darauf angesprochen meinte eine Assistentin, dies wäre für das Gelingen des Seminars unbedingt notwendig, genauso wie die Ordnung der Stühle, die millimetergenau (nachgemessen) nach den Pausen wiederhergestellt werden müsse, und dies sei nun einmal so und nicht weiter zu hinterfragen. Die Frage, warum denn angesichts der extrem hohen Umsätze eines Seminars (ca. 80 - 100 Teilnehmer, je 850,00 DM) und den geringen Kosten keine Honorare für die Assistenten gezahlt würden, wurde dahingehend beantwortet, daß der Lohn nicht wichtig sei, weil die Assistenten doch so viel profitieren würden.

Im Seminar ging es im wesentlichen darum, daß die Teilnehmer jeweils einzeln ihre persönlichen, z. T. sehr intimen Probleme und Erfahrungen mit dem Mikrophon in der Hand vor der Gruppe schilderten und dabei von der Leiterin "gecoacht" wurden. Diese Schilderungen entstanden aus Assoziationen im Hinblick auf die von der Leiterin angesprochenen Themen sowie der von anderen Teilnehmern vorgetragenen Erlebnisse. Das Muster der jeweiligen Erklärung war weitgehend identisch.

Ich habe dann das Seminar aktiv mitgemacht und als unmittelbares Ergebnis eine ganz ungewöhnliche Hochstimmung zum Abschluß des dritten Tages gefühlt. Diese Stimmung hielt als Grundstimmung mehrere Tage an, wobei dazwischen durchaus extreme Tiefs zu verzeichnen waren, die bei mir vor allem daraus resultierten, bestimmte Gefühle, Stimmungen und gefühlsmäßige Erkenntnisse logisch-analytisch einordnen zu wollen. Die folgenden Tage waren durch eine starke Aktivität verbunden mit sehr geringem Schlafbedürfnis gekennzeichnet.

Einem Freund erzählte ich in diesen Tagen mehrfach von meinem gefühlsmäßigen Zustand, vor allem von meiner emotionalen Hochstimmung. Durch seine psychologischen Kenntnisse konnte er wiederum einschätzen, welche Gefahren mit diesem Zustand verbunden waren, und er kümmerte sich daraufhin sehr viel um mich. Fünf Tage nach dem Seminar hatte ich dann einen psychischen Zusammenbruch. Durch die Betreuung dieses Freundes konnten die negativen Folgen beschränkt werden. Wäre ich allein gewesen, hätte es aus meiner Sicht durchaus zu Selbst- oder sogar Fremdverletzungen bis hin zum Suizidversuch kommen können.

Ich halte eine ähnliche Reaktion bei anderen Teilnehmern genauso für möglich und für gefährlich. Als Vorwurf gegen den Veranstalter gilt dabei vor allem, daß nicht klar auf die Gefahren hingewiesen wurde, sondern daß dieser lediglich versucht, seine Haftung auszuschließen. Ich halte das Seminar für eine gefährliche Medizin, die für viele durchaus hilfreich sein kann, aber der "Beipackzettel" über die Gefahren fehlt.


Bericht Herr H


Ich interessiere mich für viele Dinge, deshalb kaufte ich auch kurz nach der Wende voller Neugier ein Buch, welches nette Leute auf der Straße anboten. Da ich nicht alles verstehen konnte, und am Ende des Buches die Anschrift eines Zentrums angegeben war, ging ich dorthin. Kurze Zeit darauf kaufte ich im Zentrum einen Kurs für 160,00 DM. Der Kurs sprach mich an, und ich erhielt auch immer wieder Post von den Leuten aus dem Zentrum. Deshalb entschloß ich mich einige Monate darauf, einen Leitkurs zum Lernen zu kaufen. Dieser kostete bereits 2.000,00 DM, außerdem war dazu der Besitz und das Wissen um die Bedienung eines Meßgerätes unbedingt erforderlich - beides habe ich für 5.000,00 DM erworben. Was reizte mich eigentlich bei der Gruppe so, daß ich so viel Geld in kurzer Zeit dort ließ? Die Leute dort duzten sich alle, es ergab sich der Eindruck, man sei in einer netten, großen Familie. Von früh bis abends um 22.00 Uhr hatte man die Möglichkeit, im Zentrum zu "studieren". Nach etwa einem Jahr hatte ich blindes Vertrauen zu den Leuten dort entwickelt. Die Kontakte gestalteten sich immer enger, fast täglich ging ich ins Zentrum, ich besuchte dann auch Zentren in anderen Städten. Da mein Arbeitsvertrag auslief, nahm ich das Angebot erfreut an, in einer Firma zu arbeiten, deren Inhaber zu der Gruppe gehörte. Inzwischen wurden die Forderungen für neue Kurse immer höher, dabei gab es "Sonderangebote", z. B. mußten für 12 Stunden eines Kursangebotes statt 8.000,00 DM "nur" 4.500,00 DM bezahlt werden. Ein anderes Kurspaket kostete "nur" 20.000,00 DM, wenn ich mich sofort entscheiden würde, normalerweise sollte das Kurspaket 30.000,00 DM kosten. Maximale Kredite aufzunehmen wurde einem in der Gruppe förmlich eingeredet, und man wurde dabei auch konkret unterstützt, um auf jeden Fall Kurse kaufen zu können. Also nahm ich einen ersten Bankkredit auf, einige Zeit später noch einen, insgesamt in Höhe von etwa 40.000,00 DM. Daß ich große Konflikte damit hatte, nahmen die führenden Anhänger in der Organisation überhaupt nicht zur Kenntnis. Mir wurde immer wieder eingeredet, ich müßte noch diese Kurse machen, danach hätte ich die Fähigkeit, soviel zu verdienen, wie ich brauche, und ich hätte keine Geldprobleme mehr. Rückblickend ist mir mein Verhalten immer unbegreiflicher, da ich es grundsätzlich abgelehnt habe, für irgendwelche Vergnügungen, z. B. Reisen, einen Kredit aufzunehmen. Und dann habe ich soviel Schulden - wofür eigentlich? - gemacht, mit deren Tilgung ich Jahre zu tun habe.

Um den hohen finanziellen Anforderungen gerecht werden zu können, mußte ich viel Geld verdienen. Das war in meiner Firma jedoch ziemlich schwer, da ich anfangs ohne Grundgehalt, nur auf Provisionsbasis arbeitete. Außer der schlechten Bezahlung meiner Arbeit störten mich zunehmend die Geschäftspraktiken der Firma. Versprochene Leistungen seitens der Firma, für die ich als Verkäufer tätig und so auch verantwortlich war, wurden dem Auftraggeber nicht erbracht, obwohl er schon bezahlt hatte. Probleme in der Firma gab es außerdem, weil der Chef seine Mitarbeiter eine Zeit lang überhaupt nicht entlohnte, jedoch schnell mal 'zig Tausende Dollar an die Zentrale in den USA überwies. Einen so eiskalten Geschäftsmann hatte ich vorher noch nie erlebt, es zählte einzig das erwirtschaftete Geld. Mein Chef wurde jedoch auch selber von ihm übergeordneten Mitgliedern unter Druck gesetzt und mußte Zahlungen leisten.

Alles sollte in der Organisation immer ethisch laufen, die konkreten Handlungen waren jedoch ganz und gar nicht ethisch. Geld für die Kurse sollte man wie auch immer aufbringen, kam jemand in Schwierigkeiten, mußte er selber sehen, wie er zurecht kam. Eine eigene Beraterfirma vermittelt anderen Firmen Personal. So wurden hoch verschuldete Mitglieder von Firma zu Firma geschickt, durch ihre Überschuldung waren sie ja Marionetten der Organisation und gerieten in absolute Abhängigkeit. Sie konnten für einen minimalen Lohn vermittelt werden und waren somit sehr billige Arbeitskräfte. Ihren Schuldenberg, teilweise bis zu einer halben Million hoch, konnten sie auf diese Art und Weise nie abzahlen.

Eine wichtige Rolle spielte in der Bewegung immer, daß sie sich als verfolgte Gruppe fühlen - ihre Feinde erschaffen sie sich jedoch selber. Die gängigen Geschäftspraktiken, der Umgang mit in Schwierigkeit geratenen Mitgliedern, die Scheinheiligkeit und Ausbeutung haben mir letztendlich ermöglicht, Abstand zu gewinnen und mich zu lösen. Werbeprospekte habe ich auch nach meinem Ausstieg immer noch zugesandt bekommen, selbst nach längerer Zeit außerhalb der Organisation habe ich noch mit negativen Gefühlen zu kämpfen, wenn ich an die Zeit dort zurückdenke.


Quellenverzeichnis:
1 nach Absprache mit dem Autor aus: Kurt-Helmuth Eimuth: Sekten-Ratgeber, Herder Spektrum, Freiburg, 1997, S. 150 ff.
2 sprechen der sog. fünf heiligen Namen


9. Prävention
9.1. Informations- und Dokumentationsstelle in der Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport
9.2. Prävention bei Jugendlichen
9.3. Checkliste für unbekannte Gruppen
9.4. Orientierungshilfe am Psychomarkt
9.5. Besinnungsanregung
9.6. Empfehlungen für Angehörige


9.1. Informations- und Dokumentationsstelle in der Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport


Die Informations- und Dokumentationsstelle ist für Recherche, Dokumentation und Auswertung von Informationen, für die Koordination des Verwaltungshandelns zum Thema im Land Berlin, für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Vorbereitung der Prozeßführung, das Erarbeiten von Informations- und Aufklärungsmaterial und die Schulung von Multiplikatoren zuständig.

Den Schwerpunkt der Arbeit der Informations- und Dokumentationsstelle bildet der Informationsauftrag für Politik und interessierte Öffentlichkeit. Informationsgegenstand ist der schillernde und in der Öffentlichkeit intensiv diskutierte Markt der religiösen, weltanschaulichen und sogenannten Psychogruppen, seine Dynamik, die dort wirkenden Kräfte und Mechanismen und die für den einzelnen und die Gesellschaft möglichen Gefahrenpotentiale, die von vielen Gruppen und Einzelanbietern ausgehen, die diesen Markt bevölkern.

Die Informationen werden aus der Auswertung der drei wichtigsten Quellen gespeist:

  1. Was sagen die Anbieter über sich selbst?
    Selbstdarstellungsmaterial der Anbieter (auch internes Material, das uns durch Aussteiger zugänglich wird)
  2. Was sagen andere über die Anbieter?
    Fremddarstellungsmaterial (z. B. Gutachten, wissenschaftliche Arbeiten, Lexika, einschlägige Literatur, Entwicklung der Rechtsprechung)
  3. Welche Erfahrungen machen Menschen, die die Angebote annehmen?
    (z. B. Berichte von Aussteigern, Angehörigen derzeitiger Anhänger, aber auch begeisterter Anhänger; alle Gespräche mit Betroffenen bleiben vertraulich.)

Es wird versucht, möglichst alle drei Quellen zu nutzen und in ihrer Qualität zu gewichten. Natürlich müssen Aussteigerberichte subjektiv bleiben, dennoch ist an einer Fülle von unabhängig voneinander und ähnlich lautenden Berichten auch Methodik der Gruppe erkennbar. Diese Berichte wie auch internes Material, das durch Aussteiger zugänglich wird, sind wertvolle Informationen zu tatsächlicher Binnenstruktur (und -klima) der Gruppen, die zur hochglänzenden Selbstdarstellung im Gegensatz steht. Da das Thema eine Vielzahl von Wissenschaftbereichen berührt (Jura, Psychologie, Soziologie, Pädagogik, Philosophie etc.), sind wissenschaftliche Arbeiten zu einzelnen Aspekten einzubeziehen, um notwendige Tiefenschärfe zu gewinnen.

Die eingehenden Informationen werden dokumentiert, aufbereitet und den jährlich 2000 - 3000 Anfragenden (Politik, Institutionen, Universitäten, Verbände, interessierte Bürger, Presse) in geeigneter Form zur Verfügung gestellt.

Für Betroffene ist sie erste wichtige Anlaufstelle, die neben Information, Erstaufnahme und Einordnung des Problems weiterführende Hilfeangebote(1) vermittelt.

Hauptziel der Informations- und Aufklärungsarbeit ist es, eine Transparenz herzustellen, die der Markt gewollt selbst nicht bietet. Die Fülle von Verwaltungsgerichtsverfahren, die eine solche Informationsschrift regelmäßig auslöst, läßt die große Empfindlichkeit vieler Gruppen gegenüber Transparenz und Kritik deutlich werden.


9.2. Prävention bei Jugendlichen


Kinder- und Jugendliche sind von konfliktträchtigen Gruppen auf zwei Ebenen betroffen:

  1. mittelbar durch die Mitgliedschaft ihrer Eltern. In diesem Falle wachsen sie in der deutlichen Abgeschlossenheit einer kleinen Welt auf. Lehrer, Erzieher und sonstige Kontaktpersonen sollten alle Möglichkeiten nutzen, diesen Kindern und Jugendlichen zu Beziehungen außerhalb der Gruppe zu verhelfen und sie Wirklichkeit in ihrer Vielfalt erfahren zu lassen.
  2. unmittelbar als Zielgruppe konfliktträchtiger Organisationen. Nur für wenige Gruppierungen allerdings sind Jugendliche heute noch eine Hauptzielgruppe. Vorwiegend wird versuchen die Gruppen, über Kita, Schülerarbeitshilfe und Freizeitaktivitäten zu werben, in einigen Fällen auch über das direkte Ansprechen auf der Straße.

Prävention bei Jugendlichen ist nicht grundsätzlich anders als bei Erwachsenen, kann aber insbesondere in der Phase der Lebensorientierung in der Pubertät grundlegende Wirkung entfalten und ist daher besonders wichtig:

  1. Kinder und Jugendliche stark machen, ihr Selbstbewußtsein, ihre Kritik- und Konfliktfähigkeit fördern, sie befähigen, Spannungen auszuhalten
  2. Jugendliche über grundlegende Merkmale und Strukturen konfliktträchtiger Gruppen informieren
  3. Jugendliche mit Werbemethoden der Gruppen und eigener korrespondierender Ansprechbarkeit vertraut machen (siehe Abschnitte 4.1. und 9.6.)
  4. Jugendlichen Gelegenheit eröffnen, sich intensiv mit Sinnfragen des Lebens auseinanderzusetzen und ihnen das notwendige Rüstzeug zur Verfügung stellen (Religion, Ethik, Philosophie)
  5. Kindern und Jugendlichen Werteorientierung gewähren (Werte des Grundgesetzes auch im Konflikt zwischen verschiedenen Grundrechten, Werte vorleben, Demokratie einüben)

9.3. Checkliste für unbekannte Gruppen(2)


Von potentieller Konfliktträchtigkeit einer religiösen, weltanschaulichen oder Psycho-Gruppe kann erst dann ausgegangen werden, wenn sie mehrere der im Folgenden genannten Merkmale - im Extrem ausgeprägt - auf sich vereinigt.(3)


9.4. Orientierungshilfe am Psychomarkt(4)


Der Psychomarkt boomt. Stadtmagazine und einschlägige Zeitschriften bieten eine breite Palette von Möglichkeiten. Nahezu jedes Bedürfnis scheint hier seine Erfüllung finden zu können. Neben allen Chancen birgt dieser Markt aber auch eine Fülle von Risiken, die es vorher zu bedenken gilt. Nur so kann sich der einzelne vor Schaden, vor psychischer und finanzieller Abhängigkeit bewahren. Deshalb: Üben Sie sich in gesunder Skepsis. Der alte Spruch, daß nicht alles Gold ist, was glänzt, gilt auch für den Psychomarkt.

Erkundigen Sie sich vor Ihrer Unterschrift unter einen Vertrag eingehend:

  1. nach der Ausbildung des Anbieters/Trainers, in dessen Hände Sie sich begeben. Wo hat der Anbieter wie lange welche Fächer studiert/ eine Ausbildung absolviert und mit welchem Zertifikat abgeschlossen? Der Verweis auf (irgend)einen Hochschulabschluß ist nicht ausreichend: Ihre Zähne lassen Sie gewiß auch nicht von einem Tierarzt behandeln. Überprüfen Sie Titel (Therapeut ist z. B. kein geschützter Titel) und wohlklingende Phantasietitel.
  2. nach dem, was Sie in dem Angebot erwartet. Nach welcher Methode und mit welchen Praktiken wird gearbeitet? Vorsicht, wenn der Anbieter oder Werber aussagekräftige Auskunft verweigert und darauf verweist: "Das kann man nicht beschreiben, das muß man erlebt haben!" Wer Kurse und Seminare von Wert anbietet, wird keine unüberwindlichen Schwierigkeiten haben, nachprüfbare Ziele und Inhalte zu formulieren.
  3. nach den Rahmenbedingungen: Wie groß wird die Gruppe sein? In Gruppen von Dutzenden von Teilnehmern kann der einzelne in seiner psychischen Befindlichkeit kaum mehr wahrgenommen werden.
    Erwarten Sie Marathonsitzungen von 12 und mehr Stunden, die Sie an die Grenze Ihrer psychischen Belastbarkeit führen können? Können Sie jederzeit essen, trinken, den Raum verlassen, mit anderen Teilnehmern kommunizieren oder werden Sie in existentiellen Bedürfnissen eingeschränkt?
    Verbietet ein Anbieter dem Teilnehmer Notizen während seiner Kurse oder reglementiert er sie?
  4. nach den genauen Kosten des Kurses und eventueller Folgekurse. Scheuen Sie nicht die Mühe eines Preisvergleichs, besonders mit von Fachverbänden anerkannten Selbsterfahrungs- und Therapieangeboten. Lassen Sie sich auf jeden Fall eine Quittung ausstellen; die Forderung einer Quittung hat nichts mit mangelndem Vertrauen zu tun.
  5. nach Rücktrittsmöglichkeiten vor und nach Kursbeginn. Haben Sie bereits mit der Anmeldung hohe Anzahlungen zu leisten? Erhalten Sie Ihr Geld entsprechend zurück? Klauseln wie "Kursteilnahme auch bei Krankheit" sprechen von selbst für Unseriosität.

Worauf Sie achten sollten:

Werbung erfolgt bei vielen Anbietern durch Mund-zu-Mund-Propaganda im Freundes- und Kollegenkreis. Das ist nicht nur preiswert, kann zur Folge haben, daß der Interessent seine positiven Gefühle für den Werber ungebrochen auf den Anbieter überträgt unter dem Motto: "Wenn mein bester Freund das gut findet ..." Nicht für jeden ist dasselbe gut, und auch der beste Freund ist nicht dagegen gefeit, einem unseriösen Angebot aufzusitzen oder einer psychischen Abhängigkeit anheimzufallen.

Bitten Sie sich Bedenkzeit aus. Unterschreiben Sie niemals vor Ort oder in einer gruppendynamischen Situation. Nehmen Sie die Unterlagen mit nach Hause und beraten sie sich mit Ihrem Partner/Ihrer Partnerin und Freunden. Ein Anbieter, der Sie schon bei der Anmeldung unter Druck setzt, verletzt Grenzen und wird dies möglicherweise auch weiterhin tun.

Haftungsausschlußklauseln wie beispielsweise "Der Teilnehmer erklärt, daß er die volle Verantwortung für sich und sein psychisches Wohlbefinden trägt und keine Ansprüche an den Anbieter des Kurses geltend macht" sollten Sie stutzig werden lassen. Hier versucht der Anbieter, sich von Verantwortung für eventuelle psychische oder gesundheitliche Schäden freizuzeichnen. Anscheinend rechnet er mit solchen Vorfällen.

Manche Anbieter verlangen von ihren Kunden in ausführlichen Fragebögen bereits in der Anmeldung detaillierte Aussagen über deren Privat- oder Intimbereich und persönliche Probleme. Überlegen Sie sich gründlich, ob Sie solches an Ihnen zu diesem Zeitpunkt noch unbekannte Menschen weitergeben oder sich nicht besser die Entscheidung solcher Offenbarungen für das Seminar vorbehalten wollen.

Besorgen Sie sich möglichst viel schriftliches Selbstdarstellungsmaterial des Anbieters. Notieren Sie sich Inhalte von Kontakten und Telefonaten. Das ermöglicht Ihnen Distanz und Klärung.

Begnügen Sie sich nicht mit der Selbstdarstellung des Anbieters und begeisterter Anhänger. Um sich eine mündige Meinung zu bilden, muß man auch andere Perspektiven in den Blick nehmen. Deshalb wenden Sie sich an kompetente Informations- und Beratungsstellen(5), um möglichst auch Fremddarstellungsmaterial in Ihre Meinungsbildung einbeziehen zu können.

Manche Anbieter verlangen nahezu blinde Gefolgschaft, nennen das "sich ganz einlassen" und bezeichnen es als eine Grundvoraussetzung für den Erfolg des Kurses. Bei manchen Teilnehmern kommt es dadurch zu Abhängigkeitsstrukturen. Geben Sie Ihren gesunden Menschenverstand und Ihre Kritikfähigkeit nicht an der Eingangstür ab. Bleiben Sie im Gespräch mit Ihnen vertrauten Menschen Ihrer Umgebung, die nicht am Kurs teilnehmen.

Viele Psychoangebote zielen darauf, Sie aus Ihren persönlichen Verhaltensweisen herauszulösen und Sie für neue Erfahrungen und Perspektiven zu öffnen. Das kann mit einer tiefen Verunsicherung verbunden sein. Hier besteht für den Kursteilnehmer insbesondere bei unzureichend ausgebildeten Trainern und in großen Teilnehmergruppen die Gefahr, therapeutisch nicht aufgefangen werden.

Deshalb scheuen Sie sich nicht, einen Kurs abzubrechen, wenn ihr Vertrauen zur Arbeit des Anbieters schwindet. Suchen Sie kompetente Hilfeangebote auf, wenn Sie in psychische Schwierigkeiten geraten.


9.5. Besinnungsanregung:


Lebe ich in einer Umwelt, aus der ich nicht auszubrechen brauche?(6)

Von entscheidender Bedeutung für den Erfolg eines Anwerbeversuchs durch eine konfliktträchtige Gruppe ist die eigene grundsätzliche und aktuelle Befindlichkeit des Angeworbenen. Die folgenden Punkte sollen lediglich Anregung zum Nachdenken sein; sie finden ihre Grenze in der unverwechselbaren Individualität des einzelnen und bedürfen entsprechender persönlicher Anpassung.


9.6. Empfehlungen für Angehörige


Für Angehörige ist es oft ein schwerer Schock, wenn sie vermuten oder erfahren, daß sich ein Mensch ihrer nahen Umgebung einer potentiell konfliktträchtigen Gruppe zugewandt hat. Oft wird im Kontext einer ersten Panik falsch reagiert, und es werden ungewollt Türen zugeschlagen, die nur schwer wieder zu öffnen sind. Ein Patentrezept gibt es nicht. Die folgenden Empfehlungen fußen auf positiven Erfahrungen und wollen ein wenig Handreichung bieten, einige schwierige Klippen im Umgang mit dem Angehörigen zu umschiffen und Perspektiven offenzuhalten.
1) Bewahren Sie Ruhe. Panik blockiert. Handeln Sie dennoch umgehend, weil ein Anhänger in der Einstiegsphase für Argumente und kritische Anmerkungen in der Regel noch weitaus offener ist.
2) Sammeln Sie so viele Informationen wie möglich, um herauszufinden, um welche Gruppe es sich genau handelt. Wie heißt die Gruppe, wie heißt der Führer? Welche Bücher liest Ihr Angehöriger, wann geht er zu welchen Veranstaltungen? Was hat er von Inhalten erzählt? Wie hat er sich verändert?(8) Was ist ihm jetzt wichtig? Scheuen Sie sich nicht, ihn direkt anzusprechen und interessiert zu fragen.
3) Wenden Sie sich dann an eine staatliche oder kirchliche Informationsstelle, die Ihnen i. d. R. mit neutralen und kritischen Informationen zu der jeweiligen Gruppierung weiterhelfen kann.
4) Bilden Sie sich anhand dessen, was sie von Ihren Angehörigen erfahren haben und anhand des kritischen Materials eine eigene Meinung.
5) Verabreden Sie mit Ihrem Angehörigen ein "ritualisiertes" Gespräch, für das Sie konkrete Absprachen treffen: Jeder läßt den anderen aussprechen und versucht vorbehaltlos zuzuhören, ohne sofort zu kommentieren. Versuchen Sie Sachlichkeit zu wahren und Emotion so weit als möglich herauszuhalten. Sorgen Sie für eine ungestörte Atmosphäre.
5 a) Lassen Sie Ihren Angehörigen zuerst sprechen. Bitten Sie ihn um seine Darstellung, was er sucht und was er in der Gruppe gefunden zu haben glaubt. Sie werden dabei auch Signale zu der Problemkonfiguration(9) erhalten, die möglicherweise dem Anschluß an die Gruppe zugrundeliegt. Darum zu wissen und dem Angehörigen hier Alternative oder Hilfe anzubieten, kann entscheidend für eine Distanz zur oder einen Ausstieg aus der Gruppe sein.
5 b) Erzählen Sie Ihrem Angehörigen, wie irritiert sie von seiner Veränderung sind. Berichten Sie von den kritischen Informationen, die sie inzwischen erhalten haben und bieten Sie ihm diese an. Bedeuten Sie ihm, daß für eine Meinungsbildung nicht ausreicht, nur eine Seite allein wahrzunehmen.
5 c) Verleihen Sie Ihrer Besorgnis Ausdruck und benennen Sie die Gefahren, die Sie für Ihren Angehörigen sehen. Versichern Sie Ihrem - erwachsenen - Angehörigen, daß Sie seine Entscheidung zwar nicht verstehen, aber akzeptieren. Bedeuten Sie Ihrem Angehörigen, daß Sie seinen jetzigen Weg für einen problematischen Umweg halten.
5 d) Eröffnen Sie Perspektiven: Sprechen Sie ihrem Angehörigen unbedingt deutlich zu, daß Sie sicher sind, daß er über die Kraft verfüge, diesen Umweg auch wieder zu beenden. Sichern Sie ihm zu, daß sie ihm dann sofort helfen werden - und zwar ohne (!) den Zeigefinger zu erheben im Sinne von "Das-hab-ich-dir-doch-damals-schon-gesagt". Halten Sie sich dabei vor Augen, wie schwer es für jeden ist, einen Irrtum einzugestehen.
6) Sprechen Sie das Thema von sich aus fürderhin nicht ständig an. Andernfalls verstärkten Sie lediglich die Verteidigungshaltung Ihres Angehörigen. Möglicherweise rechtfertigt er dann eine Sache, an der er bereits selbst zweifelt. Gehen Sie darauf ein, wenn ihr Angehöriger die Thematik selbst anspricht.
7) Halten Sie weiterhin Kontakt mit Ihrem Angehörigen, auch wenn die gemeinsamen Interessen und andere Gemeinsamkeiten Ihrer Beziehung schwinden.(10) Unterstützen Sie auch seine anderen Sozialkontakte außerhalb der Gruppe. Ein Ausstieg aus einer Gruppe fällt umso schwerer, wenn derjenige über keine anderen sozialen Kontakte mehr verfügt und quasi in die Einsamkeit gehen müßte.
8) Überlegen Sie sich, ob es sinnvoll ist, Ihren Angehörigen mit Geld zu unterstützen. In vielen Fällen fließt es direkt oder indirekt der Gruppe zu und verlängert möglicherweise die Zeit, in der Ihr Angehöriger in der Gruppe verbleibt. Sollten Sie den Eindruck einer psychischen Abhängigkeit Ihres Angehörigen haben, nehmen Sie rechtliche Beratung in Anspruch, um zu verhindern, daß der Gruppe Erbe zuteil werden könnte. Es kann durchaus hilfreich sein, das der Gruppe auch mitzuteilen.
9) Mit der vereinnahmenden Gruppe wird Ihrem Angehörigen eine neue Identität übergestülpt. Die bisherige Identität ist weiterhin mehr oder weniger verschüttet vorhanden. Sorgen Sie dafür, daß diese alte Identität wach bleibt Sie kennen Ihren Angehörigen am besten; es bietet sich eine Fülle von Möglichkeiten.(11) Die bisherige Identität ist wichtig für einen Ausstieg aus der Gruppe.
10) Werden Sie nicht mutlos, und erwarten Sie nicht unbedingt schnelle Erfolge. Konzentrieren Sie nicht Ihrerseits Ihr Leben auf dieses Problem.
Bedenken Sie, daß die Zugehörigkeit zu einer solchen Gruppe, auch in der fanatischen Ausprägung, oft nur eine Phase im Leben des einzelnen und die Fluktuation in den Gruppen höher ist, als in der Öffentlichkeit angenommen wird.


Quellenverzeichnis:
1 Psychologische Beratung und therapeutische Betreuung von Betroffenen wird in Berlin nicht von einer speziellen "Sektenberatung" wahrgenommen, sondern ist den in der Stadt vorhandenen allgemeinen psychosozialen Beratungsstellen und Diensten zugeordnet. Unsere Erfahrung hat gelehrt, daß in vielen (nicht allen) Fällen hinter der "Sektenproblematik" des Betroffenen eine auf den ersten Blick vielfach verborgene tiefere Problematik unterschiedlichster Art steht, die den Boden für eine Verstrickung in die "Sektenproblematik" erst bereitete. Hier kann die professionelle Psychologie und Psychotherapie des vorhandenen Beratungsnetzes helfen, obschon im Einzelfall Kenntnisse zur spezifischen "Sektenproblematik" unverzichtbar sind.
2 unter Verwendung der "Checkliste", hrsg. von der Ministerpräsidentin des Landes Schleswig-Holstein
3 siehe dazu auch die Ausführungen im Abschnitt 5.2.
4 erstellt unter Verwendung des Info-Blattes von Gerald Kluge, Beauftragter für Sekten- und Weltanschauungsfragen im Bistum Dresden-Meißen
5 beispielsweise psychosoziale Beratungsstellen und Krisendienste siehe Abschnitt 10.2.
6 adaptiert nach: Vontobel/Stamm/Gerber/Merki/Beck/Wicki: Das Paradies kann warten, Werd Verlag Zürich, 3. Auflage 1993, S. 235
7 Je mehr Punkte Sie ankreuzen konnten, desto weniger werden Sie durch konfliktträchtige Gruppen ansprechbar sein. Sollten Sie nur wenige Punkte mit einem Kreuz bedenken können, so versuchen Sie sich darüber klar zu werden, was Sie verändern können, um mehr Zufriedenheit zu erlangen.
8 Bedenken Sie dabei auch, daß Veränderung zum Leben gehört. Sie kann auch andere Ursachen haben. Denken Sie auch in andere Richtungen. Nicht jede starke Veränderung eines Menschen deutet auf eine "Sektenmitgliedschaft" hin.
9 z. B. Beziehungsprobleme, berufliche Probleme, erfolglose Sinnsuche
10 Ziehen Sie aber rechtzeitig eine Grenze, wenn Sie feststellen, daß es Sie psychisch zu sehr belastet. Es hilft Ihrem Angehörigen nichts, wenn Sie sich psychisch über die Maßen belasten. Schützen Sie sich, und suchen Sie professionelle Hilfeangebote auf, wenn Sie es selbst nicht mehr vermögen oder im Zweifel darüber sind.
11 z. B. ein Geschenk zum Geburtstag, das an etwas erinnert, oder eine gemeinsame Unternehmung i. S. "Wir sind doch immer gern gesegelt, laß uns doch am Samstag wieder einmal hinausfahren ..."


10. Anhang


10.1. Informations- und Beratungsstellen zu sogenannten "Sekten und Psychogruppen"
10.1.1. staatlich

10.2. Psychosoziale Beratungsstellen/Krisendienste/Rechtsberatung/Verbraucherschutz im Land Berlin
10.2.1. Erziehungs- und Familienberatungsstellen (EFB)
10.2.2. Sozial-Psychatrische Dienste
10.2.3. Krisendienste
10.2.4. Rechtsberatungsstellen
10.2.5. Verbraucherberatung


10.1.1. staatlich


Land Berlin:
Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport
Frau Rühle
Beuthstraße 6 - 8
10117 Berlin
Telefon: (030) 90 26-5574
Fax: (030) 90 26-5001

eMail: Anne-Kathrein.Ruehle@sensjs.verwalt-berlin.de

Land Baden-Württemberg:
Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg
Herr Carlhoff
Schloßplatz 4
70173 Stuttgart
Telefon: 0711/279 28 72
Fax: 0711/279 26 99

Land Bayern:
Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung
Herr Mainberger
80792 München
Telefon: 089/1261-1312

Bayrisches Staatsministerium für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst
Herr Gremm
Salvatorstraße 2
80333 München
Telefon: 089/2186-2568/2330

Land Brandenburg:
Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg
Herr Kier
Friedrich-Ebert-Straße 4
14467 Potsdam
Telefon: 0331/866 49 60

Bremen:
Senator für Frauen, Gesundheit, Jugend, Soziales und Umweltschutz
Frau Lehmkuhl
Birkenstraße 34
28195 Bremen
Telefon: 0421/361 92 67
Fax: 0421/361 93 21

Hamburg:
Behörde für Inneres der Freien Hansestadt Hamburg (nur Scientology)
Frau Caberta
Hachmannplatz 2
20099 Hamburg
Telefon: 040/3286-4990
Fax: 040/3286-4995

Behörde für Schule und Berufsbildung der Freien Hansestadt Hamburg
Herr Pauer
Hamburger Straße 37
22083 Hamburg
Telefon: 040/2988-3901

Land Hessen:
Hessisches Ministerium für Umwelt, Energie, Jugend, Familie und Gesundheit
Herr Kindermann
Dostojewskistraße 4
65187 Wiesbaden
Telefon: 0611/817 33 39/36 15
Fax: 0611/817 36 51

Land Mecklenburg-Vorpommern:
Kultusministerium Mecklenburg-Vorpommern
Frau Hermes
Werderstraße 124
19055 Schwerin
Telefon: 0385/588 71 90

Land Niedersachsen:
Niedersächsisches Frauenministerium
Frau Maaß
Hamburger Allee 26 - 30
30161 Hannover
Telefon: 0511/120 88 43

Land Nordrhein-Westfalen:
Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW
Herr Eppen
Horionplatz 1
40190 Düsseldorf
Telefon: 0211/855 35 11
Fax: 0211/855 37 01

Land Rheinland-Pfalz:
Ministerium für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit des Landes Rheinland-Pfalz
Frau Dewald-Koch
Mittlere Bleiche 61
55116 Mainz
Telefon: 06131/16 43 82
Fax: 06131/16 20 19

Saarland:
Ministerium für Frauen, Arbeit, Gesundheit und Soziales des Saarlandes
Herr Burghard
Franz-Josef-Röder-Straße 23
66119 Saarbrücken
Telefon: 0681/501 31 18
Fax: 0681/501 31 39

Land Sachsen:
Sächsisches Staatsministerium für Kultus
Frau Deipenwisch
Carolaplatz 1
01097 Dresden
Telefon: 0351/564 27 15

Land Sachsen-Anhalt:
Ministerium für Arbeit, Soziales und Gesundheit des Landes Sachsen-Anhalt
Herr Theißen
Seepark 5 - 7
39116 Magdeburg
Telefon: 0391/567 69 70

Land Schleswig-Holstein:
Informations- und Dokumentationsstelle Sekten- und sektenähnliche Vereinigungen bei der Ministerpräsidentin des Landes Schleswig-Holstein
Herr Bartels
Adolfstraße 48
24100 Kiel
Telefon: 0431/988 18 80
Fax: 0431/988 18 82

Land Thüringen:
Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien
Herr Schröder
Heinrich-Heine-Allee 2 - 4
99438 Bad Berka
Telefon: 03 64 58/562 34
Fax: 03 64 58/563 00

Bundesregierung:
Bundesministerium für Frauen und Jugend
Herr Reinke, Herr Paschold
Rochusstraße 8 - 10
53123 Bonn
Telefon: 0228/306 22 59


10.2. Psychosoziale Beratungsstellen/Krisendienste/Rechtsberatung/Verbraucherschutz im Land Berlin


Allgemeines/Empfehlungen:


10.2.1. Erziehungs- und Familienberatungsstellen (EFB)


Bezirk Anschrift Telefon Sprechzeiten
Charlottenburg 10625 Berlin, Pestalozzistraße 20 3430-4502 Mo. 9.00 - 11.00 Uhr
Mi.  16.00 - 18.00 Uhr
Friedrichshain 10247 Berlin, Frankfurter Allee 35 - 37 2324-4524  
Hellersdorf 12619 Berlin, Cecilienstraße 23 561 01 06  
Hohenschönhausen 13055 Berlin, Strausberger Straße 5 971 13 96
971 28 87
 
Köpenick 12587 Berlin, Müggelseedamm 247 645 29 12
645 15 97
Di. 8.00 - 18.00 Uhr
Do. 10.00 - 19.00 Uhr
Kreuzberg 10965 Berlin, Mehringdamm 112
(Haus der Familie)
2588-2415  
  10999 Berlin, Wiener Straße 57 2588-8921  
Lichtenberg 10367 Berlin, Parkaue 25
(Haus der Kinder)
5517-0209
558 92 64
Mo. 14.00 - 18.00 Uhr
Marzahn 12679 Berlin, Landsberger Allee 563 931 11 48
931 20 23
 
Mitte 10117 Berlin, Luisenstraße 45 2839-6134
2839-6127
Di. 9.00 - 12.00 Uhr
Do. 15.00 - 18.00 Uhr
  10117 Berlin, Luisenstraße 45
(ev. Beratungsstelle)
282 47 54  
  10119 Berlin, Christinenstraße 26
(Festland e. V.)
231 66 88  
Neukölln 12053 Berlin, Saltykowstraße 8 6809-2478  
  12359 Berlin, Gutschmidtstraße 31 6809-8242  
  12353 Berlin, Lipschitzallee 72 603 10 27  
Pankow 13156 Berlin, Grabbeallee 43,
Haus 2 (Niederschönhausen)
4833-0860  
Prenzlauer Berg 10407 Berlin, Paul-Robeson-Straße 36 445 68 40 Mo. 12.00 - 16.00 Uhr
Di., Mi. 8.00 - 16.00 Uhr
Do. 13.00 - 18.00 Uhr
Fr. 8.00 - 15.00 Uhr
  10405 Berlin, Danziger Straße 199 425 82 89 Mo. 12.00 - 16.00 Uhr
Di., Mi. 8.00 - 16.00 Uhr
Do. 13.00 - 18.00 Uhr
Fr. 8.00 - 15.00 Uhr
Reinickendorf 13469 Berlin, Oraniendamm 40 - 43 4192-6349  
Schöneberg 12159 Berlin, Sponholzstraße 15 7876-8902  
Spandau 13583 Berlin, Germersheimer Weg 27/29 3303-2448 Mo., Di., Mi. 9.00 - 17.00 Uhr
Do. 9.00 - 18.00 Uhr
Fr. 9.00 - 14.00 Uhr
Steglitz 12167 Berlin, Mittelstraße 5 7904-2501  
Tempelhof 12277 Berlin, Domagkstraße 3 und 5 7560-4213  
Tiergarten 10559 Berlin, Rathenower Straße 16 3905-4614  
Treptow 12487 Berlin, Waiblinger Weg 19
(Zugang über Großberliner Damm)
636 42 50
636 00 77
Mo., Mi. 9.00 - 16.00 Uhr
Di., Do. 9.00 - 18.00 Uhr
Fr. 9.00 - 15.00 Uhr
Wedding 13357 Berlin, Schulstraße 101 4575-5400 Di. 9.00 - 11.30 Uhr
Do. 17.00 - 18.30 Uhr
  13357 Berlin, Grüntaler Straße 21 4575-5350 Di. 9.00 - 11.30 Uhr
Do. 17.00 - 18.30 Uhr
Weißensee 13086 Berlin, Heinersdorfer Straße 44 9679-3723
bis -3726
Mo. - Do. 8.00 - 18.00 Uhr
Fr. 8.00 - 15.00 Uhr
Wilmersdorf 10702 Berlin, Hohenzollerndamm 174 - 177 8641-3316  
Zehlendorf 14195 Berlin, Königin-Luise-Straße 88 841 76 00  

10.2.2. Sozial-Psychatrische Dienste


Bezirk Anschrift Telefon Sprechzeiten
Charlottenburg 10629 Berlin, Wilmersdorfer Straße 98/99 3430-8353 Di. 9.00 - 12.00 Uhr
Do. 11.00 - 13.00 Uhr
Friedrichshain 10243 Berlin, Koppenstraße 38/40 2324-2763
2324-2770
Mo., Di.  9.00 - 12.00 Uhr und 14.00 - 15.30 Uhr
Mi. nach Vereinbarung
Do. 9.00 - 12.00 Uhr und 14.00 - 17.30 Uhr
Fr. 9.00 - 12.00 Uhr
Hellersdorf 12619 Berlin, Etkar-Andrich-Straße 8 560 72 50
560 72 71
Mo., Di., Do. 9.00 - 12.00 Uhr
und 14.00 - 18.00 Uhr
Fr. 9.00 - 12.00 Uhr
Hohenschönhausen 13051 Berlin, Matenzeile 26
(Haus der Gesundheit)
9820-7575 Di. 9.00 - 12.00 Uhr
Do. 15.00 - 18.00 Uhr
Fr. 9.00 - 12.00 Uhr
Köpenick 12555 Berlin, Puchanstraße 17 6584-4750
6584-4751
Mo., Do. 9.00 - 18.00 Uhr
Di., Mi. 9.00 - 15.00 Uhr
Fr. 9.00 - 14.00 Uhr
Kreuzberg 10967 Berlin, Müllenhoffstraße17 2588-2741
2588-2795
Di., Fr. 9.00 - 12.00 Uhr
Do. 16.00 - 18.00 Uhr
Lichtenberg 10315 Berlin, Zachertstraße75 525 17 96  
Marzahn 12687 Berlin, Blumberger Damm 231 5407-2360 Mo., Di., Do. 9.00 - 12.00 Uhr
Mitte 10178 Berlin, Rosa-Luxemburg-Straße 13 2470-2511
2470-2513
Di. 9.00 - 13.00 Uhr
Do. 13.00 - 17.00 Uhr
Neukölln 12053 Berlin, Neckarstraße7 6809-2786 Di. Fr. 9.00 - 12.00 Uhr
Do. 16.00 - 18.00 Uhr
Pankow 13156 Berlin, Tschaikowskystraße 10 - 12 485 89 59 Di. 9.00 - 12.00 Uhr
Do. 14.00 - 18.00 Uhr
Fr. 9.00 - 12.00 Uhr
Prenzlauer Berg 10409 Berlin, Prenzlauer Allee 90 4240-4781 Mo., Di., Fr. 9.00 - 12.00 Uhr
Do. 14.00 - 18.00 Uhr
Reinickendorf 13509 Berlin, Am Nordgraben 1 4192-5075  
  13407 Berlin, Teichstraße 65 4192-5010  
  13405 Berlin, Avenue Charles de Gaulle 10 4192-5703  
Schöneberg 10825 Berlin, Erfurter Straße 8 7876-3757 Di., Fr. 9.00 - 11.00 Uhr
Do. 14.00 - 17.00 Uhr
Spandau 13597 Berlin, Carl-Schurz-Straße 17 3303-2355 Mo. - Do. 9.00 - 16.00 Uhr
Fr. 9.00 - 14.00 Uhr
Steglitz 12169 Berlin, Bergstraße 9o 7904-5158  
Tempelhof 12105 Berlin, Rathausstraße27 7560-0 Di., Fr. 9.00 - 12.00 Uhr
Tiergarten 10559 Berlin, Turmstraße 22 3905-3268 Mo., Di., Fr. 9.00 - 11.00 Uhr
Treptow 12489 Berlin, Rudower Chaussee 4 6701-2456  
Wedding 13347 Berlin, Reinickendorfer Straße 60 b
(Haus der Gesundheit)
4575-5212 Di. 9.00 - 11.00 Uhr
Do. 14.00 - 17.00 Uhr
Weißensee 13088 Berlin, Caseler Straße 1 965 30 30  
Wilmersdorf 14197 Berlin, Binger Straße 62 8641-4110
8641-4128
Di., Fr. 10.00 - 12.00 Uhr
Zehlendorf 14163 Berlin, Königstraße 36 807 23 78 Di. Fr. 9.00 - 11.00 Uhr
Do. 15.00 - 18.00 Uhr

10.2.3. Krisendienste
Hinweis: Die angegebenen Adressen beziehen sich auf die Beratungsstellen; Anschriften von Zufluchtswohnungen werden nicht veröffentlicht.


1) Krisendienst für Kinder und Jugendliche

http://www.neuhland.de * NEUhland Hilfe für selbstmordgefährdete Kinder und Jugendliche
Friedrichshain:
10249 Berlin, Richard-Sorge-Straße 73
Wilmersdorf:
10717 Berlin, Nikolsburger Platz 6 (2. Etage)
Telefon: 873 01 11
Öffnungszeiten: jeweils Mo. - Fr. 9.00 - 18.00 Uhr

Gewaltnotruf für Kinder, Jugendliche und Eltern
Telefon: 33 03 38 38

Kindernotdienst
Telefon: 610 06-333 (Durchwahl), 61 00 61-1 (Vermittlung)
Öffnungszeiten: Tag und Nacht, auch am Wochenende

Kinderschutzzentrum
Telefon: 683 91 10
Öffnungszeiten: täglich 9.00 - 16.00 Uhr

Krisendienst
Telefon: 0800-11 04 44 (gebührenfrei)
Öffnungszeiten: täglich 9.00 - 20.00 Uhr

2) Krisendienste für Frauen

Frauenkrisentelefon
Telefon: 615 42 43 und 615 75 96
Öffnungszeiten: Mo. - Do. 10.00 - 12.00 Uhr, Di., Mi, Fr. 19.00 - 21.00 Uhr, Sa., So. 17.00 - 19.00 Uhr

Frauenzentrum Paula Panke e. V.
Beratung und Zufluchtswohnung für Frauen und ihre Kinder
13187 Berlin-Wedding, Schulstraße 6
Telefon: 485 47 02
Öffnungszeiten: Mo. 10.00 - 14.00 Uhr, Di., Do. 14.00 - 16.00 Uhr

Frauenraum - Beratung und Treff für Frauen in Konfliktsituationen
10435 Berlin, Granseer Straße 8
Telefon: 448 45 28
Öffnungszeiten: Di. 12.00 - 18.00 Uhr, Do. 9.00 - 15.00 Uhr, Fr. 11.00 - 14.00 Uhr

Frauenzimmer e. V.
Zuflucht für Frauen und ihre Kinder
Telefon: 787 50 15

Frauenberatung Bora e. V.
Beratung und Zuflucht für Frauen in Konfliktsituationen
13088 Berlin-Weißensee, Berliner Allee 130
Telefon: 927 47 07
Öffnungszeiten: Di. 14.00 - 18.00 Uhr, Do. 10.00 - 14.00 Uhr

3) Allgemeine Krisendienste

Krisenambulanz Wedding
13347 Berlin, Malplaquetstraße 32
Telefon: 455 30 30
Öffnungszeiten: täglich 16.00 - 23.00 Uhr

Psychosozialer Krisendienst Friedrichshain/Lichtenberg
10249 Berlin, Richard-Sorge-Straße 73 (2. Etage)
Telefon: 422 64 60
Öffnungszeiten: täglich 18.00 - 24.00 Uhr

Psychosozialer Krisendienst
Pankow/Weißensee/Prenzlauer Berg
13187 Berlin, Amalienpark 1
Telefon: 47 53 56 96
Öffnungszeiten: täglich 18.00 - 24.00 Uhr

Krisennotdienst
13053 Berlin-Hohenschönhausen, Manetstraße 83
Telefon: 98 69 43 15
Öffnungszeiten: täglich 18.00 - 24.00 Uhr

Psychiatrischer Notdienst Charlottenburg/Wilmersdorf
14059 Berlin, Horstweg 2
Telefon: 322 20 20
Öffnungszeiten: Mo. - Do. 18.00 - 24.00 Uhr, Fr. - So./Feiertage 15.00 - 24.00 Uhr

Kriseninterventionszentrum
Klinikum Steglitz
12203 Berlin, Hindenburgdamm 30
Telefon: 79 82 71-0

Krankenhaus Moabit
10559 Berlin, Turmstraße 21
Telefon: 397 620 40

Krankenhaus Neukölln
12350 Berlin, Rudower Straße 56
Telefon: 6004-2229

Urbankrankenhaus
10967 Berlin, Dieffenbachstraße 1
Telefon: 69 77 02

Krisen- und Beratungsdienst K.U.B. für Menschen in seelischen Notlagen
10823 Berlin, Apostel-Paulus-Straße 35
Telefon: 781 85 85
Öffnungszeiten: Mo. - Do. 18.00 - 24.00 Uhr, Fr. - So. 22.00 - 8.00 Uhr

Telefonseelsorge
Konfliktberatung und Selbstmordverhütung
Telefon: 111 01

Telefonseelsorge
Kirchliche Telefonseelsorge Mitte
Telefon: 111 02


10.2.4. Rechtsberatungsstellen


Die Rechtsberatung in den Rechtsberatungsstellen der Bezirksämter (Abt. Sozialwesen) ist für Einkommensschwache kostenlos; die angegebenen Sprechzeiten gelten für Beratung oder Terminvergabe.
Bezirk Anschrift Telefon Sprechzeiten
Charlottenburg 10585 Berlin, Otto-Suhr-Allee 100 3430-2664 Mo., Di. 13.00 - 18.00 Uhr
Do.,Fr. 9.00 - 14.00 Uhr
Friedrichshain 10247 Berlin, Petersburger Straße 86 - 90 2324-0 Mi. 9.00 - 15.30 Uhr
Fr. 9.00 - 12.00 Uhr
Hellersdorf 12619 Berlin, Etkar-André-Straße 108 5607-1307 Do. 15.00 - 19.00 Uhr
Fr. 9.00 - 12.00 Uhr
Hohenschönhausen 13051 Berlin, Matenzeile 28 9820-7179 Di. 9.00 - 13.00 Uhr
Do. 14.00 - 18.00 Uhr
Fr. 9.00 - 12.00 Uhr
  13051 Berlin, Zingster Straße 6
(Arbeitslosenzentrum)
923 20 82 Di. 10.00 - 15.00 Uhr
Do. 12.00 - 18.00 Uhr
Köpenick 12555 Berlin, Alt-Köpenick 21 Bürgeramt:
6584-2741
6584-2742
Mo. 9.00 - 15.00 Uhr
Di., Do. 9.00 - 18.00 Uhr
Fr. 9.00 - 13.00 Uhr
Kreuzberg 10965 Berlin, Yorckstraße 4 - 11 2588-2344 Di. 12.00 - 18.00 Uhr
Do. 13.30 - 20.00 Uhr
Lichtenberg 10367 Berlin, Möllendorffstraße 6 5504-3330  
Marzahn 12679 Berlin, Blumberger Damm 231 5407-2510 Do. 9.00 - 12.00 Uhr und 16.00 - 18.00 Uhr
Fr. 9.00 - 12.00 Uhr
Mitte 10178 Berlin, Alexanderplatz 1 2470-2648 Mo., Di., Fr. 9.00 - 12.00 Uhr
Do. 15.00 - 18.00 Uhr
Neukölln 12359 Berlin, Alt-Britz 90 6809-8249 Mo., Di., Mi., Fr. 9.00 - 13.00 Uhr
Do. 16.00 - 18.00 Uhr
Pankow 13187 Berlin, Dusekestraße 43 4883-2108 Di. 14.00 - 18.00 Uhr
Prenzlauer Berg 10969 Berlin, Friedrichstraße 12, Haus 2 4240-1101 Do. 9.30 - 14.00 Uhr
Mi. 14.00 - 17.00 Uhr
Reinickendorf (z .Zt. keine Rechtsberatung)    
Schöneberg 10820 Berlin, John-F.-Kennedy Platz
(Bürgerbüro)
7876-8888 Mo., Di. 9.00 - 12.00 Uhr und 13.30 - 15.00 Uhr
Do. 9.00 - 12.00 Uhr und 13.30 - 18.00 Uhr
Fr. 9.00 - 14.00 Uhr
    7876-3325 Mo. 7.30 - 14.00 Uhr
Di., Do. 12.00 - 18.00 Uhr
Spandau 13597 Berlin, Carl-Schurz-Straße 2 - 6 3303-1 nur persönliche Anmeldung im Bürgeramt:
Do. 14.30 - 18.30 Uhr
Fr. 9.30 - 13.30 Uhr
Steglitz 12154 Berlin, Schloßstraße 80 (Kreisel) 7904-3340
7904-3350
7904-3360
 
Tempelhof 12105 Berlin, Rathausstraße27 7560-7798 Mo. - Fr. 9.00 - 13.00 Uhr
Tiergarten (Verweis nach Charlottenburg)    
Treptow 12437 Berlin, Rinkartstraße 13 5331-5907 Mo. 9.00 - 13.00 Uhr
Di. 13.00 - 18.00 Uhr
Wedding 13353 Berlin, Müllerstraße 146/147 4575-0 Di. 11.00 - 18.00 Uhr
Fr. 9.00 - 14.00 Uhr
Weißensee 13088 Berlin, Berliner Allee 125 9679-4061 Mo., Di. 9.00 - 15.00 Uhr
Do. 10.00 - 16.00 Uhr
Wilmersdorf 10707 Berlin, Fehrbelliner Platz 4 8641-2000
(Bürgerbüro)
Mi., Fr. 15.00 - 17.00 Uhr
(Anmeldung ab 14.30 Uhr)
Zehlendorf 14163 Berlin, Kirchstraße 1 - 3 807-2535 Mo. 8.30 - 13.00 Uhr
Do. 13.30 - 18.00 Uhr


10.2.5. Verbraucherberatung


Verbraucherschutzverein e. V. (rechtliche Fragen)
10787 Berlin, Bayreuther Straße 41
Telefon: 21 48 74-26
Öffnungszeiten: Mo., Di., Do., Fr. 10.00 - 12.00 Uhr

Verbraucherzentrale Berlin e. V.
10787 Berlin, Bayreuther Straße 40
Telefon: 214 85-0

Stiftung Warentest
10785 Berlin, Lützowplatz 11 - 13
Telefon: 26 31-0

Darüber hinaus können Geringverdienende mit einem entsprechenden Einkommensnachweis in der Rechtsantragsstelle des für ihren Bezirk zuständigen Amtsgerichts einen Berechtigungsschein (nach § 4 Beratungshilfegesetz (Beratungshilfe für Einkommensschwache)) für eine kostenlose Rechtsberatung bei einem Anwalt ihrer Wahl erhalten.


10.3. Weiterführende Literatur
10.3.1. Gruppenübergreifende Literatur zum Thema
10.3.2. Einzelne Gruppen
10.3.3. Okkultismus
10.3.4. Strukturvertriebe
10.3.5. Weltanschauung und Therapie
10.3.6. Rechtliche Aspekte


10.3.1. Gruppenübergreifende Literatur zum Thema



10.3.2. Einzelne Gruppen


Ananda Marga

Brahma Kumaris

Boston Church

Europäische Arbeiterpartei - EAP/ La-Rouche

Fiat Lux

Heimholungswerk (Universelles Leben)

Krishna

Mun-Bewegung (Vereinigungskirche)

Neuheidentum

Osho

Scientology

Sri Chinmoy

Transzendentale Meditation

VPM


10.3.3. Okkultismus



10.3.4. Strukturvertriebe



10.3.5. Weltanschauung und Therapie



10.3.6. Rechtliche Aspekte



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